Gerhard Nattler - Ein tödlicher Plan

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Die Prostituierte Maria Weiß meldet den Tod einer ihrer drei Kolleginnen, die in ihren Wohnwagen an der B225 ihrem Gewerbe nachgehen. Kommissar Berendtsen ermittelt. Der Verdacht fällt zunächst auf seinen Kollegen Oliver Hallstein, doch bald stellt sich heraus, dass Maria und ihre drei Kolleginnen aus der Szene aussteigen wollten, sehr zum Missfallen ihres Managers Andreas Wallbaum. Im Zuge der Untersuchungen stößt Berendtsen auf organisiertes Verbrechen großen Ausmaßes.

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»Gibt es irgendwelche Adressen, die man besuchen könnte, um sie zu erwischen? Sie müssen doch ihren Verdienstausfall wettmachen.«

»Wenn sie auf eigene Rechnung arbeite, also wie Tina, dann haben sie Geld genug. Die anderen brauchen sich um nichts zu kümmern, das regelt der Manager, wie die Ritter den Kerl genannt hat. Zuhälter würde ich sagen. Und die Ritter …«

»… Frau Ritter ist heute auf dem Platz. Ich habe heute Nachmittag mit ihr gesprochen. Übrigens muss ich gleich noch einmal zum Wagen. Schmidt ist heute bei der Endabnahme etwas aufgefallen, was er mir zeigen will. Wollen Sie mit? Sie müssten mit Ihrem eigenen Wagen fahren, da wir anschließend etwas zu erledigen haben. Schmidt fährt nach Hause, ich treffe den Boten, der die Medikamente geliefert hat. Vielleicht hat er etwas bemerkt.«

Hallstein hatte noch zu tun und musste früher weg. Er wollte mit seiner Freundin in ein Konzert.

Berendtsen machte sich auf seinem Minipad Notizen über den heutigen Tagesverlauf. Er aktualisierte seine ToDo Liste. Dann konnte er noch in Ruhe den Rest aus seiner Flasche Wasser trinken und dann war es auch Zeit zur Abfahrt.

Die beiden Kollegen trafen sich auf dem Parkplatz. Willi ging vor. Er ging zur Fahrerseite und traute seinen Augen nicht. Das Polizeisiegel war gebrochen. Jemand war im Wagen gewesen. Man sah es deutlich. Unter den Pedalen und dem Fahrersitz war frisch gewischt. Zum Teil gab es noch feuchte Stellen. Die Gummimatte, die jemand auf den Sitz gelegt hatte, als sie den Wagen untersucht hatten, war weg.

»Was gab es hier zu säubern?«

Willi zeigte Albert einige Fotos auf seinem Smartphone. »Sie dir das an! Fällt dir etwas auf?«

»Du meinst den Fußabtritt, den halben? – Tatsächlich!«

Willi wischte zum nächsten Bild und vergrößerte mit Daumen und Zeigefinger den Ausschnitt. Unter den Pedalen sah man markante Abdrücke eines Absatzes, die jetzt nicht mehr zu sehen waren.

»Gibt es jetzt Probleme?«, fragte Albert.

»Probleme nicht, aber wir hätten Spuren nehmen können. Vielleicht hätten wir Einzelheiten über den Fahrer erfahren. Es waren eindeutig Männerabsätze. Da gehe ich jede Wette ein.«

»Was willst du unternehmen?«

»Ich hole meine Utensilien aus dem Kofferraum und dann fange ich an.«

Sie gingen zusammen zum Wagen. Willi führte tatsächlich einen ganze Menge Gegenstände in seinem Kofferraum mit, die Albert von der SpuSi kannte.

»Du kannst meinetwegen zur Apotheke fahren und den Mann befragen. Ich komme hier allein zurecht.«

Albert beobachtete noch eine Weile, wie Willi mit Eisenfeilspänen und Dachspinsel hantierte und dabei die Lupe zu Hilfe nahm. »Wir leben im Zeitalter der Elektronik und doch geht es manchmal zu wie bei Sherlock Holmes«, dachte Berendtsen. »Sieht nicht so aus, als sei die Tür aufgebrochen worden.«

»Zweitschlüssel. Einen haben wir in der Kleidung der Toten gefunden.«

»Sieh dir das an!«, rief er dem Kommissar nach, der schon seinen Wagen aufgeschlossen hatte. Albert ging eilig zurück.

»Hier, diese Faser. Kommt sie dir bekannt vor? Es ist die Art Faser, die wir auch in der Trachea und Munde und Nase der Toten gefunden haben. Eine davon.« Sie war rot.

»Habt ihr schon die Pillen untersucht, die im Wagen gefunden wurden?«

»Wir haben ein Etikett gefunden. Es war sehr wahrscheinlich unbeabsichtigt zwischen die Tabletten geraten. Psilobal heißen sie, aber ich kenne sie nicht. Nie gesehen. Frage mal in der Apotheke, wenn du den Fahrer triffst. Vielleicht wissen die etwas.« Er scannte mit seinem Handy das Etikett ein und schickte es per Bluetooth.

»Gute Idee. Bis morgen.«

Er drehte kurzentschlossen auf Marias Wagen zu. Sie war nicht an ihrem Arbeitsplatz.

Berendtsen betrat die Apotheke neben der Polizeiwache in der Dorstener Innenstadt. Er stellte sich vor und fragte nach dem Boten, Herrn Wagner. »Guten Abend, Herr Hauptkommissar. Herr Wagner wartet hinten. Würden Sie mir bitte folgen? Ich glaube, diese Befragung können sie besser im Beratungszimmer abhalten. Die Mitarbeiterin ging vor. Sascha wartete bereits.

»Herr Wagner, Sie wissen Bescheid, worum es geht? Wir untersuchen den Tod der Dame, bei der Sie gestern Abend eine Tüte mit Medikamenten abgegeben haben, Frau Barami.«

Wagner nickte stumm.

»Wir wenden uns an Sie, weil wir hoffen, dass sie bei ihrer Zustellung etwas gesehen oder bemerkt haben, was uns weiterbringt. Können Sie uns helfen?«

»Ich war zweimal bei ihr. Ich hatte eine Fahrt zur Schachtstraße, die um halb sechs zugestellt werden musste. Ich bin an diesem Parkplatz ausgestiegen und wollte die Tüte vorher abgeben. Da sah ich, dass die Vorhänge zugezogen waren und rotes Licht brannte. Das heißt für mich, nicht anklopfen. Ich kenne mich aus, weil ich dort schon oft war. Nicht nur bei dieser Frau, auch bei den anderen. Auf dem Rückweg hatte ich mehr Glück. Die Gardine war zurück und weiße Beleuchtung. Außerdem hatte sie mich kommen sehen. Sie stand in der Tür und erwartete mich. Das Trinkgeld für mich hatte sie bereits in der Hand. Es war alles normal.«

»Aufgefallen ist Ihnen nichts?«

Wagner kramte in seinem Gedächtnis. »Doch!« Plötzlich kam die Erinnerung. »Ich habe vorne auf dem Fahrersitz einen Mann gesehen. Ich dachte noch, die beiden wollen jetzt aufbrechen.«

»Haben Sie sonst etwas gesehen, einen Wagen vielleicht?«

»Natürlich. Da waren mehrere Wagen, wie immer. Die Monteure hatten wohl alle Verspätung, weil es auf der Drei bestimmt wieder einen Stau gab. Schalke Heimspiel.«

»Erinnern Sie sich, wie der Mann aussah? Können Sie ihn vielleicht beschreiben?«

»Er war ziemlich stämmig. Groß. Kräftig. Auf den ersten Eindruck. Genau konnte ich ihn nicht sehen, denn er saß im Dunkeln. Nur die kleine Leuchte über dem Rückspiegel war an.«

»Würden Sie ihn wiedererkennen?«

»Da fragen Sie mich was, Herr Kommissar. Das weiß ich nicht. Er hatte eine Mütze auf. Blau-weiß, aber nicht Schalke. Das wäre mir aufgefallen. Vielleicht Bochum. Ja, VFL.«

»Diese Tüte, die Sie abgegeben haben – hat Frau Barami sie geöffnet? Haben sie gesehen, ob sie vielleicht kontrolliert hat, ob alles korrekt eingepackt war?«

»Nein, das tut sie nie. Sie weiß, dass alles stimmt. Ich meine … jetzt ist sie ja tot.«

»Die Tüte war also versiegelt, als Sie sie abgegeben haben und Frau Barami sie in den Wagen genommen hat.«

»Natürlich. Ich reiße das Siegel nicht auf!«

»Wie spät war es, als sie Frau Barami verließen?«

»Zehn Minuten vor sechs.«

»Das wissen Sie genau?«

»Ich kann kurz meinen Fahrtenbericht holen.« Er holte von hinten ein Blatt, auf dem alle Kunden aufgeführt waren und die jeweiligen Anweisungen, die dort auszuführen waren. Bei Barami stand ›nicht bei Rot klopfen! Zustellung nur persönlich aushändigen‹ und ›Betrag: 0,00‹. Dahinter war handschriftlich vermerkt ›17:45 / p‹.

Der Kommissar las auf der Anweisung für die Schachtstraße, deren Namen und Adressen umgefalzt waren, ›Zustellung unbedingt 17:15 bis 17:30‹. Ebenfalls war handschriftlich vermerkt ›17:25‹.

»Herr Wagner, können Sie mir sagen, was in der Tüte war?«

»Dazu kann ich nichts sagen. Da müssen Sie Marina fragen. Sie stellt alles zusammen.« Er gab dem Chef, Herrn Simons, Bescheid.

»Eine Frage noch, Herr Wagner. Haben Sie ein Auto mit polnischem Kennzeichen auf dem Parkplatz gesehen?«

»Dieser Skoda? Der steht schon mehrere Tage dort. Das ist aber nichts Außergewöhnliches. Er steht oft dort. Ich glaube, der gehört zu einer der Kundinnen.«

Simons begrüßte den Beamten.

»Ich weiß nicht, ob das hier nötig ist. Ich habe es sicherheitshalber besorgt.« Berendtsen übergab dem Apotheker eine ›Richterliche Anordnung zur Einsicht in die der Frau Barami gelieferten Medikamente‹.

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