„Müssen wir das jetzt klären? Ich hab keine Lust, mein Essen nachher wegzuwerfen und hungrig ins Bett zu gehen.“
„Ja, aber gerade dann sollten Sie doch eine so beträchtliche Summe nicht einfach -“
„Hören Sie eigentlich schlecht? Ich möchte jetzt essen und nicht über Geld reden!“
Sie knallte den Hörer auf die Gabel und kehrte zu ihren lauwarmen Nudeln mit Gemüse zurück. Beim nächsten Läuten blieb sie einfach sitzen, sie konnte Valli ja nachher zurückrufen. Zwanzigmal, der Typ war regelrecht unverschämt!
Als sie aufgegessen hatte, trug sie ihren Teller in die Küche und spülte ihn sorgfältig ab, dann schaltete sie im Wohnzimmer den DVD-Player aus, weil sie ohnehin schon den Löwenanteil der Folge verpasst hatte, und rief bei Valli an.
„Und? Hast du vorhin bei mir angerufen?“
„Nein, das war ich nicht. Die bei der Polizei haben die Vermisstenmeldung aufgenommen, aber sie haben ziemlich dämlich gegrinst, das hat man sogar durchs Telefon gemerkt. Kleines Frauchen beklagt sich, dass ihr der Ernährer durchgebrannt ist. Als ich gesagt habe, dass er auch nicht in der Arbeit war – unentschuldigt! – waren sie schon etwas aufmerksamer. Aber ich soll Geduld haben, haben sie gemeint. Geduld!“
„Die suchen doch jetzt nach ihm“, versuchte Luise sie zu beruhigen, „aber so schnell geht das alles nicht. Zumindest kriegen sie schneller raus als du, ob er in irgendeinem Krankenhaus liegt oder so.“
Valli seufzte. „Ja, mag sein. Was kann da bloß los sein? So was hat er wirklich noch nie gemacht. Gut, in letzter Zeit war er ziemlich komisch, aber so was?“
„Inwiefern komisch?“, fragte Luise. Vielleicht kam man so der Lösung ja näher!
„Ach, so zurückgezogen. Und dann hat er sich das Haus angeschaut und geseufzt. Und wenn ich gefragt habe, was los ist, ob wir ein Geldproblem haben, hat er nur gemeint, ich soll mich nicht aufregen, er kriegt das schon geregelt. Und seit Freitag war er dann ziemlich aufgekratzt.“
„Habt ihr denn Geldprobleme? Das Haus ist ja schon ziemlich riesig, nicht?“
„Wem sagst du das – was glaubst du denn, wer es putzen darf? Er wollte sein Traumhaus, wenn er schon nicht seinen Traumjob hat.“ Sie seufzte. „Manchmal denke ich, wir hätten damals nicht sofort heiraten sollen. Und vielleicht nicht sofort gleich drei Kinder kriegen sollen. Er war eindeutig zu jung.“
„Na, du schon auch! Ich hoffe, deine Kinder sind nicht in Hörweite?“
„Keine Sorge, Alex ist auf so einem Kommunikationstrainingskurs von der Schule, Vicky bei einer Freundin und Maggie im Reitclub, wie immer. Wenn sie schon kein Pony hat, will sie doch wenigstens anderer Leute Ponys die Hufe auskratzen. Dabei sollte sie dringend mal was für die Schule tun! Ich sag dir, dieses G 8!“
„Mir musst du nichts erzählen, ich bin auch davon betroffen. Wo hapert es denn bei ihr?“
„Zweite Fremdsprache. Sie hat jetzt schon einen Fünfer in Spanisch, dabei dachten wir schon, das ist leichter als Französisch. Und in Englisch eine vier minus. Haut einen nicht um, was? Mit der Sprachenfolge kann sie auch nicht auf die Realschule, sagt sie.“
„Quatsch, klar kann sie, sie will bloß deine Drohungen aushebeln. Erste Fremdsprache Englisch reicht doch; ich würde sie, wenn überhaupt, eh nicht auf einen sprachlichen Zweig schicken, wenn sie sich da so anstellt. Wie ist sie in Naturwissenschaften?“
„Sie hat ja bis jetzt bloß Mathe und dieses Natur und Technik, und da scheint es zu gehen.“
„Also technischer Zweig. Sag ihr, auf dem Gymnasium sein zu wollen, reicht nicht aus, wollen kann man viel. Entweder packt sie´s oder sie geht. Da muss man hart sein. Zwei solide Vierer oder es rappelt in der Kiste! Ich hab eine Siebte, und nach ein paar Generalanschissen sind die ganz eifrig geworden. Außerdem kann sie nach dem Realschulabschluss wieder zurück aufs Gymnasium. Wie schaut´s bei Vicky und Alex aus?“
„Da geht´s. Vicky ist ganz ehrgeizig, auch wenn hier der permanente Zickenalarm herrscht, und Alex hat Schiss, dass er ins G 8 zurückfällt, wenn er den Kopf nicht über Wasser halten kann. Also tut er so viel wie nötig. Aber wo zum Teufel steckt der Vater dazu? Geldsorgen hin oder her, er kann sich doch nicht einfach verkrümeln!“
„Meinst du, er wollte mal kurz ausbrechen? Er kann sich´s ja leisten, den Job hat er ziemlich sicher, nachdem er jetzt ewig lange so brav war. Wenn das so ist, kommt er doch bestimmt bald zurück, oder?“
„Ich weiß nicht, was soll ihn denn zurückziehen? Mit den Kindern hat er nicht so viel am Hut, er findet, die stellen zu viele Ansprüche. Na, und so toll ist es in letzter Zeit zwischen uns auch nicht mehr gelaufen. Aber eine andere – das glaube ich eigentlich nicht…“ Sie schniefte.
„Glaubst du nicht, dieser mysteriöse Termin war vielleicht bloß so was? Aber wenn er da so aufgeregt war, dann kann er die doch noch kaum kennen, oder? Wenn da wirklich eine andere Frau ist, heißt das.“
„Stimmt wohl“, antwortete Valli müde. „So lange dürfte diese Begeisterung nicht anhalten. Na, meinetwegen. Wenn die Polizei ihn allerdings nur aus einem fremden Bett holt, wird er mir das nie verzeihen. Aber das ist es bestimmt nicht.“
„Warten wir´s ab“, schlug Luise vor. „Mehr kannst du doch sowieso nicht machen.“
„Bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig. Na gut, ich ruf dich an, wenn ich was Neues höre.“
Als Valli aufgelegt hatte, saß Luise wieder da und starrte vor sich hin. Merkwürdig, monatelang passierte gar nichts, und jetzt verschwand Johannes und sie hatte diese grässliche Mischpoke am Bein.
Vielleicht hatte der lästige Brandstetter aber kapiert, dass sie kein Interesse an einer Erbschaft hatte, dann musste sie bloß noch Max als den letzten Geist aus der Vergangenheit bannen und alles war wieder wie immer. Wenn Johannes wieder auftauchte, hieß das natürlich.
Der Abend war noch jung – sollte sie sich den Film noch einmal in Ruhe anschauen? Wenigstens einen Teil? Zu mehr reichte ihre Konzentration wahrscheinlich ohnehin nicht. Sie überlegte noch, als das Telefon schon wieder klingelte. So gefragt war sie sonst nicht einmal in einem Monat!
Müde nahm sie ab und nuschelte ihren Namen hinein.
„Wie kommst du dazu, diesen Namen zu benutzen, der steht dir doch gar nicht zu!“, zeterte eine hasserfüllte Frauenstimme.
„Häh – wer ist denn da?“
„Das weißt du ganz genau, du habgierige Person!“
„Passen Sie auf, ich weiß nicht, wer Sie sind, aber wenn Sie hier Telefonterror versuchen, zeige ich Sie an. Und jetzt verpissen Sie sich aus der Leitung, Sie blöde Kuh!“
„Was fällt dir ein, wie redest du denn mit mir, du – du -?“
„Wie ich mit allen rede, die mich am Telefon grundlos beschimpfen – ach nein! Angela? Und schwer betrunken, wie ich vermute?“
„Unverschämtheit!“
„Wenn schon.“ Luise wurde ärgerlich. „Pass mal auf, Süße, welchen Namen ich führe, geht dich einen Scheiß an, euer dämliches Geld könnt ihr euch in den Arsch schieben, und ansonsten schlage ich vor, wir belassen es bei der bisherigen Funkstille. Ich finde euch zum Kotzen, ihr findet mich zum Kotzen, also müssen wir ja nicht so etwas Ekelhaftes wie Familienleben vortäuschen, oder?“
„Unglaublich!“
„Wieso, das wolltest du doch hören? Ich will euer Scheißgeld nicht, und alles andere kann dir doch egal sein. Würdest du das den übrigen Pappschädeln auch ausrichten, damit mich nicht alle der Reihe nach am Telefon nerven?“
„Wen meinst du?“
„Diesen Max, diesen dämlichen Notar, diesen Philipp und wahrscheinlich auch deinen Frank.“
„Philipp hat bei dir angerufen??“
„Noch nicht. Kommt aber bestimmt noch. Wahrscheinlich, um mir vorzurechnen, dass der Pflichtteil diese eure Firma in den Ruin treibt. Die Firma gibt´s doch noch, oder?“
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