Elisa Scheer - Verwandte und andere Nervensägen

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Als das Testament ihres Vaters eröffnet wird, trifft Luise allerlei Gespenster aus der Vergangenheit wieder, die ihr in der Folge ausgesprochen lästig fallen. Gleichzeitig verschwindet der Mann ihrer besten Freundin Valerie und wird schließlich tot aufgefunden. Luise bemüht sich, Valerie zu unterstützen und zu trösten und sich gegen die vielfältigen Belästigungen zu wehren und fragt sich allmählich, ob die beiden Probleme zufällig zeitgleich aufgetreten sind oder ob es da vielleicht doch einen Zusammenhang gibt. Nebenbei hat sie noch ihre Arbeit am Mariengymnasium zu erledigen und ihre immer merkwürdiger werdende Freundin Lisa im Zaum zu halten; als der Fall endlich aufgeklärt ist, ist Luise dann auch redlich erschöpft – aber auch frisch verliebt…

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Jede Übereinstimmung, Ähnlichkeit oder Namensgleichheit mit real existierenden Personen, Firmen u. ä. ist reiner Zufall.

Imprint

Verwandte und andere Nervensägen. Kriminalroman

Elisa Scheer

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Copyright: © 2016 Elisa Scheer

ISBN 978-3-7375-6283-6

Montag, 20.11.2006 13:00

„Luise, gehst du mit essen?“

„Nein“, antwortete diese und schichtete weiter Unterlagen auf den Stapel an ihrem Platz, um andere dafür wieder in ihre Tasche zu packen, „ich hab noch zwei Stunden. Siebte und Grundkurs. Und eine Besprechung. Und danach einen Termin. Scheißtag!“

„Und das aus deinem Mund? Sonst kannst du doch gar nicht genug Arbeit haben!“, neckte Irene sie.

„Gegen Arbeit hab ich ja auch nichts. Aber nachher muss ich zum Notar wegen eines Testaments, das mich überhaupt nichts angeht, und sowas ärgert mich. Zeitverschwendung pur!“

„Du Arme“, meinte Irene etwas halbherzig. „Stell dir vor, die Elisa hat jetzt einen Freund, der zehn Jahre älter ist als sie!“

„Respekt. Für eine Sechzehnjährige ist das wirklich ein Statussymbol. Was sagt denn Joy dazu?“

„Die weiß es ja noch gar nicht! Alles bleibt in dieser Familie an mir hängen!“

Kein Wunder, dachte Luise, wenn man sich in alles einmischte und dann so eine komische Mutter-Tochter-Enkelin-WG aufzog. Irene, Joy und Elisa. Ob Elisa griechisch war und zu Deutsch „Eierkuchen“ bedeutete? Passen würde es ja, Friede, Freude… Eierkuchen. Und jetzt hatte Elisa einen erwachsenen Freund, mit dem sie bestimmt auch schlief. Da war Irene über kurz oder lang Uroma - mit knapp fünfzig eine reife Leistung!

„Dann sag´s doch Joy und lass die beiden dann mal alleine“, schlug sie Irene vor. Die strich sich die prachtvolle rote Lockenmähne zurück und seufzte ausdrucksvoll. „Und dann? Die kommen doch nicht miteinander zurecht! Und Joy ist gerade mal vierunddreißig, kaum älter als du - was würdest du sagen, wenn du plötzlich in Gefahr wärst, Oma zu werden?“

Luise musste grinsen. „Ich wäre leicht erstaunt, wo ich doch gar keine Kinder habe. Du bist mit vierunddreißig auch Oma geworden und hast es überlebt. Und jetzt sag nicht wieder, dass das eine andere Generation war!“

„War´s aber doch. Joy wird bestimmt denken, das macht sie alt.“

„Aber du hast trotz deines Omastatus einen Freund, also so what ? Daran soll sie sich eben ein Beispiel nehmen. Sorry, Irene, ich muss los, die Kleinen zerlegen sonst das Zimmer, weil der Richling garantiert wieder keine Aufsicht im ersten Stock macht.“

„Kaum, es sei denn telepathisch.“ Irene nickte in die Ecke, wo Richling saß und unter den Referendaren Hof hielt.

Luise knurrte:„Ich verpetze ihn nachher beim Chef, aber nützen wird es nichts, der sagt ihm garantiert wieder nichts.“

„Ach komm, so tragisch ist das doch nicht.“

„Und wenn was passiert, sind wir dran. Er ganz besonders. Wetten, dann zetert er rum, dass er nicht wissen konnte, wie wichtig die Aufsicht ist, weil ihm das keiner gesagt hat. Und selbst denken konnte er es sich ja nicht. Also, ich gehe jetzt lieber runter.“

Im ersten Stock herrschte munteres Treiben, Tobi hatte den armen kleinen Leon im Schwitzkasten, ließ ihn aber sofort los, als die gestrenge Frau Wintrich auftauchte, und versicherte mit arglos braunem Augenaufschlag, sie seien die besten Freunde. Der heftig schnaufende Leon bestätigte das nach einem Rippenstoß. Eine Horde Mädchen, üppig geschminkt, strömte gackernd aus der Toilette, und im Klassenzimmer wurden noch fleißig Hausaufgaben abgeschrieben.

Luise setzte Leon und Tobi erst einmal auseinander (großes Gemaule), verlangte, dass die überbordenden Make up-Taschen und die Brotzeitreste weggeräumt wurden und ließ sie alle aufstehen.

Schließlich kehrte Ruhe ein, sie konnte die binomischen Formeln wiederholen und erst im Plenum, dann in Partner- und Stillarbeit Aufgaben üben. Dafür waren die nachmittäglichen Intensivierungen schließlich da. Eine Viertelstunde vor Schluss stellte sie die Hausaufgabe und erlaubte, dass die Kleinen gleich anfingen, worauf fieberhafte Geschäftigkeit ausbrach – und himmlische Ruhe herrschte. Luise wanderte durch die Reihen, legte einmal hier den Zeigefinger auf einen Rechenfehler, gab dort einmal den Tipp, doch zuerst zwei auszuklammern, erklärte flüsternd noch einmal den Unterschied zwischen der ersten und der zweiten binomischen Formel und stellte beim Läuten fest, dass alle fertig waren. Morgen würde sie noch weiter üben lassen und übermorgen ein nettes kleines Ex schreiben lassen.

Der Grundkurs zeigte weniger Eifer. Sie hatte ihnen eine hübsche Kurvendiskussion mit Flächenberechnung ans Herz gelegt, und gerade drei hatten sich wirklich damit befasst.

„Ich könnte jetzt ein Ex darüber schreiben“, erklärte sie ärgerlich, „und dann würdet ihr wieder jaulen, wie gemein ich bin. Aber was kann ich dafür, dass ihr nichts tut? Anhexen kann ich euch das Wissen nicht!“

„Wir haben doch am Freitag Geschichte geschrieben“, jammerte Annika. „Und morgen ist Französisch!“

Luise verdrehte die Augen. „Und, wer hat hier Französisch?“

Vier meldeten sich.

„Und der Rest? Der war seit Freitag nur noch am Feiern, weil Geschichte überstanden war? Armselig, Leute! Ihr habt seit Semesteranfang alle Termine, jetzt liegt es an euch, vernünftig zu planen. Wir haben euch sogar ein Zeitmanagement-Seminar angeboten, habt ihr da gar nichts gelernt?“

Verlegenes Gemurmel. Luise ließ es gut sein und machte mit den drei Leuten, die die Aufgabe gerechnet hatten, alles zügig durch. Gejammer der anderen, sie kämen nicht mit, wurde mit Selber schuld abgetan. Etwas niedergeschlagen schlichen sie um Viertel vor drei aus dem Klassenzimmer, und Luise hoffte, dass sie die neue Aufgabe nun wirklich bearbeiteten.

Okay, auf zum Chef!

Wenigstens das ging schnell – er wollte nur, dass sie die Ergebnisse zweier Wettbewerbe in Plakatform aushängte und sie außerdem an die Presse weiter gab und bot ihr ein Fortbildungsangebot in den Weihnachtsferien an.

„Ich weiß, es ist eine Zumutung, es beginnt schon am zweiten Weihnachtsfeiertag, die wollen wohl nicht, dass sich jemand anmeldet.“

„Macht mir nichts. Das Thema ist interessant, ich würde da gerne hinfahren. Wo ist das? Ach ja, dieses Jugendheim. Aber wenn´s recht ist, würde ich lieber nicht im Jugendheim wohnen, das ist entsetzlich. Geht das?“

„Natürlich. Wenn Sie in Leisenberg wohnen, ist es ja nicht so weit zu fahren. Und die Workshops fangen erst um halb neun Uhr morgens an.“

„Eben. Gut, dann mach ich das. Übrigens, der Herr Richling – ich will ja nicht petzen, aber - “

„Sehr verräterisch, die Floskel“, grinste Dr. Eisler, der selbst Deutschlehrer war, „ich weiß schon – er ist mal wieder über die Aufsichtspläne erhaben.“

„Wenn Sie ihn vielleicht mal wirklich zur Sau machen könnten? Er ist ja der große Star der Referendare, und wenn die sich dieses Verhalten zum Vorbild nehmen – ich weiß nicht. Ach, noch was: Ich hab mir mal einen Plan ausgedacht, wie man die Belegung des Forums regeln könnte – da gibt´s doch immer wieder Streit.“

Sie zog zwei Formblätter aus ihrer Mappe und reichte sie ihm. Dr. Eisler warf einen flüchtigen Blick darauf und nickte anerkennend. „Sehr gut. Ich schau´s mir an, und wenn möglich, setzen wir das auch um. Das ewige Gezänk ist ja wirklich nicht mehr auszuhalten. Vielleicht haben wir auch zu viele Veranstaltungen, aber wenn wir dem Albertinum und dem Leopoldinum die Leute abjagen wollen, müssen wir uns eben ranhalten.“

„Ich weiß – aber wir haben in diesem Jahr fünf fünfte Klassen, und die anderen haben nur vier. Das ist schon mal nicht schlecht. Außerdem kriegen wir doch jetzt die ganze Mittelstufe des Albertinums dazu, wenn die umbauen, da wird es hier voll genug. Wann kommen die – im Dezember?“

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