„Klar doch!“ Er hatte meinen Geburtstag vergessen, wusste ich´s doch!
Susanne spürte, was ich dachte, und lächelte fein: „Naja, zur Feier des Tages...“
„Was wird denn gefeiert?“ Konnte man so blöde sein? Oder stellte er sich nur so, um mich dann mit etwas ganz Tollem zu überraschen? Irgendwie konnte ich mir das nicht so recht vorstellen, das passte gar nicht zu Tom: Subtil war er eher nicht. Carola wies taktvoll auf meinen Platz am Tisch, wo die beiden Geschenke lagen.
„Scheiße, du hast Geburtstag?“ Er wurde blass.
Ich nickte erwartungsvoll. Jetzt streng dich mal an, dachte ich.
„Wer hat sich das denn ausgedacht?“
Ich zuckte die Achseln. „Ich nehme an, meine Eltern, damals im Pfingsturlaub...“
„Das meine ich nicht! Mich hier so auflaufen zu lassen!“
„Was können wir dafür, dass du es vergessen hast?“ Susanne war ehrlich erstaunt.
„Ist doch logisch! Was soll ich mir denn noch alles merken? Nur Weiber haben sich mit solchen gefühlsduseligen Terminen so furchtbar. Ist das wieder ein Klammertrick? Willst du mir ein schlechtes Gewissen machen?“
„Jetzt langt´s aber!“ Ich war ja ein geduldiges Schaf, aber das ging langsam zu weit. „Was heißt hier Klammern? Ich dachte, wenigstens meinen Geburtstag könntest du dir merken, ich weiß deinen schließlich auch! Oder bin ich bloß Betthäschen und Kochmamsell und aufs Personal muss man emotional nicht eingehen?“
„Sag ich doch, Klammern! Wir hatten es saugemütlich miteinander, aber du willst immer noch mehr, so machst du alles kaputt. Emotional, wenn ich das schon höre! Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns eine Zeitlang weniger oft sehen.“
„Das glaube ich allmählich auch“, entgegnete ich wütend. Susanne und Carola war die Szene peinlich, das merkte man, aber sie war schon fast beendet. Tom griff nach seiner Jacke, die er – typisch!! – nicht aufgehängt, sondern aufs Sofa geschleudert hatte, und stürzte aus der Tür. Ich setzte mich hin, weil mir die Knie zitterten – verletzt oder zornig, was war ich eigentlich? – und schenkte mir ein großes Glas Prosecco ein, das ich auf einen Zug leerte.
„So ein Arsch...!“ Carola sprach aus tiefstem Herzen.
„Sei froh, dass er sich selbst entsorgt hat. Dafür hättest du sonst das Giftmobil gebraucht“, tröstete Susanne mich und ich lachte etwas zittrig.
„Das neue Lebensjahr fängt wenigstens mit einem Großreinemachen an. Nicht mal gratuliert hat er mir! Hat vielleicht auch sein Gutes“, fand ich und wollte mir nachschenken. Susanne legte mir mahnend die Hand aufs Glas.
„Iss erst einmal was, sonst bist du im Handumdrehen besoffen.“
Ich folgte dem Rat, und wir luden uns zunächst die Teller ordentlich voll und plauderten über Belangloses, bis wir aufgegessen hatten. Als der gröbste Hunger gestillt war, schenkte ich uns nach – Carola hatte freilich Apfelschorle bestellt, aber das waren wir bei ihr schon gewöhnt – und wir schimpften genussreich auf Tom, den emotional verkümmerten Vielfraß und Pascha.
„Männer sind ja solche Schweine...“, seufzte Carola. Ich sprang sofort auf und zerrte das Ärzte-Sweatshirt aus der Schmutzwäsche.
„Guck, ist dir das aus der Seele gesprochen, ja?“
Sie lachte kläglich. „Weiß Gott!“
„Sag mal, du hast doch ohnehin was, oder? Du hast schon beim Hereinkommen so eigenartig geschaut...“, bohrte ich vorsichtig. Sie seufzte dramatisch. „Kannst du laut sagen – ich bin schwanger!“
Das schlug nun wirklich wie eine Bombe ein, und Susanne und ich schauten sie erst einmal nur stumm an. Ich wusste nicht recht – waren nun Beileidsbekundungen oder Glückwünsche am Platz?
Carola lächelte zaghaft. Das gab mir den Mut, etwas zu sagen. „Freust du dich darüber?“
Sie brach in Tränen aus. Offensichtlich war das die falsche Frage gewesen.
„Ja, schon...“, schluchzte sie, „aber Roman -“
„Was ist mit ihm?“ Susanne versuchte auch, ganz behutsam zu fragen.
„Er will es nicht. Er hat keine Lust, sich jetzt schon festnageln zu lassen. Er meint, das Problem wäre doch schnell gelöst, ich müsste mir nur den Beratungsschein holen...“
Roman war doch sonst nicht so? „Warum ist er so dagegen? Mit achtundzwanzig ist er doch alt genug?“
„Ich hätte ihn reingelegt, behauptet er – als hätte ich das absichtlich gemacht! So scharf war ich auf ein Kind schließlich auch nicht!“ Sie schluchzte nicht mehr, sondern redete sich in Empörung hinein.
„Wie ist euch denn das passiert?“
Ein mitleidiger Blick, von beiden.
„Nein, ich weiß schon, wie das geht, schaut nicht so blöd!“, verteidigte ich mich. „Ich meine doch nur, was ist schief gegangen?“
„Das Kondom ist geplatzt“, erklärte Carola.
„Ach, und wieso ist das deine Schuld?“ Susanne war entrüstet.
„Ich hab das Sonderangebot gekauft...“
O Gott – welche Marke war das? Ich hatte da auch ein Sonderangebot gefunden. Tom würde mir doch nicht jetzt noch ein Andenken angedreht haben? Carola wusste nur noch, dass rosa Herzen auf der Packung gewesen waren. Ich war erleichtert, meine waren schwarz verpackt gewesen, hoffentlich ein anderer Hersteller! Außerdem war keins geplatzt.
„Meinst du, du schaffst es auch alleine?“ Susanne wollte sofort zum praktischen Teil kommen.
„Ja, wie denn? Ich kann mit einem Säugling doch nicht voll arbeiten!“
„Das müsste sich doch organisieren lassen?“
„Also Roman zahlt nichts, hat er gesagt. Die halbe Abtreibung hat er mir angeboten, auf mehr soll ich mir keine Hoffnung machen.“
„Der Trottel, das Jugendamt wird ihn schon zwingen, du wirst sehen!“
„Er sagt, er verschwindet oder macht sich so arm, dass bei ihm nichts zu holen ist – und wenn ich partout von der Sozialhilfe leben will... Das tue ich mir nicht an. Ich glaube, ich schieße ihn in den Wind und gebe an Vater unbekannt !“
„Jetzt müssen wir nur noch regeln, wie du das alleine hinkriegst...“ Susanne war immer aktiv, wenn es um das Lösen von Problemen ging. „Wann hast du Termin?“
„Elfter Oktober, sagt meine Ärztin.“
„Hast du Rücklagen?“
„Ja, für ein halbes Jahr dürfte es schon reichen. Und dann?“
„Dann sehen wir weiter. Stellt dein Arbeitgeber dich für ein halbes Jahr frei?“
„Muss er ja wohl. Aber wo lasse ich das Kind nach dem halben Jahr? Für den Kindergarten ist es dann immer noch zu jung und Krippenplätze gibt´s doch keine!“
„Wir bräuchten eine andere Frau in einer ähnlichen Situation, dann könntet ihr euch zusammentun“, schlug ich vor, um auch einmal etwas Konstruktives beizusteuern.
„Woher nehmen? Soll ich vielleicht eine Anzeige aufgeben?“, schnappte Carola prompt.
„Im Notfall, aber wir können uns doch erst einmal umhören. Gerade an der Uni ist immer wieder eine schwanger, und oft wissen sie nicht, wie sie das regeln sollen.“
Carola hatte sich schon wieder beruhigt. „Ich weiß, wer einen riesigen Bekanntenkreis hat und immer gerne Hilfe vermittelt - Andrea Falkenstein…“
„Die, von der du immer erzählst?“, fragte ich neugierig.
Carola nickte. „Sie hat doch meine kleine Schwester, Susi, schon fast durchs Abitur gebracht, ihr wirklich alles eingetrichtert. Susi ist echt etwas doof, aber sie hat sogar einen Zweier in Mathe geschrieben!“
„Was hat das mit deinem Nachwuchs zu tun? So bald brauchst du doch keine Nachhilfe für ihn oder sie?“ Susanne schätzte es nicht, wenn man vom Thema abkam.
„Deshalb doch nicht, ich wollte nur erklären, woher ich sie kenne. Sie und ihr Mann kennen haufenweise Leute, und viele haben Kinder oder wollen welche – und wenn sie wissen, wie sie einem helfen können, dann tun sie´s auch. Wenn ich sie mal treffe, frag ich sie. Manchmal sind sie im San Carlo , wenn jemand auf die Kinder aufpasst.“
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