Elisa Scheer - Gute Vorsätze – böse Streiche

„Kinder hat die auch schon? Wie alt ist sie denn?“ Ich wusste ja nicht viel über dieses Fabelwesen, aber sie war mir unbekannterweise herzlich unsympathisch. Klang nach totaler Streberin!

„So alt wie du, glaube ich. Die Kinder kamen, als Susi gerade in die Kollegstufe kam, gleich Zwillinge.“

„Studiert sie noch?“

„Nö, Examen, Promotion, alles fertig. Jetzt ist sie im Referendariat, wo, hab ich vergessen.“

„Miese Streberin!“, murmelte ich. „Solche Leute zeigen einem nur, was man alles hätte schaffen können, wenn man sich richtig bemüht hätte. Das Gefühl hasse ich!“

„Versteh ich“, meinte Carola, „aber die Falkensteins sind echt gut drauf, keine Spießer oder so. Jedenfalls ist das auch eine Option, meine ich doch nur – eure Hilfe ist mir natürlich viel wichtiger.“

So ist es brav, Carola, dachte ich. Wir sind deine besten Freundinnen! „Also Babyjäckchen satt kriegst du auf jeden Fall von mir“, versprach ich deshalb sofort.

„Dann ist das dringendste Problem ja schon mal vom Tisch“, kommentierte Susanne mein Angebot.

„Und über das Wohnen und Arbeiten denken wir intensiv nach, ja?“

Carola nickte eifrig. „Ich fühle mich direkt schon etwas getröstet. Und jetzt pack mal deine Geschenke aus – du musst ja dein Leben auch wieder in den Griff kriegen, nicht?“

Ich griff zuerst nach Susannes Päckchen. Ein Buch, wie ich von außen schon vermutet hatte. Vermögensanlage – vernünftig und lukrativ : sehr nützlich! Ich küsste Susanne dankbar und gelobte, hinfort steinreich zu werden. Vielleicht fiel auch für Carola etwas ab, überlegte ich im Stillen. Dann kam Carolas Päckchen dran. Auch ein Buch, auch ein nützlicher Ratgeber: Mehr schaffen in weniger Zeit : Das klang ja viel versprechend! Auch hier bedankte ich mich überschwänglich.

„Du wirst deine Zeit brauchen“, griff Susanne das gleich auf. „Ab 15. April hast du zwei Nachmittage in der Woche einen Job bei Winkler&Partner – mit Option auf fünf Nachmittage, wenn du willst. Wir brauchen dringend Verstärkung, in unserer Abteilung haben wir zurzeit nur eine Schreibkraft, und die muss noch für den ganzen Laden Personal und Buchhaltung machen. Zwanzig Mark die Stunde – netto zwanzig Mark, wir zahlen gut. Etwa fünf Stunden pro Nachmittag, das ist bei uns nicht so fest geregelt. Willst du den Job?“

„Natürlich!“ Ich drückte alle beide ganz fest. Das wäre ja jedes Mal ein Hunderter – nicht schlecht!

„Und passt das auch in deinen Stundenplan?“

Ich lachte. „Mein Stundenplan? Im Sommersemester? Montags zwei Seminare und eine Vorlesung, mittwochs ein Seminar und eine Vorlesung. Magister schreiben kann ich flexibel, das kriege ich alles hin, wetten!“

„Dann ist es ja gut. Und was ist mit Tom?“

„Ach, der kommt bald wieder angekrochen, wetten? Er wird schon einsehen, dass unsere Beziehung sich ändern muss.“

„Warum sollte er? Er hatte es doch vorher viel bequemer – und das hat er ja offensichtlich in erster Linie gesucht“, stellte Susanne nüchtern fest.

„Du bist gemein“, murmelte Carola und sah mich mitleidig an.

„Lass gut sein“, beschwichtigte ich sie, „Susanne hat vielleicht ganz recht. Warten wir´s ab. Wisst ihr was? Ich glaube, ich will ihn gar nicht mehr zurück. Da finde ich doch allemal was Besseres – und überhaupt, wer braucht schon Männer!“ Darauf tranken wir noch ein, zwei Gläser. Susanne und ich hatten allmählich einen sitzen, wir hatten ja auch während der Debatten fleißig gepichelt. Nur Carola trank gesund, sie dachte wohl schon an das Baby...

„Wie soll es denn heißen?“, fragte ich und schenkte schon wieder nach.

„Weiß noch nicht. Ich glaube, es wird ein Mädchen. Habt ihr Vorschläge?“

„Susanne“, schlug ich vor.

„Marianne“, revanchierte Susanne sich.

Carola schaute zweifelnd drein. „Ich will euch ja nicht kränken...“

„Lass mal, das war bloß ein Witz. Da fällt uns schon noch was ein, bis zum elften Oktober... Rebecca ist schön...“, schlug ich nachdenklich vor.

„Rebecca gefällt mir auch“, stimmte Susanne zu.

„Mir nicht.“ Carola war widerborstig.

Wir wechselten also das Thema und schimpften noch genussreich auf Roman, Rico und Tom, wobei Rico nicht ganz so schlecht wegkam – bei ihm war es laut Susanne nur gut, dass er fast nie da war und auch von ihr nicht verlangen konnte, zu ihm zu ziehen. Was sollte sie bei einem Bewässerungsprojekt in Saudiarabien?

Gegen Mitternacht erklärte Carola sich bereit, die ziemlich angeheiterte Susanne nach Hause zu fahren. Susanne nahm das gerne an, und ich raffte mich, sobald sie nach vielen Küsschen gegangen waren, sogar noch auf, lüftete, räumte die Reste in den Kühlschrank und spülte ab – ganz brav. Und von meinen Salaten hatte ich wegen der ganzen Aufregung gar nicht viel gegessen, vielleicht war ich morgen schon wieder etwas leichter? Nein, ich wollte mich nur sonntags wiegen, nahm ich mir vor.

Als ich endlich im Bett lag, konnte ich aber lange nicht einschlafen. War jetzt mit Tom Schluss? Hatte er Schluss gemacht? Oder ich? Wollte ich ihn zurück? Eigentlich war er doch in Ordnung... Nein, eigentlich nervte er mich fürchterlich, unsensibler Klotz, der er war! Ob er sich in den nächsten Tagen melden würde, um sich zu entschuldigen, um zu sagen, dass er erkannt hatte, wie sehr ich recht gehabt hatte? Wie sollte ich dann reagieren? Pokern oder nachgeben? Schließlich nickte ich doch ein, ohne irgendeine der Fragen beantwortet zu haben.

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