1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Im letzten Moment riss ich die Toasts aus dem Ofen, der Käse war schon eher braun als goldgelb, und trug das Essen auf. Anke schnupperte anerkennend.
„Das solltest du auch in der Kneipe servieren, finde ich. Bloß: Rudis Rastplatz – also nee, das kann nicht so bleiben. Das muss er unbedingt ändern.“ Sie füllte sich den Teller und schmatzte genüsslich. „Du isst wie ein Ferkel“, tadelte ich.
„Bloß hier. Ich will dir doch zeigen, dass es mir schmeckt!“
„Ich dachte, du wärst der Sprache mächtig?“
„ Warum rülpset und pforzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmecket ?“
„Woher hast du das denn?“
„Martin Luther!“, antwortete sie triumphierend.
„Ach – und wenn der das darf, darfst du es auch?“
„Klar“, meinte sie vergnügt und biss krachend in ihren Toast.
„ Quod licet Iovi, non licet bovi “, zitierte ich dagegen.
Anke kicherte. „Du kannst ja tatsächlich noch ein bisschen Latein! Ich bin beeindruckt!“
„Heißen Dank! Übrigens sagen die Benimmregeln zu Luthers Zeiten auch, dass man sich möglichst nicht ins Tischtuch schneuzen soll. Willst du das auch imitieren?“ Sie sah mich todernst an. „Wir haben kein Tischtuch.“
„Tolles Argument! Noch Suppe?“
„Her damit! Ach, nächste Woche bin ich wieder dran, dann gibt es wieder Fraß. Wir könnten doch deine Miete ein bisschen reduzieren und dann kochst du immer? Ich spüle auch hinterher ab.“
„Gerne, nur bin ich vier Tage in der Woche zum Abendessen gar nicht da. Wir müssten also mittags warm essen. Wenn dir das nichts ausmacht?“
„Kein Problem, wir vergleichen nachher unsere Stundenpläne. Wie ich dich kenne, hast du ohnehin freudig alles Mögliche rausgestrichen, um irgendwelchen Suffköpfen Bier zu bringen.“
„So faul bin ich wieder auch nicht, ich habe vorhin schon fast eine Stunde gelernt“, prahlte ich.
„Braves Mädchen! Dann gehst du morgen tatsächlich in die Uni und sitzt dort nicht nur bräsig in der letzten Reihe?“
„Ich bin voller guter Vorsätze“, bekannte ich, „aber wie lange ich das durchhalte, weiß ich natürlich auch nicht.“
Anke grinste. „Gute Vorsätze, das kenne ich. Völlig sinnlos, typischer Neujahrsblues. Vergiss das sofort, es reicht doch erst mal, wenn du morgen alles schaffst, was du machen wolltest. Wenn das klappt, fühlst du dich gut, dann nimmst du umso leichter den Samstag in Angriff, und so weiter. Lebe von Tag zu Tag. Dieser ganze Schwachsinn, von wegen Ab morgen wird alles anders , der klappt doch ohnehin nie. Isst du den letzten Käsetoast noch?“
Ich schob ihn ihr rüber. „Wie machst du das eigentlich? Du frisst wie eine neunköpfige Raupe und bist total dünn. Wenn ich so futtern würde, bliebe ich mit den Hüften in jeder Tür stecken.“
„Was für ein Unsinn“, schnaubte Anke, noch mit dem letzten Bissen im Mund. Ich wischte mir die Krümel vom Sweatshirt. „Wieso Unsinn? Ich neige eben zum Dickwerden. Manche sind so, und du eben nicht. Sei doch froh!“
„Bin ich auch. Aber du bist kein bisschen dick. Wir passen doch in dieselbe Jeansgröße!“
„Ja, aber du bist zehn Zentimeter größer als ich! Darf ich dich daran erinnern, dass du meine Jeans immer in die Stiefel stecken musst, damit man das Hochwasser nicht sieht?“
„Jetzt tu nicht so, als seist du ein kleiner Pummel! Ich nehme nur nicht zu, weil ich so viel herumsause. Glaubst du, wenn ich dauernd mit einem Krimi auf dem Bett läge, würde ich noch in deine Jeans passen? Apropos – kann ich mir die roten Cordjeans morgen ausleihen? Sie müssten zu dem grauen Mohairpulli toll aussehen.“
„Stimmt, aber du bürstest nachher die Mohairfusseln wieder ab! Sie liegen in meinem Schrank. Ich werde wohl eher etwas Putztaugliches für morgen aussuchen. Und beim Servieren hab ich ja hoffentlich sowieso so eine lange Schürze an, wie in einem schicken Bistro.“
„Und echt bequeme Schuhe, ich hab schon mal gekellnert, da fallen dir irgendwann die Füße ab. Richtige Latschen, und für den Notfall Heftpflaster und ein Paar Ersatzsocken. Das tut gut, wenn die Füße total brennen, frische kühle Socken. Am besten wären ja diese Gesundheitssandalen.“
„Um Gottes Willen! In denen möchte ich nicht mal tot aufgefunden werden!
Ich nehme die alten ausgelatschten Turnschuhe, in denen hatte ich noch nie wehe Füße.“
Wir unterhielten uns noch ein bisschen über die Möglichkeiten, die mein neuer Job bieten konnte, dann verzog Anke sich wieder an ihren Rechner, um weiter Tippfehler zu jagen, und ich räumte die Küche auf. Danach hatte ich die Wahl: noch eine Aufgabe für den Stilübungskurs oder eine alte Folge von Kommissar Rex . Natürlich landete ich vor dem Fernseher, und das fand ich sehr beruhigend – also war ich doch noch nicht so tugendhaft, dass man eine Gehirnwäsche befürchten musste!
Zwar war am Freitag wie immer die Versuchung groß, doch einfach im Bett zu bleiben, aber ich dachte an Ankes Worte und nahm mir vor, mich wenigstens heute zu ermannen – oder zu erfrauen? Also erhob ich mich ächzend und legte mir schon einmal meine Kleidung zurecht, während Anke noch unter der Dusche herumplätscherte. Nach den bequemen Turnschuhen, deren Lob ich gestern so laut gesungen hatte, musste ich erst einmal länger suchen, schließlich fand ich sie auf dem Boden des Kleiderschranks, von einem Haufen Schmutzwäsche bedeckt. Da war ja mein schönes rosa Sweatshirt! Und die hellgrauen Jeans, die ich schon fast vergessen hatte! Ich zog alles heraus und warf es auf einen Haufen vor dem Bett – morgen müsste das alles mal in die Waschmaschine. Kein Wunder, dass ich so wenig anzuziehen hatte, wenn ich die schönsten Sachen wochenlang zu waschen vergaß!
Schließlich huschte eine muntere Anke mit feuchtem Haar an meiner Tür vorbei und ich konnte ins Bad. Nach einer Dusche und einer Haarwäsche – auch das schien mir ziemlich nötig – wachte ich auch langsam auf, jedenfalls so weit, dass ich mich ordentlich anziehen konnte, ohne verschiedenfarbige Socken zu erwischen oder verkehrt herum ins Sweatshirt zu schlüpfen. Meine schulterlangen mausbraunen Haare kämmte ich einfach aus, fischte mechanisch die losen Haare heraus und warf sie aus dem Fenster und klippte sie schließlich mit einer Spange zusammen. Ein bisschen getönte Tagescreme verdeckte meine zwei Pickel am Kinn und ließ mich nicht ganz so käsig wirken, etwas brauner Lidschatten betonte das Türkis meiner Augen. Ach, schokoladenbraune Augen zu haben! Nun, dieser Seufzer war jetzt auch nicht mehr sehr hilfreich. Zumindest sah ich ordentlich und kompetent aus – und das reichte ja wohl!
Das Frühstück machte bei uns immer Anke, wahrscheinlich gab ihr das das Gefühl, wenigstens eine Mahlzeit im Griff zu haben. Ich verspeiste zwei Scheiben trockenen Toast und trank Tee dazu, während Anke Schinken und Käse gleichzeitig auf ihr Brot häufte. Egal, was sie sagte, ich war eben doch dicker als sie, auf meinen Hüften saßen hübsch verteilt auf jeder Seite mindestens vier Kilo zuviel und weitere zwei auf jeder Hinterbacke, während der Rest eigentlich akzeptabel war – von Körbchengröße AA mal abgesehen. Ein Brett mit zwei Mückenstichen , hatten die gehässigen Vollweiber in der Schule immer gesagt, wenn sie nach dem Sport meiner mageren Reize ansichtig wurden. Wahrscheinlich baumelten denen die Möpse mittlerweile in Taillenhöhe, dachte ich mindestens ebenso gehässig zurück. Aber wenigstens Größe B hätte ich ja doch gerne gehabt!
Gemeinsam räumten wir den Tisch flüchtig ab, das Spülen blieb Anke, wenn sie am Nachmittag nach Hause kam. Sie schwor, dass sie heute auch ohne warmes Essen auskäme. Als ich schon um halb neun die Uni betrat – und eindeutig in nicht komatösem Zustand – war ich sehr stolz auf mich. Ich meldete mich sogar einmal in der Caesarübung und kam tatsächlich dran – und die Übersetzung stimmte obendrein! Naja, ungefähr wenigstens. Allerdings sah mich der Kursleiter hinterher stirnrunzelnd an. „Frau – Limmer, nicht?“ Er blätterte in seinen Unterlagen herum. „Ich müsste Sie nach der Sitzung kurz sprechen.“
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