1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 „Wir könnten natürlich auch stärkere Birnen einschrauben, aber Fensterputzen ist billiger. Hast du zufällig einen Putzeimer? Ich würde gerne die Gardinen bleichen. Bis wir aufmachen, hängen sie schon wieder, versprochen!“
„Tolle Idee!“ Er rannte in die Toiletten und holte einen Eimer und einen Holzstock zum Umrühren.
Ich rückte währenddessen die halbtoten Blattpflanzen beiseite – die brauchten auch einmal ein Tauchbad, obwohl, sie waren total hässlich, es war einfach zu dunkel hier. Dann hob ich die Vitragestangen an und ließ die Gardinchen heruntergleiten, die vor lauter Dreck und Nikotin schon ganz steif waren und entsetzlich rochen, sogar für eine Raucherin wie mich. Alle Pflanzen wanderten auf einen der Tische, so konnte ich nachher gleich richtig die Fenster putzen. Rudi verfolgte gebannt, wie ich den Eimer mit möglichst heißem Wasser füllte und einen ordentlichen Schuss Bleiche hineinkippte. Die zusammengeknüllten Gardinchen tauchte ich mit dem Stock unter, in diese Lauge wollte ich nicht fassen, weder mit der bloßen Hand noch mit Gummihandschuhen, die ich im Übrigen auch gar nicht hatte. Ich stocherte ein bisschen in dem Eimer herum und beobachtete, wie die Lauge sich braun färbte.
„Schau mal, Rudi!“
Rudi beugte sich über den Eimer. „Scheiße, wie peinlich! Die hingen zwar schon, als ich den Laden übernommen habe, aber ich hätte sehen müssen, wie siffig die sind.“
„Das sieht man doch jetzt viel deutlicher“, tröstete ich ihn und stellte den Eimer in die Ecke. Mit einer neuen Rolle Küchenkrepp und einer großen Sprühflasche bewaffnet, nahm ich die Fenster in Angriff. Erstaunlich, wie gelbbraun verfärbt das Papier sofort aussah! Hier lohnte sich das Putzen wenigstens wirklich… Ich kicherte leise vor mich hin und putzte weiter; als alle Fenster einen einigermaßen ordentlichen Eindruck machten – von innen und außen – putzte ich auch noch schnell draußen über den Schaukasten. Dann füllte ich das Waschbecken in der Damentoilette und stellte die ersten beiden Pflanzen hinein. Rudi polierte währenddessen die Bar und verschwand immer wieder in der Küche, wo er in diversen Töpfen herumrührte.
Ich goss die braune Brühe in das erste Klo, wobei ich die Gardinen mit dem Stock zurückhielt, und füllte dann in der Küche heißes Wasser und noch etwas Bleiche nach. Dieses Mal wurde die Lauge nur noch blassgelb, eindeutig ein Fortschritt! Ich ließ den Eimer erst einmal stehen, holte mir den Staubsauger aus dem Abstellkämmerchen neben den Toiletten, das Rudi mir gezeigt hatte, und saugte die Staubmäuse in den Ecken auf. Diese Putzfrau hatte anscheinend wirklich nur in der Küche gewirkt! Rudi kam aus der Küche und zeigte mir, wie man die einzelnen Posten in die Kasse eingab und wie man sich die Tischnummern merkte.
„Obwohl das nicht so furchtbar anstrengend ist, weil der Laden noch nie richtig voll war.“
„Kommt alles noch“, behauptete ich zuversichtlicher, als ich mich fühlte. Ich lernte noch, wie man richtig Bier zapfte – am Weißbier scheiterte ich zunächst, das Glas enthielt fast nur Schaum.
„Erst ausspülen und dann das Glas ganz schräg halten“, erklärte Rudi geduldig. Als ich es endlich konnte (schade um das Bier, das keiner von uns jetzt trinken wollte), wässerte ich die nächsten beiden Topfpflanzen und wischte die alten hölzernen Fensterbretter feucht ab. Mir kam es schon so vor, als sei es in der Kneipe deutlich heller geworden.
Als sehr mühsam erwies es sich, die Gardinen auszuspülen, ohne sie anzufassen. Für das giftige Zeug konnte ich die Küchenspülen nicht benutzen, also musste ich das alles im Männerklo machen, denn bei den Damen weichten ja noch die Blumentöpfe ein. Schließlich waren die Gardinen soweit gespült, dass ich mich traute, sie anzufassen und kräftig auszuwringen. Schon kurz vor drei, so viel Zeit hatten wir gar nicht mehr!
Rudi beruhigte mich. „Um Punkt vier machen wir zwar auf, aber da kommt meist noch gar niemand. Wir haben noch genügend Zeit!“
„Ich habe einige Poster dabei“, fing ich an und reichte ihm die Rollen und die Klebestreifen, „und diesen albernen Starschnitt.“
Rudi stieg auf eine der Holzbänke, und nahm den Strohblumenkranz von der Wand, der unter seiner Berührung den größten Teil seiner staubigen Blüten verlor. „Ab in den Müll damit!“
Er hängte den Starschnitt schön gerade an die hintere Wand, wo er richtig gut wirkte. Ich dirigierte ihn mit kritischen Bemerkungen, aber schließlich waren wir beide sehr zufrieden. Die Poster landeten gleichmäßig verteilt an den anderen Wänden. „Was gibt es heute eigentlich zu essen?“
„Das übliche. Und Erbsensuppe mit Würstchen.“
„Als Tagesgericht?“
„Tagesgericht? Keine schlechte Idee, zum Sonderpreis. Immer nur eins, dann ist die Vorbereitung überschaubar...“ Er sinnierte.
„Chili vielleicht, oder Tagliatelle all`Arrabiata, Lasagne, dicke Minestrone – da hab ich ein super Rezept. Nein, Minestrone darf nicht zu lange kochen, sonst wird das Gemüse matschig. Schinkennudeln mit Erdnüssen...“, schlug ich vor.
„Klingt toll, aber jeder zweite hat ja eine Nussallergie. Lieber ohne. Aber der Vorschlag gefällt mir. Ich sollte eine Tafel neben der Bar aufhängen und die Speisekarte darauf schreiben...“
Ich lachte. „Das hab ich mir auch schon überlegt. Ein bisschen wie im Stockinger , nur mit besserem Essen. Und was ist mit Musik?“
„Was für Musik?“
„Also stilecht wäre natürlich eine Musicbox, Wurlitzer und so, aber ich denke, für den Anfang tut es auch ein Radio mit einem flotten Sender. Einfach, damit es hier nicht so still ist.“
Ich fädelte die feuchten Gardinen wieder auf die Stangen und merkte, dass ich die Stangen wohl besser vorher gründlich abgewischt hätte. Egal, bei Gelegenheit sollten die Gardinen mal in die Waschmaschine. Wenigstens waren sie fast weiß geworden! Draußen schien eine schwächliche Sonne, nur leider nicht durch die Fenster, dazu war die Straße zu schmal, aber immerhin fiel das Licht recht ansprechend durch die Gardinen.
Ich setzte die Pflanzen wieder auf ihre hässlichen grünen Plastiktellerchen und arrangierte sie – auf jeder Fensterbank eine. Dann sah ich mich zufrieden um. Nicht übel! „Eine derartige Veränderung hätte ich nicht für möglich gehalten!“, staunte Rudi. „Ich wusste doch, dass du ein Gewinn für den Laden bist!“
„Ja, zum Putzen und Dekorieren – aber vielleicht bin ich ja zu doof zum Servieren!“
„Sehr unwahrscheinlich. Hier, magst du Besteck wickeln?“
Ich wickelte brav Messer und Gabel in Papierservietten, bis der große Becher auf der Bar ganz voll war, dann verteilte ich Aschenbecher und Bierdeckelstapel auf den einzelnen Tischen, saugte die Reste des verstorbenen Blumenkranzes auf und verräumte den Staubsauger. Rudi bestand darauf, mir jetzt die Küche zu zeigen, damit ich wusste, wo alles war. Im Gegenzug gab ich ihm eine Kopie meiner Gesundheitsbescheinigung und meine Lohnsteuerkarte samt einem Zettel mit meiner Bankverbindung. Er legte alles in das kleine Büro hinter der Bar.
Noch eine Viertelstunde... „Ich komme gleich wieder!“, rief er mir zu und verschwand durch die Küche ins Treppenhaus.
Nun gut, ich musste ohnehin noch die Toiletten kontrollieren. Sauber waren sie, aber Klopapier fehlte und die Spiegel waren halb blind. Ich verteilte Klopapier, schaute nach, ob die Hygienebehälter leer waren – wenigstens etwas! – füllte die Seifenspender auf und putzte die Spiegel. Viel nützte es nicht mehr. In der Herrentoilette musste man die Pinkelrinne putzen; in der Abstellkammer fand ich eine entsprechende Flasche und schrubbte eifrig. Gut, so waren die Toiletten zwar nicht schön, aber doch immerhin benutzbar, ohne dass die Gäste schaudern mussten.
Als ich aus dem Klo kam und mich heftig nach einer Handcreme sehnte, stöpselte Rudi gerade einen Ghettoblaster mit CD-Deck ein und legte einen Stapel CDs bereit. Ich sah sie interessiert durch. „Kannst du den Falco auflegen? Den mag ich.“
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