„Wo?“ Brendan starrte sein Raumschiff an, konnte aber keine Bewaffnung erkennen.
„Die Mündungen siehst du einen halben Meter unterhalb der Triebwerksöffnungen. Zusätzlich ist zwischen den zwei unteren Auslegern eine Andockeinrichtung montiert worden. Die könnte zur Befestigung von Raumtorpedos dienen.“
Der Hangar war luftleer, aber dank der künstlichen Schwerkraft würde sich Brendan normal bewegen können. Durch einen schlauchförmigen Gang gelangte er direkt aus der Schleuse des Shuttles ins Innere der Raumwerft.
Dort erwartete ihn eine schlanke junge Frau in Uniform. Sie stellte sich als leitende Ingenieurin Lieutenant Schaller vor. Militärisch korrekt meldete sie, die Raumyacht Jool sei einsatzbereit.
Die Frau war attraktiv. Etwa dreißig Jahre alt, intelligent und selbstbewusst.
Auf Koumerans Gesicht erschien ein strahlendes Lächeln und Brendan wusste, was nun folgen würde. Bis auf weiteres spielte er selbst keine Rolle mehr und war nur Zuschauer.
„Sie haben sich persönlich um unsere Jool gekümmert?“, fragte Koumeran. „Das rechne ich Ihnen hoch an. Wie heißen Sie?“
„Ich sagte es bereits: Lieutenant Schaller.“
Koumeran lachte laut. „Lieutenant ist kein Vorname für eine Frau. Also jetzt mal im Ernst.“
Die Frau machte eine Miene, die besagte, ,Oh, Gott! Nicht schon wieder so einer!‘, doch laut sagte sie nur: „Folgen Sie mir zu Ihrem Schiff.“
Schnell trat Koumeran vor sie und breitete die Arme aus. „Moment, Frau ohne Vornamen!“, sagte er. „Dieses Raumschiff ist sozusagen unser Zuhause. Wenn Sie da Hand angelegt haben, dann gibt uns das doch wohl das Recht, alles über Sie zu wissen.“
„Das Schiff gehört der Raumflotte“, entgegnete Lieutenant Schaller schroff. „Es wurde konfisziert, weil der Besitzer die laufenden Gebühren und Steuern nicht bezahlt hat und wohl auch künftig nicht mehr bezahlen kann.“
Brendan schnappte überrascht nach Luft, sagte dann aber doch nichts.
„Die Raumflotte überlässt es Ihnen beiden, weil Sie einen Auftrag ausführen sollen“, ergänzte Schaller.
„Und man hat Ihnen nicht gesagt, dass Sie die Jool mit besonderer Hingabe auf den Einsatz vorbereiten sollen?“ Koumeran klang, als wäre das die schlimmste Enttäuschung seines Lebens. Er schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte: „Bürokratie! Wo bleibt denn da das Menschliche?“
Brendan schämte sich für ihn. Aber dann sah er, dass die Ingenieurin für einen kurzen Augenblick lächelte. Als sie wieder ihr dienstliches Gesicht zeigte, war es nicht mehr so neutral wie bisher.
„Sie werden sich nicht zu beklagen haben“, sagte sie. „Erlauben Sie mir jetzt bitte, Sie zum Schiff zu führen?“
Koumeran gab mit einer eleganten Bewegung den Weg frei. Aber er ging neben der Frau her, statt hinter ihr zu bleiben.
„Wie kommt denn eine junge Schönheit wie Sie zur Raumflotte?“, fragte er. „Noch dazu in diese schmutzige, riesige Orbitalwerft?“
„Es ist ein interessanter Arbeitsplatz und man trifft bemerkenswerte, intelligente Männer“, sagte Lieutenant Schaller. Nach einem abschätzigen Blick auf Koumeran fügte sie hinzu: „Manchmal.“
„Erzählen Sie mehr davon“, forderte Koumeran sie auf. „Ich bin immer bereit, an mir zu arbeiten. Was zeichnet einen bemerkenswerten Mann in Ihren Augen aus?“
Brendan war das alles peinlich, aber kannte seinen Freund zu gut, um sich einzumischen.
Lieutenant Schaller musste nun doch lachen. „Ich werde Ihnen eine Liste zusammenstellen“, versprach sie. „Aber jetzt müssen wir uns beeilen. Der Start Ihres Schiffes ist noch für heute vorgesehen.“
Während sie weitergingen, zählte sie die Umbauten an der Jool auf. Außer den Triebwerken und der Bewaffnung hatte man auch die Ortungsanlage und das Funkgerät auf militärische Standards aufgerüstet.
„Werden an der Andockeinheit Torpedos installiert?“
Brendan überlegte, ob er sich weigern könnte, mit so gefährlichen Waffen an Bord loszufliegen. Einmal ganz davon abgesehen, dass er es nie über sich bringen würde, sie einzusetzen.
Lieutenant Schalter sah einen Moment irritiert aus, bevor sie sagte: „Nein. Dort wird ein besonderes Beiboot für den geplanten Einsatz befestigt. Es besteht aus einem neuen, widerstandsfähigen Kunststoff, der sich jedoch binnen Minuten selbst zerstören kann. Die gesamte Elektronik und die Triebwerkseinheit sind absichtlich besonders schwach ausgelegt. Die Hitze der Selbstzerstörung wird sie bis zur Unkenntlichkeit zerschmelzen.“
„Welchen Sinn hat das?“
„Nachdem Sie auf dem Zielplaneten gelandet sind, leiten Sie die Selbstzerstörung des Beibootes ein. Es zerschmilzt zu einem großen Klumpen Kunststoff, dem niemand mehr seine Funktion ansehen kann. Dabei verläuft der Vorgang ohne Flammen oder Rauch. Aus einiger Entfernung wird nicht mehr zu sehen sein, als das Wabern aufsteigender Hitze.“
„Wieso sollten wir das Beiboot zerstören? Wir müssen doch zurück zur Jool fliegen können.“
„Eine Rückkehr zu Ihrem Schiff ist erst nach erfolgreichem Abschluss Ihrer Mission vorgesehen. Man hat Ihnen bereits die Geräte implantiert, mit denen Sie Kontakt mit ihm aufnehmen können. Da die Jool auf Planeten landen kann, wird sie Sie abholen. Sie bekommen dieses besondere Beiboot nur, weil zunächst niemand auf dem Zielplaneten einen Hinweis darauf haben darf, dass neugierige Besucher gelandet sind.“
„Sie meinen, ein großer Klumpen zerschmolzenen Kunststoffs sei kein Hinweis?“
„Richtig. Außerdem liegt ihr Zielgebiet in einer kaum besiedelten Gegend. Über Details bin ich leider nicht informiert.“
Durch einen weiteren Schleusentunnel gelangten sie an Bord der Jool .
Brendan folgte Lieutenant Schaller durch die Räume der drei Decks - Zentrale, Kabinen, Versorgungstrakt - und sah sich nach Veränderungen um. Doch hier schienen die Militärs alles so belassen zu haben, wie sie es vorgefunden hatten.
Brendans Kabine war mit zwanzig Quadratmeter Fläche etwas größer als die von Koumeran und vollgestellt mit Regalen, in denen gedruckte Bücher standen. Natürlich steckten die Bände einzeln in Halterungen. Falls einmal die künstliche Schwerkraft an Bord ausfiel, sollten ja nicht alle Gegenstände durch die Kabine fliegen. An den Wänden waren Bilder befestigt, und zwar echte von alten und modernen Künstlern. Eine Zeichnung stammte sogar noch von der Erde und war viele Jahrhunderte alt.
Neben dem Bett standen ein Schreibtisch und ein bequemer Lesesessel, der mit einer eigenen akustischen Anlage versehen war. Es war die Kabine eines Menschen, der sich gerne mit Kultur und Wissen beschäftigte. Meine Höhle, nannte Brendan sie manchmal Koumeran gegenüber.
Die Ingenieurin warf Brendan seltsame Blicke zu, während er seine Besitztümer auf Vollständigkeit kontrollierte. „Ich habe angenommen, diese Kabine würde einem älteren Mann gehören“, sagte sie.
Brendan spürte, wie er errötete. Er suchte nach einer passenden Entgegnung, doch Koumeran kam ihm mit einer flapsigen Bemerkung zuvor.
„Haben Sie etwas übrig für erfahrene Männer in einem gewissen Alter, Lieutenant ohne Vornamen? Dann sollten Sie sich meine Kabine genau ansehen.“
Schaller reagierte mit Humor, indem sie sich an die Stirn tippte, bevor sie in den nächsten Raum ging.
Koumerans Kabine enthielt eine Vielzahl von Fitnessgeräten. Außerdem jede Menge technischer Spielereien und eine Waffensammlung. Von einem alten Säbel bis zu Plasmawaffen neuester Bauart war alles vorhanden. Selbstverständlich lagen für alle modernen Waffen Berechtigungsscheine vor. Dafür hatte schon Brendans Vater einst gesorgt. Für Koumeran selbst blieb in seiner Kabine kaum mehr Platz, als das Bett beanspruchte.
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