Genau das tat ich auch. Und wieder versprach es ein makelloser Tag zu werden, heiß, sonnig und mit einer funkelnden Wasserfläche. Noch aber war es dämmerig und ich schoss sofort an den Laptop und hämmerte fast drei Stunden lang auf ihn ein, bis ich den ganzen zweiten Feiertag getippt hatte. Damit waren es schon etwas mehr als zwanzig Seiten – am ersten Arbeitstag musste der Fall geklärt werden!
Aber zuerst lockte der See, der in der Morgensonne glitzerte. Ich schlüpfte in den immer noch leicht feuchten Bikini (äh!) und stieg entschlossen die Leiter hinunter. Kalt, herrlich kalt!
Über eine Stunde schwamm ich vor der Hütte auf und ab und freute mich darüber, dass dieses Ende des Sees so einsam war – hier wurde man wenigstens nicht von außer Kontrolle geratenen Surfboards überfahren.
Schließlich taumelte ich die Leiter wieder hinauf und ließ mich auf mein Handtuch sinken. Mit nassen Fingern zündete ich mir eine Zigarette an, rauchte gierig und blinzelte auf die Lichtreflexe auf dem Wasser. Keine Wellen, der See war glatt wie Seide, fast träge.
Ich hatte mich seit Jahren nicht mehr so lebendig gefühlt, regelrecht lebensgierig. Ächzend streckte ich mich, bis ich jeden vernachlässigten Muskel zu spüren glaubte. Diese Mischung war so herrlich, ein bisschen Hirn (für die halbseidene Mordgeschichte) und ein bisschen Körper, der durch das kühle Seewasser pflügte.
Und mir fehlte nur noch die Auflösung! Später... Jetzt wollte ich mich erst einmal ausstrecken und hier liegen bleiben, bis ich trocken war.
Mit knapper Not schaffte ich es, nicht einzudösen (das hätte mir bei der Hitze sicher einen Sonnenstich eingebracht) und rappelte mich schließlich auf, um im Schatten weiter mein Hirn anzustrengen.
Also, erster Arbeitstag nach Weihnachten. In Massimos Studio. Ein Kompressor auf dem Parkplatz! Eine der Näherinnen weist arglos darauf hin, dass der Wagen Florian Menzel gehört, der hier oft als Fotograf eingesetzt wird und auch für die Pressekontakte zuständig ist (diesem Aspekt würde ich etwas vage halten). Die Näherin gibt noch zu, dass sie diesen Florian unsympathisch findet, „irgendwie finster“. Warum, kann sie nicht sagen, sie kichert nur albern. Massimo, nach Florian gefragt, wird regelrecht gesprächig. Kunststück, er erkennt sofort, dass sich hier eine Chance ergibt, die ganze Sache einem anderen in die Schuhe zu schieben.
Also erzählt er, Florian sei in Sabrina verliebt und durchaus eifersüchtig gewesen. Sándor ist überzeugt, Gärtner schüttelt nachsichtig den Kopf: „Du musst noch viel lernen! Das war doch viel zu plump. Der will wohl bloß seine Ruhe haben und dass wir verschwinden.“
Ja, gut. Sándor fühlt sich schon wieder bemüßigt, Leonore aufzusuchen, ob sie über diesen Florian was weiß. Leonore arbeitet aber. Kurzes Treffen im Café gegenüber; Sándor sehr angetan. Sie auch? Vorsichtiges Interesse... Von diesem Florian weiß sie nichts. Gärtner hat sich Florian derweil höchstpersönlich vorgenommen. Ja, er kannte Sabrina, natürlich. Ja, er hatte auch mal was mit ihr, sie war gut im Bett. Nein, er war natürlich nicht eifersüchtig, er konnte jede Menge andere haben...
Naja, so schön ist er wieder nicht, etwas klein, etwas dicklich, etwas zu semmelblond. Aber vielleicht hat er die Aura der Macht – kann Mädels in die Presse bringen oder auch nicht...
Er schnieft ein bisschen. Gärtner erst mitleidig (Heuschnupfen? Erkältung), dann fällt der Groschen – Koks.
Aha. Die Models mauern zuerst, aber dann gibt eine zu, dass man im Notfall von Florian was kriegen konnte... Dafür interessiert sich das Drogendezernat.
Wusste Sabrina davon? Hat sie Florian erpresst? Sándor wird losgeschickt, Wohnungen und Bankverbindungen zu checken. Tatsächlich hat Sabrina erstaunliche Summen auf einem bescheuerten Sparbuch. Und ähnliche Beträge fehlen bei Florian... Sándor darf Florian verhaften, der alles zugibt – dass er gedealt hat, dass Sabrina ihn deshalb „an den Eiern“ hatte. Aber erstochen hat er sie nicht!
Stimmt, sagt Gärtner. Sie hört sich noch etwas im Atelier um. Währenddessen kriegt Leonore Besuch von Jonas, der ihr erzählt, dass er längst wusste, wie oberflächlich und geldgierig Sabrina war – und dass sie viel echter und charaktervoller ist. Leonore findet das etwas übertrieben und schiebt ihn sachte weg. Im Gespräch stellt sich heraus, dass Jonas sich in Massimos Atelier durchaus auskennt. Seine langen Ausführungen darüber, dass Sabrina nie eine gute Ehefrau geworden wäre, gehen ihr auf die Nerven, und sie bittet ihn, zu gehen, sie muss jetzt auch weiter arbeiten. Das passt ihm nicht so ganz. Sie findet ihn ja schon nett, aber das geht ihr alles etwas zu schnell. Und Sándor ist auch eine interessante Option...
Heute war es aber schon sehr heiß – fast unangenehm. Und kein Lüftchen regte sich. Durst! Ich holte mir ein Cola aus dem Kühlschrank und trank es zur Hälfte aus. So, noch eine Zigarette und dann weiter im Text!
Massimo sucht fluchend sein Glückstrennmesser, das verschwunden ist. Überhaupt, sein Glück auch – der Glamour, den eine Ehe mit der schönen Sabrina bedeutet hätte, ist dahin, das neueste Modell ist völlig misslungen (er kreischt ein bisschen herum), und jetzt kann er nicht einmal diese schiefe Naht auftrennen! Dio mio!
Gärtner gibt zu, dass ihr seine allererste Kollektion eigentlich am besten gefallen hat, Massimo reagiert pikiert. Sándor kommt und hat eine interessante Notiz in Sabrinas Wohnung gefunden – diese allererste Kollektion war geklaut, siehe oben.
Massimo bricht zusammen, Sabrina hat ihn zu dieser Heirat erpresst, aber als PR-Effekt hatte er gar nichts dagegen. Nur die Sache mit der ersten Kollektion durfte nicht herauskommen! Erstklassiges Motiv, Gärtner zückt schon die Handschellen.
Sándors Telefon klingelt. Leonore: Habt ihr gewusst, dass Jonas sich im Atelier auskennt? Da musste ich noch ein bisschen feilen, so plump sollte sie es nicht formulieren. Ich musste unbedingt an dieses uralte Skalpell denken!
Sándor hechtet hin. Jonas klingelt gerade bei Leonore, Sándor im Schlafzimmer. Jonas macht Liebeserklärung, will heiraten, ordentliche Frau, treue Frau, Sabrina war unerträglich. Aber Schluss machen wollte er auch nicht... Seine Augen funkeln so komisch... Scheiße, ich sollte doch keine Durchgeknallten ins Spiel bringen! Aber verletzte Eitelkeit war noch kein echter Wahnsinn, tröstete ich mich.
Die Sonne stach. Bevor ich mir ein weniger abgedrehtes Motiv für den braven Jonas ausdachte, sollte ich mich lieber noch mal abkühlen... und danach etwas essen. Hatte ich nicht auch eine Tüte Pfirsiche mitgebracht?
Der See lag immer noch so bleiern da. Der eine oder andere Luftzug wäre ja schon wünschenswert, fand ich, während ich vor der Hütte auf und ab kraulte und mich dann strampelnd rücklings fortbewegte. Immerhin lagen Tisch und Bank mittlerweile im Schatten, bald konnte man sich dort hinsetzen, ohne sich den Hintern zu verbrennen. Wie viel Grad es in der Sonne wohl hatte? Fünfzig? Fünfundfünfzig? Sechzig? Wurde es da nicht gefährlich? Zersetzte sich ab sechzig Grad nicht das Eiweiß im Körper? Nebelhafte Erinnerungen an eine mehr als peinliche Chemieklausur durchzuckten mich. Wäre das auch eine Mordmethode? Jemanden zu lange zu großer Hitze aussetzen? Ziemlich grausam... Würde der dann nicht eher verdursten?
Ich wollte gar nicht mehr raus aus dem Wasser, aber allmählich fühlte ich mich doch angenehm durchgekühlt und kehrte seufzend an die Frage zurück, welches handfestere Motiv Jonas haben konnte.
Er hatte gesagt, sie hätte ihn betrogen. Prima, Eifersucht, das konnte noch mildernde Umstände geben. Nein, konnte es nicht, dass er das Skalpell aus dem Atelier geklaut hatte, sprach ja doch eher für sorgfältige Planung und den Versuch, es Massimo in die Schuhe zu schieben.
Читать дальше