„Womit zuallererst das Honorar der Beraterin gemeint ist, nehme ich an. Der Erbe wird also ausgenommen?“
„Nein. Ist alles ganz seriös.“ Er blätterte in den Unterlagen, die er vor sich hatte, und fand wie immer nichts. „Es gibt eine ganze Heerschar solcher Berater, die sich auf die Generation junger Erben spezialisiert hat. Der Druck, den Millionen und Milliarden Euro auf die zarten Seelchen ihrer Besitzer ausüben, scheint enorm zu sein. Drombacher hat sich eine Frau - da ist es doch! - Frau Wailer zur Massage seines Seelenlebens ausgeguckt. Ursprünglich aus der Schweiz stammend, aber sie hat wohl die Berliner Luft und den Duft des großen Geldes gerochen und ist hierher gekommen.“
„Was hat sie Silvio Drombacher geraten?“
„Das Übliche: Unterstützung sozialer Organisationen und aktive Mitarbeit, um den Boden nicht unter den Füßen zu verlieren und dem eigenen Leben Sinn zu geben.“
„Heißt konkret?“
„Finanzierung eines komplett neuen SOS-Kinderdorfs in Ostafrika, einschließlich der laufenden Kosten. Jugendprojekte in Berlin und Göttingen - da stammt die Familie Drombacher ursprünglich her. Außerdem Frauen- und Schwulenprojekte jeder vorstellbaren Art. Aktiv arbeitet Drombacher unter anderem in zwei Schwulenprojekten mit. Außerdem in einem Verein, der gegen Zwangsprostitution agiert, und in einer Organisation zum Schutz von Frauen vor ihren eigenen Kindern. Langeweile ist eben auch ein Problem der ganz Reichen, da hilft es, wenn man täglich ins Büro geht.“
Every reichte mir ein Foto, das einen älteren Mann vor einem Firmensignet zeigte. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug und strahlte das Selbstbewusstsein aus, das man erwirbt, wenn man alles im Leben aus eigener Kraft erreicht hat.
„Sein Vater“, erklärte Every. „Er war vier Mal verheiratet, das hat seine Gesundheit ruiniert. Ist mit Ende sechzig an einem Herzinfarkt gestorben, kurz nach seiner dreißig Jahre jüngeren vierten Frau. Sie ist bei einem Skiunfall in St. Moritz ums Leben gekommen. Silvio ist sein Sohn aus dritter Ehe. Es gibt noch eine Tochter aus der allerersten Ehe, die muss jetzt Mitte vierzig sein. Sie hat das Testament angefochten, weil sie das Firmenimperium ihres Vaters in dessen Sinn leiten will. Es stört sie, dass ihr Halbbruder seine Anteile verwalten lässt, ohne sich selbst um die Firma zu kümmern.“
„Hat er einen Grund dafür?“
„Moral. Sein Vater hat gute Geschäfte mit den Militärs dieser Welt gemacht. Alles ganz legal, im Rahmen der Ausfuhrbestimmungen unserer Regierung und so weiter.“
„Aber das zarte Seelchen von Silvio Drombacher nimmt daran Anstoß“, ergänzte ich.
Das Foto der Tochter zeigte eine robuste Frau, die mich vertrauenerweckend direkt ansah. „Ich lese die Klatschpresse nicht, Every, also erzähl weiter. Wird in aller Öffentlichkeit die schmutzige Wäsche gewaschen?“
„Nein. Ich nehme an, sie hat Angst, das könnte dem Ruf der Firma schaden. Falls er solche Anwandlungen hatte, wurden sie ihm vermutlich von seiner Beraterin ausgeredet. Aber der Rechtsstreit ist noch nicht beendet.“
„Was ist mit seinem Privatleben? Der Mann an seiner Seite? Irgendwelche Hinweise auf Affären? Bei seinem Vermögen muss es doch vor Verehrern wimmeln.“
„Er lebt alleine und bewegt sich in einem kleinen Kreis. Bis vor einem Jahr hat er irgendetwas Ausgefallenes studiert - Stoffdesign? Offenbar ein Gebiet, in dem überwiegend Frauen anzutreffen sind, und ein paar schwule Männer.“
„Wie steht es mit Drogen oder dunklen Flecken in der Vergangenheit bei den beiden Erben oder ihrem Vater?“
Every räumte die Papiere wieder zusammen. „Nichts, von dem ich wüsste. Aber wenn Silvio Drombacher jetzt in einen Mordfall verwickelt ist, dann werden meine lieben Kollegen alles daran setzen, an anrüchige Details zu kommen. Vielleicht graben sie dabei etwas aus, das für euch interessant ist.“
Ich sah ihn strafend an. Es prallte wie immer von ihm ab. „Wie kommst du darauf, dass er etwas mit dem Mord zu tun hat?“
„Du hast es mir vor einer halben Stunde erzählt. Leugnen ist zwecklos. Ist alles wortwörtlich hier gespeichert.“ Er tippte sich mit dem Finger an die Stirn.
„Genau das dachte ich auch gerade“, sagte ich und imitierte seine Geste. „Erstens habe ich gar nichts gesagt. Du musst dir da etwas einbilden.“
„Und zweitens?“
„Gebe ich nie wieder eine Information an dich weiter, wenn du das veröffentlichst.“
„Mehr als ein paar Kleinanzeigen habe ich von dir bisher nicht bekommen.“
„Kann sich ändern. Czordan und ich sind jetzt echte Detektive.“ Ich stand auf und ging zur Tür.
Every lachte. „Das wäre eine Nachricht wert: ‚Rentner und ehemaliger Personenschützer gründen Detektei. Die Verbrecher in der Hauptstadt zittern vor Angst.‘ Dazu ein Interview mit dem Polizeipräsidenten, der nun Personal einsparen kann, weil ihr die Arbeit für ihn erledigt, und natürlich mit dem Regierenden Bürgermeister, der das als Erfolg seiner Politik für den Wirtschaftsstandort Berlin darstellt.“
„Du bist und bleibst ein primitiver Schreiberling“, sagte ich und ging.
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