„Du weißt ja gar nicht, was da vorher los war.“
„Nein, aber das muss ich auch nicht. Wer sich schlägt, ist bei mir unten durch. Ende der Durchsage.“
Marly schweigt. Auch ich habe kein Bedürfnis, weiter über den Vorfall zu reden. Wir schauen aneinander vorbei, in unseren Gedanken gefangen. Der Umzugsabend hat ein ganz komisches Gefühl bei mir hinterlassen, sein Verhalten hat mein Vertrauen in Marlys schönes neues Leben zerrissen. Ich mag keine Gewalt, Gewalt ist ein scheußlicher Ausdruck eigener Minderwertigkeitskomplexe. Die Wut auf sich selbst wird auf dem Rücken anderer entladen. Nach einer gefühlten Ewigkeit steht Marly auf.
„Ach, was soll’s. Noch ein Bier?“
Ich schaue auf, die Erleichterung über den gelungenen Themenwechsel ist bei mir riesengroß.
„Gerne.“
Ich genieße den Moment des Alleinseins unter Menschen. Um mich herum vibriert die Luft, die Leute reden, rauchen, lachen, trinken. Die Fische schwimmen, atmen, fressen, wuseln. Nur ich sitze völlig regungslos inmitten der Geschäftigkeit. Bedacht zünde ich eine Zigarette an, ziehe den Rauch langsam in meine Lunge und lasse den warmen Rauch in die bleierne Luft gleiten. Ich überlege kurz, ob ich mein Handy zücken sollte. Es fällt mir schwer, diesem Impuls zu widerstehen. Aber ich siege. Und bin stolz auf mich.
Als Marly mit den Bieren wiederkommt, ist das Thema Fabian vom Tisch.
„Du, sag mal, demnächst spielen die Editors wieder in Bremen. Hast du nicht Lust, da mit mir hinzugehen?“, fragt Marly erwartungsvoll.
Ich freue mich über die Aussicht auf ein tolles Konzert mit meiner Freundin. Auf die Gelegenheit, das Früher zu wiederholen, die unbeschwerteste Episode meines Lebens Revue passieren zu lassen, das Wissen aufleben zu lassen, dass das Leben gerade erst begonnen hat und alles möglich ist. Es gibt Millionen Möglichkeiten, und es wird spannend, für welche wir uns entscheiden werden!
Und so reden wir über Konzerte, die wir in der Vergangenheit gemeinsam besucht haben, und die wir in nächster Zeit zusammen besuchen werden. Wir reden über Partys, die als Geschichte in unseren Köpfen hängen geblieben sind und über alte Lieben, die große Gefühle in uns hervorgerufen haben, und dann doch in Katastrophen endeten. Wir reden über damals und freuen uns auf morgen. Wir kichern und lachen und träumen. Es ist alles so wie früher. Wir sind immer noch Freundinnen, und ich bin heilfroh, dass Marly sich nicht ganz in ihr neues Leben begibt und weiter einen Teil ihrer Zeit mit mir teilen möchte. Ich brauche sie, mehr als jeden anderen Menschen in der Welt, denn sie ist mir so vertraut wie niemand sonst. Diese lockeren Abende, bei denen wir uns gemeinsam treiben lassen, sind mein Yoga, meine Art, loszulassen. Marly ist mein Ruhepol, meine Zufluchtsstätte. Mein sicherer Hafen.
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