„Hier hängen wir den Sender auf!“, sagte Gugay.
„Wen?“, krächzte Tüngör erschrocken. „Wen willst du hängen sehen?“
„Den Sender für das „Gris-Quadre“-Hoheitszeichen natürlich, Tüngörlein!“, grinste Gugay. Er hielt den Sender für das "Gris Quadre" der Cisnair République fest, machte ein Holo-Video von der Szene mit der Mobilfunk-Cam-Unit seines Minismartphones, und funkte es an die Naturreservats-Verwaltungen von Clénairville und Sarkugratt.
Gugay spürte eine tiefe, vaterländische Wärme im Inneren. Er ließ seinen Blick den Rumpf emporgleiten. Er wollte einen Krøg-Flachmann aus dem Gefieder ziehen, doch dann ließ er stattdessen den cisnairschen Nationalruf ertönen. Einen kurzen Moment später standen sie still.
„Mach schon“, gab Gugay von sich.
Etwas widerwillig nahm Tüngör den Sender in die Hand, flog den Ravrokylrumpf hoch und befestigte ihn oben an der Spitze. Dann aktivierte er ihn und funkte das traditionelle "Hoch lebe M. Germaing Ebertaing, der Président der Cisnair République!".
Die Information von der lächerlichen Vereinnahmung der kleinen Insel im Sar durch Grenzverletzer aus Cisnair wurde zunächst von der fliegenden Reichsgrenzschutzgarde ignoriert. Sie brauchte elf Puntirjanminuten, bis sie in Sarkugratt in der persönlichen Mailbox des Westgebietsgouverneurs auftauchte, doch gelesen wurde sie dort erst einen halben Puntirjanday später.
Es war bereits Abend in Monastair. Die I.P.O. empfing Signale einer ihrer Relaisstationen aus dem interstellaren Raum. Sie wurden aufbereitetet und zeigten an, dass die puntirjanischen Raumsonden in über elf Lichtjahren Entfernung ihr Ziel erreicht hatten, vor elf Jahren. Sie hatten erste Holo-Bilder von den noch fernen Planeten des Altakolsystems aufgenommen und an die Dschersi-Transponder weitergeleitet, die die I.P.O. im interstellaren Raum positioniert hatte. Der dritte und vierte Planet waren bewohnbar, und die Wissenschaftler und Regierungsvertreter aus allen Nationen auf Puntirjan dachten darüber nach, wie man die fremde Welt um Altakol dereinst kolonisieren könnte, falls sie vielleicht schon bewohnt sein sollte. Sollte man sie in partnerschaftlich-demokratischer Vereinigung mit den Einwohnern besiedeln, wie es die I.P.O. propagierte? Oder sollte man sie besetzen und vereinnahmen, eine imperiale Okkupation und Assimilation, wie sie der Kaiser von Sarkar im Sinn hatte? So oder so, die Sonden jedenfalls waren nur Vorboten. Unbemannte Kundschafter einer kommenden Invasion heranfliegender, puntirjanischer Roboterschiffe, denen die Raumfahrer und Reise-Welten der I.P.O. folgen sollten.
Sarkugratt lag in tiefster Provinz, im Buschland oberhalb der Küstenniederung. Es bestand aus insgesamt vier Handelsstationen, die im Besitz indjarscher und westsarkarischer Kaufleute waren, und der Festung des sarkarischen ReichsGouverneurs.
Es hatte einen black-out im Interfunk-Netz von Sarkar gegeben, und so war Abend geworden, bis dass die Nachricht von der cisnairschen Inbesitznahme der Deltainsel eintraf. Zu dem Zeitpunkt, da der Bote mit der Nachricht über den letzten Hügel geflogen kam und durch die Ravrokylenwälder die kleine Gebäudegruppe von Sarkugatt vor sich liegen sah, war Provinzgouverneur Aru gerade damit beschäftigt, sein Mittagsmahl einzunehmen.
Er war ein Puntirjaner von großem Appetit. Das heutige Mahl bestand annähernd aus zwei Großlurchen, einer Flugechsenkeule, zwei Tellern Ravrokylsamenkörnern, einem halben Krug Krøg und einem Becher Ravrokylmilch. Nachdem er seine Geschmacksnerven damit geweckt hatte, machte er sich über eine Lurchfleischwurst her. Er pickte die für Puntirjaner unüblichen Speisesorten gierig mit seinem Schnabel auf, und seine gewaltigen Nahrungsportionen verursachten regelmäßige Blähungen, deren Druck ihm in der Schwüle den salzigen Schweiß aus den Poren unter dem Gefieder trieb. Immer wieder musste er sich deshalb gründlich putzen.
Er gab schließlich ein tiefes, sattes Gurren von sich und plumpste in sein Kissen, dessen Nähte ob des plötzlichen Luftdruckes einige Flaumfedern freigaben fast wie sein Körper die Blähungen. Er musste nun eine ganze Zeit lang warten, ehe seine Flugtauglichkeit wieder hergestellt war.
Da erreichte ihn die Nachricht. Arfazzu Aru betrachtete das Display mit düsterem Blick. Seine gute Laune war weg, denn er hatte ein Ruhepäuschen im Sinn gehabt. Er fixierte die Wolke dicht über den Hügeln im Süden, schlürfte sein Krøg aus und wischte sich die Wurstreste vom Mund.
„Mist!“ knurrte er, und öffnete die Videobotschaft mit einem Klick. Der Nachrichten-Unteroffizier blickte ängstlich und voller Respekt in die Kamera des Reichskommandeurs von Westsarkar.
„Heil Arefazom, dem Elften Sarjowairkaiser. Ich benachrichtige sie, Kommandant, weil …“, begann er. Arfazzu Aru fühlte sich geschmeichelt. Er mochte es in einem Zug mit dem großen Führer des Profaznatorgismus, dem.Großkaiser von Sarkar, genannt zu werden.
„Ich beziehe mich auf eine Information von Ganssar, dem Generalmajor der Reichsgrenzschutzgarde West. Funkzelle Nr. 482 im Sar-Gebiet 52 hat Funksignale mit Holo-Fotos registriert, dass dort das „Gris Quadre“ gezeigt worden ist.“
Arfazzu Aru richtete sich langsam auf, seine Schlagader unter dem Halsgefieder schwoll an.
„Seit ihrer Landung haben die Inselbesetzer nicht aufgehört zu wildern, und es sind viele Flugechsen erlegt worden. Die Verluste im elektronisch erfassten Wildbestand liegen, den Chip-Ausfällen zufolge, bei 82%“.
Arfazzu Aru plusterte sich auf, als wolle er platzen.
„Die Gesichtserkennungssoftware meldet, die beiden Anführer der Aktion sind in unserer Datei. Der Ältere ist ein Gugay Fiscaux aus der Region von Clénairville.“
Arfazzu Aru schrie auf wie ein Milchsaurier zur Brunftzeit. Die Videoübertragung brach ab. Herr Aru kontaktierte die Sicherheit.
„Faaaahnenmarschalllll!“
Aru krächzte wie bei einem Angriffsbefehl.
„Fahnenmarschall, sofort!“ brüllte er, „Ein Geschwader Düsengleiter, die Grenzschützer! Fiscaux ist wieder da, unsere Wildbestände im Naturschutzgebiet plündern! Er hat das republikanischen Gris Quadre gesendet – im Herrschaftsbereich unseres Großkaisers, des Großen Führers von Sarkar. Fahnenmarschall, wo bleibt ihr Startbefehl! Geschwader-Start, sofort!“
Das war ein Fall von internationaler Bedeutung, Aru wusste es nur zu gut. Der Große Anführer kannte da keine Gnade, und wenn er jetzt etwas falsch machte, so konnte er mit seiner Exekution rechnen – gerade jetzt, wo das große, prosarkarische Bündnis gegen den Willen höchster IPO-Behörden und des Parmun-Parlamentes zustandegekommen war. Aru keuchte, prustete und hustete vor Erregung – er stand im Zentrum einer historischen Auseinandersetzung. Seine Hände zitterten, als er eine Email an den großkaiserlichen PrinzGouverneur der Reiche von Sarkar lossandte, die auf dem Planeten vielleicht einen Weltkrieg aufflammen lassen könnte, den die fazisto-sarkarischen Völker als die Erstbesiedler fremder Welten im All beschließen könnten.
Ein Flug im Düsengleiter würde sie zum Sar bringen, zur dritten Sarka-Station, wo das Sarfazzo-Geschwader von Westsarkar im Hangar stand.
Das war eine Beute! Gugay war zufrieden. Sie hatten gerade die Beute Malalos Shuttle verladen. Der Frachtraum war rappelvoll, und wenn er das Lithiumerz bei den Groß-Hehlern versteigern würde, könnte er dafür Kisten voller Krøg eintauschen. Die Erzhändler würden es an die Einkäufer der Fusionsreaktoren verscherbeln und an die Elektro- und Raumfahrt-Industrie, und Gugay würde seinen fetten Lohn kassieren. Das Shuttle schien fast Übergewicht zu bekommen, als er die Startbereitschaft checken wollte, doch als er den Radar-Bildschirm erblickte, blieb Gugay Fiscaux plötzlich der Krøg in der Kehle stecken. Das Bildschirmsymbol zeigte, direkt von Osten her flog ein volles Grenzschutz-Geschwader auf die Shuttle-Position zu – die Sarfazzo-Flotille.
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