Lange/Kanpersky bei der Polizei
Paul Lange hatte in seiner Verzweiflung nicht lange herumgefackelt und mit dem Laptop in der Hand den nächsten besten Passanten nach einem Polizeirevier gefragt. Er musste knapp 500 Meter laufen, dann betrat er das Revier. Zwei gelangweilte Männer in Uniform saßen in einem karg möblierten Raum vor ihren Computermonitoren, und gaben missmutig irgendetwas über ihre Tastaturen ein. Lange beachteten sie nicht. Erst als sich dieser räusperte, schaute einer auf, und fragte:
„Was liegt an?“
„Mir sind das Auto sowie Handy und Portemonnaie gestohlen worden“ erwiderte Lange.
„Passiert doch aller Nase lang“ antwortete der Polizist gelangweilt „ich nehme erst mal Ihre Daten auf. Name?“
„Lange.“
„Vorname?“
„Paul.“
„Geboren am?“
„1982, Mai, 12.
„Können Sie Ihr Geburtsdatum nicht ordentlich angeben?“
„Ich mache das immer so.“
„Geboren in?“
„Euclid, County Cuyahoga, Ohio.“
„Hä?“
„Euclid, County Cuyahoga, Ohio.“
„Was soll das bedeuten?“
„Das ist mein Geburtsort.“
„Und wo liegt der?“
„In Euclid, County Cuyahoga, Ohio.“
„Passen Sie mal auf, guter Mann“ wurde der Polizist laut „wir sind hier nicht im Karnevalverein, und falls Sie einen über den Durst getrunken haben, sollten Sie wiederkommen, wenn Sie wieder nüchtern sind. Sie riechen ja wie eine ganze Destille. Moment mal, Ihnen ist das Auto gestohlen worden? Also haben Sie im Zustand der Trunkenheit ein Kraftfahrzeug geführt?“
Der andere Polizist hatte sich heimlich hinter Kanpersky/Lange geschlichen, und diesen dann überraschend in den Schwitzkasten genommen. Auch sein Kollege war jetzt auf den Beinen, und baute sich vor dem eingeschüchterten Amerikaner auf.
„So Freundchen, jetzt wird Klartext geredet! Wir machen erst einmal eine Blutalkoholmessung.“
Er steckte Lange ein Röhrchen zwischen die Zähne.
„Los, blasen!“
Paul Lange war außer sich vor Angst vor den grimmigen deutschen Polizisten und blies in das Röhrchen hinein. Dieses färbte sich sofort ein. Der Polizist riss ihm das Messgerät aus dem Mund und betrachtete es zufrieden.
„Na bitte, 1,9 Promille. Da ist jetzt erst einmal eine ganze Weile Schluss mit der Fahrerei. So, noch einmal zu Ihrem Geburtsort.“
„Euclid, County Cuyahoga, Ohio.“
„Jetzt reicht es mir aber“ brüllte der Beamte los „eine Nacht in der Zelle wird dir vielleicht helfen, die Erinnerung wieder zu erlangen. Ich lass‘ mich doch nicht verarschen! Euglied Kauntie Kukident Oheioo! Was solln das sein, hä?“
Er und sein Kollege zerrten Lange zu einer Zelle, stießen ihn hinein, und verschlossen die Tür.
Frank Kanpersky alias Paul Lange stand die Scheiße nunmehr nicht mehr bloß bis zur Oberkante Unterlippe, sondern sie lief jetzt langsam in seinen Mund hinein.
Die äußere raue Schale des Gangsta Rappers Simba Hermann war nur ein Kokon, der ihn vor den Widrigkeiten des Lebens schützen sollte. Wenn er sich grob und düster gab würde niemand es wagen, ihn anzugreifen. Gewalt verabscheute der junge Mann aufs Heftigste. Wer sich so verhielt, hatte nach seiner Auffassung ein paar Windungen zu wenig im Kopf. Ob es sich dabei um hirnlose Schläger handelte, die andere aus welchen Gründen auch immer drangsalierten, oder um Leute, die im staatlichen Auftrag zur Gewaltausübung bereit waren, machte für ihn schon einen Unterschied. Hermann war durchaus klar, dass er in einer Welt lebte, die keineswegs nur friedvoll war. Das, was auf der Krim jetzt passierte, zeigte ihm sehr deutlich, dass es nur ein fragiles Gleichgewicht zwischen zwei Machtblöcken gab, das jederzeit aus den Fugen geraten könnte. Trotzdem war es für ihn nicht nachvollziehbar, dass man einen Beruf ergreifen konnte, dessen Zielstellung darin bestand, anderen Leuten auf möglichst effektive Weise das Lebenslicht auszublasen. Dieser Berufsgruppe wollte er ihr Tun mit dem Song „Waffenschweine sind feige“ einen Spiegel vor das Gesicht halten. Der Grobentwurf lautete:
„Kannst du gar nichts,
bist du richtig,
denn dich ruft das Schießgewehr,
du verficktes feiges Waffenschwein.
Bist du viel zu blöd zum Denken,
dann lass‘ dich doch mit Orden beschenken,
du verficktes feiges Waffenschwein.
Riechst du Blut,
wird’s warm ums Herz,
denn jetzt geht es auf zum Killen,
du verficktes feiges Waffenschwein.
Trifft die Kugel,
steht dir einer,
was dir sonst niemals passiert,
du verficktes feiges Waffenschwein.“
Simba Hermann würde noch an seinem Text feilen müssen, er war ihm noch viel zu holprig. Die Musik hatte er aber bereits in seinem Kopf fertig. Natürlich musste diese dem Thema angemessen ausgesprochen martialisch ausfallen. Diesmal hatte er ein ganz außergewöhnliches Konzept zu Grunde gelegt. Zu Beginn des Titels würde er zirka 30 Sekunden einen originalen und bekannten Militärmarsch einspielen, und dann Schnipsel verschiedener Märsche in seinem Stil elektronisch verfremden. Er war sich noch nicht ganz sicher, ob er dazu noch Maschinengewehrsalven und Garantendetonationen einbauen sollte.
Das Tonstudio im Keller seines Hauses war schallisoliert, aber verfügte über zwei schmale Fenster über der Erdoberfläche. Simba Hermann zog sich ab und zu zur Inspiration einen Joint rein und öffnete dann die Fenster. Dieser Geruch wehte an manchen Tagen zu Generaloberst a. D. Langsack hinüber, der dann erbost die Fenster zuwarf. Langsack war der Auffassung, dass der Geruch weder von Zigaretten, Zigarren oder Pfeifentabak herrührte. Der schwarze Kerl, da war sich Langsack ganz sicher, nahm irgendwelche Drogen. Hermann war durch den Joint jetzt in Stimmung geraten und ließ die erste grobe Mischung seines Titels laufen. Generaloberst a. D. Fritz Langsack hörte mit großer Verwunderung, dass aus dem Haus des Schwarzen der Radetzkymarsch ertönte. Vielleicht hatte er sich doch in dem Neger geirrt, und jetzt einen Gleichgesinnten in der Siedlung gefunden.
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