Impressum
Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutternicht mit dabei wäre...
Band 1
Chronik eines chaotischen Zelturlaubs in der Uckermarck
oder:
Viel guter Wille, aber fast alles geht schief!
Copyright: 2017 Jörn Kolder
published by: epubli GmbH, Berlin
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Der Brief
Hannelore Bergmann
Eine schreckliche Nachricht
Der nächste Tag
Abends zu Hause
Jahresurlaub
Das Zelt
Familienrat
Der Countdown läuft
Der Anhänger
Beladung
Anreise
Ankunft
Fernsehen
Holzschlagen
Das Pärchen
Tauchen
Claudia Bergmann
Stadtbesuch
Grillabend
Bierathlon
Angeln
Rüdiger Bergmann
Oberförster Kunze fliegt auf
Anpirschen
Der Schüchterne
Das Geständnis
Das Sommerfest
Eine peinliche Vorstellung
Obermeister Peter Petersen
Das Abendessen
Ein ganz gemütlicher Tag auf dem Zeltplatz
Claudia traut sich was
Die Befestigungsanlage
Kondome
Die Draisine
Der falsche Förster
Es passiert!
Die Förderbrücke
Die Abschiedsfeier
Frieder Bergmann war gespannt, als er nach Hause kommend den Briefkasten öffnete, und hoffte auf eine angenehme Überraschung. Der Tag war schon schlimm genug gewesen, ein regelrechtes Desaster.
Neben der üblichen Werbung, die er in der Wohnung immer verächtlich auf den Tisch warf (aber dann doch ausführlich studierte) erwartete er einen Bescheid des Finanzamtes und wenn er seine Frau richtig verstanden hatte, müssten sie wohl einiges an Geld zurückbekommen. So kurz vor der Urlaubszeit käme ihnen das durchaus zupass, denn gerade heute hatte er fast 1.000 Euro in ihr schon altersschwaches Auto, einen acht Jahre alten Toyota Corolla Kombi, gesteckt. Er war mit dem Fahrzeug keineswegs unzufrieden, denn der Japaner spulte klaglos Kilometer um Kilometer ab, aber der Ersatz der Bremsscheiben und der Austausch anderer diverser Teile war notwendig geworden und so zahlte er zähneknirschend mit seiner EC Karte in der Werkstatt. Er war sich ganz sicher, dass die Leute ihn dort über den Tisch gezogen hatten, aber wagte es auch nicht, sich die einzelnen Rechnungspositionen genauer erläutern zu lassen. Als er ein Stück gefahren war hielt er an einer wilden Müllkippe an, die an einer wenig befahrenen Straße lag und besah sich die Rechnung nochmals.
Die Position „Scheibenwischwasser gewechselt für 9,95 Euro“ ließ ihn erstarren, wutentbrannt riss er den Hebel der Kühlerhauben Entriegelung zu sich heran und das Blechteil vor ihm sprang ein Stück hoch. Er schälte sich aus dem Sitz, packte die Haube und arretierte sie mit dem dafür vorgesehenen Stab, dann versuchte er den Behälter mit dem Scheibenwasser zu finden. Sein technisches Verständnis eines Autos bestand darin den Zündschlüssel zu drehen, Gänge einlegen und die Pedale bedienen zu können. Als er in den Motorraum blickte kamen zumindest drei Behälter für das Scheibenwasser in Frage. Überrascht stellte er fest, dass die darin befindlichen Flüssigkeiten unterschiedliche Farben aufwiesen: eine war braun, die andere grün und die dritte eher farblos. Die haben da bestimmt irgendeinen Duftstoff reingemischt dachte er sich, normales Wasser würde man heute sicher nicht mehr verwenden. Grün schien ihm für Tanne (wie bei den Duftbäumen) zu stehen und er versuchte den Deckel des Behälters zu öffnen, um eine Geruchsprobe zu nehmen. Bevor er damit begann legte er jedoch das teure Jackett ab und krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch. Er wusste, dass er zwei linke Hände hatte, aber er musste den Betrügern aus der Werkstatt auf die Schliche kommen und so nestelte er mit nervösen Fingern an dem Verschluss herum.
Als er diesen kräftiger packte löste er sich unverhofft mit einem Mal aus der Einfassung und durch den entstehenden Unterdruck spritzte etwas von der Flüssigkeit auf sein Hemd. Erschrocken fuhr er zurück und stolperte nach hinten, irgendetwas geriet ihm zwischen die Beine und hebelte ihn aus, wild mit den Armen rudernd verlor er das Gleichgewicht und landete auf einem harten Gegenstand (womöglich einem Haken), der ihm heftig in den Hintern piekte. Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und hörte ein Reißen (es musste von seiner Hose kommen) aber er war immer noch gefangen und so ruckte er jetzt heftig nach vorn um sich zu befreien, aber er hing immer noch fest. Wie ein Leichtathlet vor dem Start neigte er seinen Oberkörper weiter nach vorn und plötzlich war er befreit (wie ihm ein weiteres reißendes Geräusch anzeigte), durch seine Körperhaltung wurde jedoch kinetische Energie erzeugt, die ihn nunmehr schnell in Richtung Motor beförderte. Er konnte sich nicht abbremsen und mit schützend nach vorn ausgestreckten Armen gerieten seine Hände auf den immer noch heißen Motorblock. Vor Schmerzen aufheulend riss er sie hoch und schlug dabei unabsichtlich gegen den die Motorhaube haltenden Stab, dieser klappte um und das jetzt nicht mehr fixierte Blechteil donnerte mit Gewalt auf seinen Kopf und presste diesen auf irgendein öliges Aggregat im Motorraum, welches ebenfalls noch Wärme absonderte und nach Benzin roch. Panisch drückte Bergmann die Haube mit Kopf und Schultern nach oben aber bedachte nicht, dass sich seine Hände immer noch im Motorraum befanden. Als er Kopf und Oberkörper zurück zog kam die Haube krachend herab und schmetterte auf seine Handoberflächen, die er nicht rechtzeitig zurückgezogen hatte, er heulte auf.
Irgendwie (vielleicht weil sich die Haube beim Herabfallen verkanntet hatte) war der Verschlussmechanismus aktiviert worden und die Motorhaube rastete auf einer Seite mit einem satten metallischen Geräusch ein, auf der anderen nicht, so dass sie ungefähr einen Zentimeter schräg über dem Motorraum hing. Unglücklicherweise befanden sich seine Hände mehr auf der Seite wo der Mechanismus bestimmungsgemäß funktioniert hatte. Das dünne Blech drückte zwar nur wenig schmerzhaft auf seine Hände, aber hielt ihn zuverlässig gefangen. Hektisch versuchte er eine Lösung für sein Problem zu finden und unternahm einen Versuch, die Hände in Richtung der anderen Seite zu bewegen. Dabei schürfte er sich aber nur die Haut ab und kam keinen Millimeter voran, das verdammte Auto ließ ihn nicht frei.
Frieder Bergmann hatte die Angewohnheit sich auf Arbeit früh eine Kanne Tee zuzubereiten, der Behälter nahm 1,5 Liter auf und über den Tag verteilt trank er täglich diese Menge, das entsprach einer Empfehlung seines Hausarztes. Heute hatte ihn sein Chef bis kurz vor Feierabend festgehalten und er brach hektisch auf, ohne noch einmal die Toilette aufzusuchen, denn er wollte nicht zu spät zum Werkstatttermin kommen. Auch in der Werkstatt nahm er sich keine Zeit dafür, denn ein bereits heftig zerfledertes Exemplar eines „Playboy“ zog ihn mehr in den Bann. Mit dem Schock über die Rechnungssumme in den Knochen war er abgefahren und hoffte in 15 Minuten zu Hause zu sein, dort würde er in Ruhe und in gewohnter Umgebung seinem Bedürfnis nachgehen können.
Er spürte, dass sich der Blasendruck immer heftiger aufbaute und verstärkte seine Anstrengungen frei zu kommen, aber seine Hände waren wie festgenagelt. Mit dem Mut der Verzweiflung drückte er von unten gegen die Haube, aber nichts tat sich. Langsam dämmerte in ihm die Erkenntnis heran, dass sich, wenn er nicht bald Hilfe erhielt, neben dem Problem, dass er von der Motorhaube festgehalten wurde, ein weiteres einstellen würde. Schon früher war er dafür gehänselt worden, dass er oft auf der Toilette verschwinden musste („der mit seiner Pionierblase“) und so war er eigentlich immer darauf bedacht, bei seinen Unternehmungen möglichst eine Toilette in Reichweite zu haben. Immer mehr drückte der Tee auf seine Blase und mit verkrampften Bewegungen (soweit diese ihm in dieser Situation überhaupt möglich waren) und angespannten Muskeln hoffte er, so lange durchzuhalten, bis ihn jemand erlösen würde.
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