Herr Thönder
Liebes Leben,
wenn wir Dich nicht hätten...
Impressum
Copyright: © 2015 Herr Thönder
Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN: 978-3-7375-5444-2
Inhalt
Vorwort. 5
Liebe. 10
Technik.. 18
Schule. 26
Denken.. 34
Erziehung.. 42
Religion.. 50
Gutmenschen.. 58
Prokrastination.. 66
Vorsorge. 68
Mord und Verantwortung.. 76
Natur. 84
Langeweile. 92
Kinder. 99
Arbeit. 107
Lächeln.. 114
Fliegen.. 122
Einkaufen.. 129
Alter und Tod.. 137
Generationen.. 146
Nachwort. 154
Über den Autor. 157
oder: Eine Geschichte von fast allem
Am Anfang war das Universum in der Nussschale. Ich und die Menschen schienen nicht zusammen zu passen, alles erschien mir wie eine Anleitung zum Unglücklichsein und ich war reif für die Insel.
Eines Tage lud mich Herr Lehmann in Onkel Toms Hütte ein und sagte: „Komm, ich erzähl Dir eine Geschichte: Mein Freund, Harry Potter, hatte mich 1984 in die Stadt der träumenden Bücher eingeladen. Der Herr der Ringe hatte sturmfreie Bude und so feierten wir ein Symposion. In der Götterdämmerung saßen wir und sprachen über Sophies Welt, als plötzlich der Ruf des Kuckucks ertönte: ‚Ein plötzlicher Todesfall – Wachen! Wachen!‘ Alles war erleuchtet, als die Wächter eintrafen.
Schnell hatte Sherlock Holmes die üblichen Verdächtigen zum Verhör geladen, denn es war der siebte Tod dieser Art. Damals war es Friedrich, doch der schrie: ‚Ich bin kein Serienkiller‘. Ich und die anderen sahen, dass es auf die Todesursache ‚natürlich‘ hinauslaufen würde. Kommentarlos verließ ich das Haus und war wieder unterwegs.
Draußen vor der Tür wurde ich zum Traumsammler. Die Zwerge, Trolle und Orks ließen mich unbehelligt passieren – sie rochen das Parfüm der Suche. Ich lief umher und das Jahr, das zwei Sekunden dauerte, war in Wahrheit tausendundeine Nacht lang. Die unendliche Geschichte meines Lebens war die Suche nach dem verlorenen Symbol, nach dem Gott der kleinen Dinge, bis es im Winter der Welt zu kalt für die Straße wurde. Der Junge, der Träume schenkte, und die Bücherdiebin fanden mich auf der Straße, gerade als der Menschenmacher mich in die Todesfalle locken wollte. Sie luden mich ein, die Analphabetin, die rechnen konnte, kennen zu lernen. Diese gab mir einen weisen Rat: ‚Dies hier ist Feindesland. Das Labyrinth der Wörter bringt Dir nichts außer mieses Karma. Geh!‘ Und so kam ich zurück in meines Vaters Land.“
Tolle Deutschstunde, sagte ich – und die Moral? „Das Schicksal ist ein mieser Verräter!“
Das war genug. Ich schlug mit Faust auf den Tisch und beschloss, dieser Verblendung ein Ende zu setzen. Der Kurier des Zaren lehrte mich die Kunst, stillzusitzen. Die Physiker, der Richter und sein Henker eine andere Weltsicht. Ich bin ein Mängelexemplar, der nackte Affe, wartend auf Godot.
Jetzt mache ich einen auf Hildegund von Mythenmetz, betrachte die Generation Doof und schreibe meine eigenen Logbücher. Herr Thönder und wie er die Welt sah...
Liebes Leben,
was ist Liebe eigentlich? Schon diese kurze Frage stellt uns vor eine unlösbare Aufgabe. Es gibt darauf nicht DIE Antwort.
Bereits in der Antike wurde unterschieden. Es gab eine freundschaftliche, eine partnerschaftliche und eine erotische Form der Liebe. Sie alle wurden relativ gleichwertig betrachtet. Es wurde nie davon gesprochen, dass die Liebe zu jemandem, mit dem ich Kinder zeuge, mehr Bedeutung hätte, als irgendeine andere Liebe in meinem Leben.
Das wäre in einer Gesellschaft, in der Praktiken, die wir heute als „Fremdgehen“ titulieren würden, Gang und Gäbe waren, auch zu viel der Heuchelei gewesen.
Diese Tatsache wird heute häufig als Grund für den Niedergang der antiken Reiche angeführt. Die „spätrömische Dekadenz“ ist zu einem geflügelten Wort geworden.
Ob damit das ausschweifende Liebesleben einzelner Gesellschaftsschichten gehört, weiß ich nicht genau. Ich persönlich fände es auch unlogisch, wenn daran eine ganze Gesellschaft zerbrechen würde. Was gibt es schließlich für eine stärkere Motivation, Sicherheit zu garantieren, Wohlstand anzustreben und gegen Feinde zu kämpfen, als die Liebe?
Heute wird vor allem in Bezug auf die Familie vom Niedergang von Moral und Anständigkeit gesprochen. Es gibt immer mehr Scheidungen, immer weniger Kinder, immer mehr Gewalt, immer weniger Liebe. Scheinbar.
Wahrscheinlich bemerken wir nur mehr davon. Es wird einfach mehr darüber geredet und wir machen mehr öffentlich als früher. Die Opfer werden mutiger – und das ist auch gut so!
Liebes Leben, und dann kommen Menschen und wollen „Familie“ heißen, die gar keine eigenen Kinder kriegen können. Sie wollen sogar heiraten.
Was für ein Skandal!
Ich meine übrigens Homosexuelle, nicht unfruchtbare Heteros. Die dürfen ja heiraten, egal, ob sie Kinder kriegen können oder wollen oder nicht. Egal, ob diese Kinder dann geschlagen, missbraucht oder vernachlässigt werden. Egal, ob die Heirat aus Liebe oder aus finanzieller Vorteilnahme geschlossen wird.
Hauptsache Hetero.
Liebes Leben, wo bleibt da die Liebe?
Sind wir wirklich schon wieder in einer Welt angekommen, wo die Liebe nicht mehr zählt? In einer Welt, in der es wichtiger ist, dass sich die Nachbar-Bauernhöfe zusammentun? Wo es wichtiger ist, dass alles „normal“ wirkt?
Ich finde, das ist alles egal.
Wenn sich zwei Menschen lieben, sollen sie leben, wie sie wollen. Wenn sie heiraten wollen, sollen sie es tun. Wenn sie Kinder wollen, sollen sie welche kriegen. Wenn sie sich zusammennähen lassen wollen, um untrennbar zu sein, von mir aus auch das.
Und es ist auch egal, welches Geschlecht, welche Hautfarbe, welche Religion oder welches Alter die Menschen haben. Richtige Liebe kennt solche Grenzen nicht. Liebe ist ein Gefühl, kein Beruf. Wir können es nicht abstellen, uns abgewöhnen oder etwas anderes lernen.
Liebes Leben, gibt es wirklich keine Grenzen?
In meinen Augen nicht. Es müssen halt die Bedingungen erfüllt sein: Liebe, die gelebt wird, muss beidseitig sein. Sie muss von beiden verstanden und gefühlt werden. Liebe unterdrückt nicht, sondern bestärkt. Liebe macht frei, ehrlich und fröhlich. Liebe verletzt nicht, weder körperlich noch seelisch.
Bestimmt habe ich etwas vergessen. Kurz zusammengefasst: Liebe macht alle Beteiligten glücklich! (Und auch Glück ist für jeden Menschen etwas anderes.)
Liebes Leben, jeder Mensch liebt. Und wenn es nur die Liebe zu sich selber und seinem Leben ist.
Langsam scheinen wir uns aber die Möglichkeiten der differenzierten Liebe wieder zu eröffnen. Es ist wieder möglich, auch zu guten Freunden zu sagen, dass man sie liebt. Liebe ist nicht mehr exklusiv für die erotische Beziehung zwischen zwei Menschen vorbehalten.
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