Reiner Schöne
Werd ich noch jung sein, wenn ich älter bin
Erinnerungen und Storys
FUEGO
Über dieses Buch
Sex & Drugs & Rock’n’Roll, Freiheit, Lebenswille - politischer Aufbruch der Achtundsechziger
„Werd ich noch jung sein, wenn ich älter bin“ ist eine Zeitreise von den Bombennächten in Weimar, durch die alte DDR in den Goldenen Westen, weiter in den Wilden Westen Amerikas, nach Hollywood und wieder zurück nach Germany.
Reiner Schöne schreibt über seine Begegnung mit der Gospel-Legende Mahalia Jackson, sein erstes Konzert in der Prerower Seemannskirche, für das er Werbeflyer auf den Zeltplatztoiletten aushängte, von der Arbeit mit Clint Eastwood und Kris Kristofferson, erzählt von seinen Erfolgen in »Hair« und »Jesus Christ Superstar« und von den Dreharbeiten zu »Star Trek«. Er nimmt die Leser mit zu den Locations seiner Abenteuerfilme und Western, lässt sie teilhaben an seinen Höhepunkten und Tiefschlägen – eine Zeitreise nicht nur durch sein Leben. Eine Zeitreise, die eine Epoche und deren ganze Jugend formte. Es wird lebendige Geschichte erzählt, für die heutige Generation, die dadurch Teil nimmt an einer für die heutige Kultur so prägenden Zeit.
Für Sophie Charlotte
Homesick Blues
I’ve been away too long my love, I’m comin’ home
I’ve been away too long my love, I’m comin’ home
Too many faces in too many places
And none of them yours
I hate to wake up in yet another empty motel room
I hate to wake up in yet another empty motel room
I close my eyes and try to see the sweetness of your face
It’s not he homesick blues that gets me by the balls
It’s not he homesick blues that gets me by the ball
It’s just the emptiness I feel when I am gone and you’re not here
I’m losing track how many weeks it’s been so far
I’m losing track how many weeks it’s been so far
Maybe seven down, but baby, hey, it’s only one to go
Killarney, Irland, 10. Juli 2007
Vorwort
Sommer 1977. Wir sind mitten in den Vorbereitungen zu meinem zweiten Album (das erste heißt »Bluesfaces« und ist schon ein paar Jahre alt). Konstantin Wecker, Harold Faltermeier und ich schreiben, arrangieren und lassen die Songs entstehen. Ich verehre Curd Jürgens, dem sie den schönen Song »Sechzig Jahre und kein bisschen weise« auf den normannischen Leib geschrieben hatten.
Ich will so was Ähnliches schreiben, meine Weisheiten in Text und Töne setzen, aber ich bin halb so alt und laboriere rum mit banalen Zeilen wie »Wenn ich mal Sechzig bin…« schreibe und bleibe stecken. Wecker sagt, »Gib mir das mal, ich will mal sehen, was mir einfällt,« und kommt am nächsten Tag mit einem wunderschönen Song ins Studio. »Werd ich noch jung sein, wenn ich älter bin?« Catchy, ohrwurmig, berührend. Hucky F. schreibt das Arrangement, es wurde der Titelsong des Blauen Albums - der Rest ist History.
Mit der zweiten Reiner Schöne Band, meinen Hannöverschen Jungs, wurde die Gangart härter; bei unserer ersten Tour 1979 kam noch das Liedermacherpublikum, die »Werd ich noch jung sein…« – Connaisseurs, aber beim ersten Brett, das geflogen kam, die Gitarren auf 10, hielt sich unten alles die Ohren zu. Das Rock’n’Roll-Leder, auch schon mal ein scheues Stagediving, vor allem aber die Lautstärke verprellten die Altfans - gewannen mir aber auch viele neue Freunde der Deutschrockerei.
Und seit Jahren werde ich immer wieder gefragt, »Wo kann man den Song kriegen?«, aber die LP ist vergriffen, manchmal sehe ich sie auf Flohmärkten oder im Schrank von Freunden.
Die Musik der neuen, der dritten Reiner Schöne Band ist akustisch geworden, bluesbetont, passt in keine gängige Musikindustrie–Schublade, Singer/Songwriter-Musik heißt das heute, und der alte Wecker-Kollaborations-Song ist jetzt wieder - nach all den Jahren – meine Standard-Zugabe bei unseren Gigs. Und da die Nachfrage nach dem Song nicht nachgelassen hat, gibts davon endlich ein Remake auf unserer ersten gemeinsamen CD.
Das neue Album heißt nach dem Titelsong »Mitten ins Herz«, und das sollte auch der Titel des Buches und somit des Hörbuchs sein.
Beim Abhören der Tracks im Auto auf dem Heimweg von der Schule meiner Tochter kam mir die Erleuchtung: Bullshit, der Titel des Buches muss natürlich heißen »Werd ich noch noch jung sein, wenn ich älter bin«, wie das Lied, das sich seit 1977 wie ein roter Faden durch mein Leben zieht.
So soll es sein.
Reiner Schöne, Berlin, 10. Februar 2012
Ganz nah
Dein Lächeln steckt an
Es kommt aus der Unschuld
Aus der Tiefe der Seele
Und ich wünsche mir
Dass es bleibt
Es macht mich froh
Und ich erkenne mich darin wieder
Wenn ich dir in die Augen seh
Von ganz nah
Dann seh ich mich selbst
Dann erkenn ich mich wieder
Wie ich war
Mit einem Jahr
Oder zwei
Oder vier
Die Nähe bleibt uns
Für immer
Das andere Ende des Regenbogens
Er öffnet die Augen, bevor er aufwacht. Begreift nichts. Wo bin ich, warum liege ich hier zwischen all den Blumen? Erst als ihm eine nasse Schnauze ins Gesicht gestupst wird, klicken langsam die Sinne ein. Wie Ikonen auf einem alten Computer. Eine nach dem andern, wie in slow motion. Neben ihm steht ein türkiser Truck, das Radio ist an, und irgendein Commercial stört den Frieden. Er steht auf, steif und mit Schmerzen im Rücken und macht das Radio aus. Was war los, warum bin ich hier?
Ein Blick auf den Hund bringt ihn zurück zur Realität. Irgendwie war alles zuviel, too much von allem, und er hat sich einfach rausfallen lassen aus seinem Leben. Nur noch weg. Allein sein. Nachdenken oder nicht Nachdenken. Treiben lassen. Stundenlang ist er durch die Wüste gefahren, nur als der Hund unruhig wurde, hatte er gehalten und ihn rausgelassen. Und um irgendwo einen Burger und einen Kaffee in seinen unschlüssigen Magen zu tun. Mechanisch, Hunger war nicht wirklich da.
»Komm her, Julie«. Die Hündin drückt sich an ihn. Sie war schon immer sensibel. Wann immer es ihm nicht gut ging, sie hat es gespürt und war ihm dann noch näher. Hunde haben eine Antenne für menschliche Miseren. Hündinnen vielleicht noch eher als Rüden. Er hatte noch nie einen Rüden. Er hatte überhaupt noch nie einen Hund. Sie ist sein erster.
Die Sonne geht unter, die Grillen werden wach, der Hund jagt einen Jack Rabbit, keine Chance, der Hase wird überleben.
Ist es das, was er wollte? Er lässt sich fallen, macht sich ganz leer, zieht alle Antennen ein und starrt in den Himmel. An nichts denken. Geht das? Als die Hündin zurück kommt, legt er seinen Arm um das hechelnde Tier und steckt seinen Kopf in das schwarze Fell. Sie riecht gut, ganz anders als andere Hunde. Selbst wenn ihr Fell nass ist, ist das immer noch ein schöner Geruch. Er presst sein Gesicht an ihren Kopf und zieht den Hundeduft ein. Ein vertrauter Geruch. Unbedrohlich. Er legt sie langsam auf den Rücken und kniet über ihr. Legt beide Hände um ihren dicken Hals und massiert sie, bis sie das Maul aufklappt und die Zunge raushängen lässt. Das ist das abgemachte Signal zwischen beiden, dass sie glücklich ist.
Er lässt sich wieder auf den Rücken fallen und starrt in den Himmel. Den Bussard nimmt er nicht wahr, der seine Jagd beendet für den Tag. Auch nicht den Kojoten, der auf dem Felsen steht und sie beobachtet. Den Mann und den Hund. Regungslos steht er in der untergehenden Sonne und fixiert die beiden mit seinen gelben Augen. Unbemerkt.
»Zeit für dich.« Er geht zum Truck, kramt unter der Rückbank und holt ein Paket Trockenfutter raus, öffnet eine Wasserflasche, füllt eine Schale und füttert den Hund aus der Hand. Ganz weit weg fliegt ein Flugzeug nach Osten. Ein kleines Gebet, dass das Flugzeug auch da landet, wo es landen soll. Just a little prayer. Dunkel heben sich die Joshua Trees gegen den Wüstenhimmel ab, gegen die Milchstraße; nachts schlafen die Klapperschlangen, er hofft, nicht auf eine zu treten. Die Chance ist gering, tatsächlich einem Wüsten-Rattler zu begegnen, Schlangen weichen aus, weiß er. Das Heulen eines jagenden Kojotenpacks macht die Hündin nervös, sie sucht seine Nähe und knurrt. Warnend; aber mehr ängstlich, er kennt sie seit sechs Jahren, da gibt’s eigentlich nur noch Vertrautheiten zwischen ihnen.
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