Kirsten Steineckert - Wenn ich wär, wie ich nicht bin

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Kirsten Steineckerts Geschichten und Gedichte reflektieren entscheidende Momente im Leben, Kindheitserinnerungen, Liebeserfahrungen und Lebenskrisen. Sie erzählt von Menschen, denen sie begegnet ist, von Rita, die ihren Mann nicht verlässt, obwohl er sie schlecht behandelt, von den Großeltern, deren Liebe bis ans Ende ihrer Tage hält oder Robert, der dank seiner Frau, die Sucht besiegt. Ihre Texte erzählen liebevoll und mit Heiterkeit von der Lust und dem Frust, sich jeden Tag neu der Liebe und den Alltäglichkeiten im wirklichen Leben zu stellen. Und das mit allen Zweifeln und mit Mut, um den Alltag intelligent und mit Herz zu meistern. Sollten sich Leser angesprochen fühlen, wäre dies rein zufällig, aber nicht ganz unbeabsichtigt.

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WENN ICH WÄR,

WIE ICH NICHT BIN

Geschichten und Gedichte von

Kirsten Steineckert

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2017

Kirsten Steineckert

Biografische Angaben

Geboren: 1951 in Berlin.

Studium der Germanistik und

Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität

Berlin, erst Redakteurin beim Kinderfernsehen,

dann Autorin beim DEFA-Studio für

Synchronisation und seit 1978 als freischaffende

Autorin tätig: Veröffentlichungen von Gedichten,

Liedern, Kurzgeschichten, Lesungen und Auftritte

mit literarisch-musikalischen Veranstaltungen.

Bisherige Veröffentlichungen:

Dazwischen , Gedichte, Spotless -Verlag 1997

...Und jeden Morgen weckt mich die Taube ,

Eine poetische Reportage – Tagebuchnotizen,

Texte, Briefe, Träume und Gedichte 1991 – 1994,

Scheunen- Verlag1998, zweite Auflage 2001

Herzwende , Gedichte und Geschichten,

Scheunen -Verlag 2005

Impressum:

Bibliografische Information durch die

Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese

Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.dnb.deabrufbar.

Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte bei der Autorin

Titel-Illustration und Fotos: Fredy Conrad

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALT

Cover

Titel WENN ICH WÄR, WIE ICH NICHT BIN Geschichten und Gedichte von Kirsten Steineckert Engelsdorfer Verlag Leipzig 2017

Über die Autorin Kirsten Steineckert Biografische Angaben Geboren: 1951 in Berlin. Studium der Germanistik und Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin, erst Redakteurin beim Kinderfernsehen, dann Autorin beim DEFA-Studio für Synchronisation und seit 1978 als freischaffende Autorin tätig: Veröffentlichungen von Gedichten, Liedern, Kurzgeschichten, Lesungen und Auftritte mit literarisch-musikalischen Veranstaltungen.

Bisherige Veröffentlichungen Bisherige Veröffentlichungen: Dazwischen , Gedichte, Spotless -Verlag 1997 ...Und jeden Morgen weckt mich die Taube , Eine poetische Reportage – Tagebuchnotizen, Texte, Briefe, Träume und Gedichte 1991 – 1994, Scheunen- Verlag1998, zweite Auflage 2001 Herzwende , Gedichte und Geschichten, Scheunen -Verlag 2005

Impressum Impressum: Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte bei der Autorin Titel-Illustration und Fotos: Fredy Conrad Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) www.engelsdorfer-verlag.de

Vati als Kapitän VATI ALS KAPITÄN Heute hatte Vati seinen guten Tag. Er hat mit uns gespielt. Manchmal macht er das; dann kommt er ins Kinderzimmer und verkündet stolz, dass wir miteinander spielen wollen. Natürlich brechen wir in hellen Jubel aus, damit er nicht enttäuscht ist. Wir spielen jedes Mal dasselbe: Seefahrer. Wir holen die Papiermützen vom Fasching aus dem Schrank. Vati setzt sich eine Kapitänsmütze auf den Kopf und wird gleich ein Stück größer. Er schickt meinen Bruder hinter den Tisch ans Steuer und mich unter den Tisch in die Kombüse. Wir warten geduldig bis Vati uns mit hartem Kommando-Ton zu sich ruft, dann ist das Unwetter dran. Er beschimpft uns, weil wir den Kurs nicht eingehalten haben, schickt uns weg und hält weiter Ausschau. Wenn Mutti die Tür aufmacht, kriegt sie Arrest. Da macht sie inzwischen Abendbrot. Vati macht das Spiel viel Spaß. Nur das letzte Mal gab es Streit. Mein Bruder hat einfach gefragt, ob er auch einmal Kapitän sein darf. Da war Vati sauer. Er riss sich die Mütze vom Kopf, schmiss sie in die Ecke und rannte wütend aus dem Zimmer. Dabei zischte er zwischen den Zähnen: »Dann spiel ich eben überhaupt nicht mehr mit euch!« Es dauerte lange, bis er uns verziehen hatte.

Frühschoppen FRÜHSCHOPPEN Mein Vater hat jeden Sonntag mit mir einen Spaziergang zum Frühschoppen zu Jaschinsky’s in die Eckkneipe gemacht. Dort hatte er seinen Stammplatz. Gleich neben der Theke. Nach einer gewissen Weile wurde ich hungrig, wahrscheinlich nach dem 3., vielleicht aber auch 6. Bier; keine Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse meines Vaters. Onkel Jaschinsky liebte es nicht, wenn ich die anderen Gäste störte und er seinen guten Freund Walter nach Hause schicken musste, damit die leibliche Mutter dem Kind das Mittagessen machen konnte. Damals wäre es undenkbar gewesen, dass ein »gestandenes Mannsbild«, sich dafür verantwortlich gefühlt hätte. Dazu hatte man ja seine Frau. Mein Vater war keine Ausnahme, er war so wie seine Generation war. Papa macht Kind mit Mama, Mama bleibt mit Kind zu Hause. Wenn Papa jagen geht, macht sie alles schön für den Jäger. Wenn er mit Beute nach Hause kommt, dankt sie ihm für seine Heldentaten und tut die Suppe auf. Er streicht dem Kind über den Kopf, wenn es brav war, auch mal Mama, wenn er meint, sie hätte es verdient. Papa gibt Mama Küsschen, auch wenn sie gerade nicht will und tut ihr weh, wenn sie es erst recht nicht will. Manchmal hat sie einfach anderes zu tun oder teilt seine Freude an der Freude nicht. Wenn er laut wird, das Kind in der Tür steht und Mama retten will, lachen beide und tun so, als wäre alles nur ein Spiel. Manchmal wird Papa auch sehr böse, wenn Mama immer öfter nicht so will, wie er. Darauf kann er keine Rücksicht nehmen, sie hat gefälligst ihren ehelichen Pflichten nachzukommen. Schlimm genug, dass sie immer noch darauf herumreitet, dass er mal mit der Sekretärin was hatte; oder mit der Neuen vom Vertrieb. Da war sie doch schwanger und was hat sie denn erwartet, mit dem Bauch! Schon im 6. Monat war doch die Taille weg, also bitte, das muss sie doch verstehen. Na gut, über die paar Pfund, die sie jetzt noch zu viel hat, da sieht er großzügig hinweg. Sie wird sich doch wohl ein bisschen zusammenreißen können, sonst muss sie sich nicht wundern ... Er ist ja schließlich auch nur ein Mann. Mama wollte sich nicht weiter wundern, da hat sie eines Tages Kind und einen Koffer genommen und ist in eine andere Wohnung gezogen. Da hat sich Papa aber gewundert.

Liebe für eine Mark LIEBE FÜR EINE MARK Mein Vati hat mich sicher geliebt. Mit Zärtlichkeiten tat er sich aber sehr schwer. Nie sah ich, dass er meine Mutter nur einfach mal so in den Arm nahm, immer war es ein „Sich-tapsig-Annähern“, „Grobes- auf-den-Hintern tatschen“, zu lautes Gelächter über zotige Witze. Er liebte es, mich abzukitzeln. Aber sein Abkitzeln war meist sehr rüde. Ich fand es nach kurzer Zeit nicht mehr lustig, es tat weh. Ab dem Punkt schien es ihm aber immer mehr Spaß zu machen. Er kannte kein Maß und kein Einhalten, ich hasste es. So wurden Lachtränen oft zu echten. Er konnte seine Zuneigung schlecht zeigen. Vor allem meine Mutter hatte darunter sehr zu leiden. Er liebte sie aufrichtig und konnte sie deshalb nie endgültig loslassen, auch nach der Scheidung nicht. Seine Liebe mir gegenüber bewies er auf seine Art. Ich war noch nicht mal 4 Jahre alt, da spielten wir Kinder auf der Straße. Mit bunter Kreide bemalten wir die Geh- und Fahrwege. Damals musste man keine besondere Angst vor Autos haben, 1954 gab es wenige, im Osten noch weniger als im Westen, und die paar, die es gab, fuhren in dieser Nebenstraße selten. Ich wusste, dass mein Vater zu einer bestimmten Zeit nach Hause kommen würde und sah immer wieder gespannt und sehnsüchtig in diese Richtung. Endlich hielt die Straßenbahn, er stieg aus, ich sprang auf und lief ihm voller Vorfreude entgegen. Ich streckte ihm meine Arme entgegen, er lächelte, strich mir wuschelig über den Kopf, kramte in seinen Taschen und steckte mir ein Geldstück in die Hand. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit dem Geld anfangen sollte, nahm es aber dankbar entgegen. Dass dieses komische Gefühl im Bauch Enttäuschung war, verstand ich erst später, als alles, wofür er einen belobigen oder bestrafen wollte, mit Geld vergolten wurde. Wenn man etwas falsch machte, musste man 10 oder sogar 20 Pfennige abgeben. Ein nicht aufgehängtes Handtuch, schmutzige Schuhe, beim Einkauf etwas vergessen: es wurde abgerechnet. Für eine gute Zensur oder fürs Auto waschen bekam man etwas. Als ich ihn ab meinem 12. Lebensjahr fast 30 Jahre lang nicht sehen durfte - weil seine neue Frau es ihm verboten hatte und er sich dem beugte - ersparten wir uns gegenseitig viel Geld.

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