„Bitte verrenne dich nicht in irgend was, Olli, das Ganze kann auch eine ganz einfache Erklärung haben.“ Gab Jessy zu bedenken, um gleich wieder ein anderes Thema anzuschneiden.
„Hast du eigentlich schon den Bericht der SpuSi zu sehen bekommen? Würde mich interessieren was drinsteht. Vielleicht ergeben sich noch weitere Hin-weise.“
„Machst du Witze, seit Ohmer den Job hat sind die nur noch halb so schnell, das waren noch Zeiten als Kessler das Ganze leitete.“
„Dafür sind die Berichte wesentlich gründlicher recherchiert finde ich.“ Entgegnete Jessy, die Fuhr´s Aversion gegen Ohmer kannte, jedoch nicht genau wusste woher sie rührte. Ohmer hatte zwar mal erwähnt dass er und Fuhr früher Klassenkameraden in der Grundschule waren und dort eigentlich befreundet waren, warum Fuhr aber so schlecht auf Ohmer zu sprechen war konnte Jessy nicht nachvollziehen.
Als sie wieder im Polizeipräsidium eintrafen lag auf Fuhr´s Schreibtisch tatsächlich der gesamte Bericht sowohl der Gerichtsmedizin als auch der Spurensicherung. Das einzig wirklich neue war, dass Vogtländer wohl aus einer Entfernung von 1,3 m mit einer Waffe mit 38 er Kaliber und Schalldämpfer erschossen wurde. Die Verformung und die Spuren am Geschoß waren nicht mit bereits bekannten Waffen in Übereinstimmung zu bringen. Im weiteren Umfeld des Tatortes, an einem angrenzenden Feldweg war eine PKW- Reifenspur festgestellt worden, welche einem GoodYear Eagle F1 zuzuordnen war und eine Dimension zwischen 285 und 325 hatte. Exakt war das aufgrund des trockenen und lockeren Bodens, am Feststellungsort nicht mehr zu ermitteln. Ob und inwieweit diese Spur vom Täter stammte war unklar.
Kaiser rief Fuhr und Jessy zusammen, um sowohl die Ergebnisse der Spurensicherung, als auch des Obduktionsberichts sowie der Befragung der Mitarbeiter der Arztpraxis sowie des Arztes selbst zu besprechen. Schnell war man sich einig, dass die ersten beiden Punkte nicht viel hergaben.
Als Fuhr dann über die Vorkommnisse in der Arztpraxis berichtete, wobei er nicht verschwieg, dass ihm eine Beschwerde bei Polizeipräsidenten angedroht wurde, wusste Kaiser wie sehr Fuhr diesen Arzt wohl gefressen hatte.
„Also Olli, bei diesem Arztschnösel musst du dich zurückhalten, versuch´ ein bisschen Distanz aufzubauen, sonst verstellt dir diese Aversion den Blick für die Realitäten.“ Ermahnte er seinen jungen Kollegen. „Was deine Schlussfolgerungen betrifft bin ich bei dir. Da ist irgend etwas nicht ganz koscher. Mich wundert auch, dass er vorgab diese Verena Berger nicht zu kennen, obwohl sie durch ihre geringe Körpergröße schon etwas auffällt. Nur wegen der anderen Haarfarbe hätte man auch sagen können – ich hatte mal eine Mitarbeiterin, aber die war blond, oder so irgendwas, aber wenn wir schon den Zuordnungshinweis bekommen und dezidiert nach ihr fragen so zu tun als kenne er sie nicht ist schon merkwürdig.“
„Aber Chef....“ schaltete sich nun Jessy ein „...könnte es nicht auch sein, dass er einfach nicht mit uns kooperieren wollte, nachdem Olli quasi seine Platzhoheit in Frage gestellt hatte?“
„Mag schon sein...“ räumte Kaiser ein „...aber wir sollten die Faktenlage sich vielleicht noch etwas verdichten lassen bevor wir Schlüsse ziehen. Da wird sicherlich die Befragung dieser Frau Voigt sehr wichtig werden. Sie sollten unbedingt gleich nachdem diese Feierabend hat dort anrufen und einen Termin, so bald wie möglich vereinbaren, Jessy.“
Diese nickte zustimmend. „Hab´ ich mit Olli schon so vereinbart.“
„Was machen eigentlich unsere Turteltäubchen?“ Fragte nun Fuhr mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Wen meinst Du?“ Wollte Kaiser irritiert wissen.
Fuhr erzählte ihm von Bauers aufblühen in der Gegenwart von Hutt und auch der konnte sich ein lächeln nicht verkneifen, als er bemerkte:
„Noch nichts gehört, aber ich schätze die sind fleißig“. „Komm Jessy da gehen wir mal rüber, aber anklopfen, nicht dass wir die beiden in einer verfänglichen Situation ertappen.“ Meinte nun Fuhr mit gespielt korrekter Stimme, wie Bauer oft sprach. Nun mussten alle drei lachen.
Im Besprechungsraum angekommen war die heitere Atmosphäre zwischen Bauer und Hutt wieder zu spüren. Der Aktenstapel der bereits bearbeiteten Akten war schon erheblich angewachsen.
„Hallo, ihr beiden...“ begann Fuhr „...na schon eine heiße Spur gefunden?“
„Nein, das nicht, aber es ist interessant zu sehen wie in der Agentur gearbeitet wird.“ Während er das sagte bedeutete Bauer Fuhr, ,von Hutt abgewandt dass er gerne mit ihm unter vier Augen reden wolle.
„Ähm, Jessy willst du nicht mal mit Frau Hutt Pause machen, ich glaube die Gute hat sich auch einen heißen Kaffee in der Kantine verdient?“
Jessy verstand sofort worum es ging, hakte Hutt unter und verschwand mit ihr aus dem Besprechungsraum. „Nun, Herr Fuhr, wir sollten uns einmal ein Muster ansehen, das ich an einigen Akten gefunden habe. Ich habe diese mit einem bestimmten Klebezettel gekennzeichnet. Sehen sie mal...“ er zog ein paar Akten, die mit blauen Klebezetteln versehen waren. Es mochten aus dem Stapel von vielleicht fünfzig in graue Aktendeckel gekleideten Akten insgesamt sechs Akten mit einem solchen Zettel sein.
„Sehen sie mal hier, in all diesen Fällen hatte ein Herr Mangold einen sehr lukrativen Vertrag abgeschlossen, den kurz darauf Vogtländer wieder stornieren ließ.“ Dabei zeigte Bauer auf die internen Aktenvermerke, die wohl von Vogtländer gefertigt wurden und den Vermerk trugen „nicht bezahlbar“.
„Das ist wirklich sehr interessant...“ Fuhr beugte sich über die Akten, legte diese nebeneinander und prüfte die Vertragsschlüsse, soweit sein laienhaftes Wissen darüber dies zuließ. „...woher wissen sie dass diese Verträge so lukrativ sind?“
„Frau Hutt hat mich in die Berechnungsmethode eingewiesen. Demnach sind das allesamt Verträge mit einem Provisionsvolumen von mindestens 5.000,- € und mehr, bei Monatsbeiträgen ab 900,- €.“
Fuhr pfiff durch die Zähne. „Also allein die sechs Vorgänge bedeuten ein Provisionsverlust von ca. 30.000,- € für diesen Mangold.“ Vergewisserte sich Fuhr. Bauer warf noch einmal einen Blick auf die sechs Vorgänge und meinte in belehrendem Ton:
„Ich sagte ja mindestens 5.000,- € je Fall. Insgesamt handelt es sich um Storni im Wert von 41.345,67 € und das ist nur die direkte Provision!“
„Gibt´s denn noch eine indirekte?“ Fragte Fuhr ungläubig.
„Das ist etwas komplizierter...“ gab Bauer zurück, wobei er sich über´s Kinn strich „... also, wie soll ich sagen.. ähem jeder Vertreter bekommt zu Anfang des Jahres ein so genanntes Geschäftsziel. Das heißt es wird in den unterschiedlichen Sparten ein Umsatz definiert den der Vertreter jeweils erreichen muss. Gelingt ihm das, dann bekommt er einen bestimmten vereinbarten Betrag. Das kann je nach Sparte und Anspruch an das Geschäftsziel im Maximum bis zu 30.000,- € Geschäftszielvergütung ausmachen. Zusätzlich wird für das Geschäft, das über das Geschäftsziel hinausgeht eine Erhöhung des Provisionssatzes vereinbart, oder, auch möglich, eine Stückpauschale je abgeschlossenen Vertrag....“
„Das heißt also jede Menge Geld, die da diesem Mangold entgangen ist. Haben sie Hutt schon auf diese Vorgänge und die Hintergründe angesprochen?“ Wollte nun Fuhr wissen.
„Nein, noch nicht. Ich wollte noch warten bis wir alle Akten durchhaben. Vielleicht ergibt sich noch anderes bzw. mehr und dann wollte ich in ihrem Beisein, oder wenn sie das machen wollen, sie dazu befragen.“
„Ja, das ist gut, klasse Arbeit Herr Bauer, das eröffnet ganz neue Perspektiven. Morgen kommen die beiden Agenturmitarbeiter zurück. Da haben wir ja schon etwas zu besprechen – ach apropos, was ist eigentlich mit dem anderen .. wie heißt der noch gleich...“ Wollte Fuhr noch wissen und wunderte sich gleichzeitig wie sehr sich Bauer zurücknahm, das war er so nicht gewohnt
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