Herbert W. Franke - TOD EINES UNSTERBLICHEN

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Ein Sarg auf dem Transport durch den Weltraum, Havarie in der Nähe eines verbotenen Planeten, Militärs bei sinnlosen Planspielen, Wissenschaftler, die ihre Ergebnisse systematisch vernichten, und ein zum Sterben verurteilter Unsterblicher – das sind einige Szenenbilder aus dem Roman von Herbert W. Franke. Die Welt, die er beschreibt, könnte ein Gefängnis sein, eine Kaserne oder eine Heilanstalt, auf jeden Fall ist sie ein Albtraum der Irritation, ein Netzwerk aus Täuschung und Intrige. Und wie schon oft in den Geschichten von Franke ist es ein Einzelner, ein Außenseiter, nur zufällig in eine ungewöhnliche Situation geraten, der sie zu verstehen und sich aus ihr zu befreien versucht.
"Tod eines Unsterblichen" – schon der Titel deutet das Widersprüchliche an. Die Logik des Absurden. Neben der Konfrontation mit dem Unbekannten, neben dem gedanklichen Experiment, das jede Science-Fiction-Geschichte sein sollte, ist es auch die surrealistische Szenerie, die den Autor an der Science-Fiction besonders anzieht. Aber Herbert W. Franke ist Naturwissenschaftler, Physiker, und das Fantastische für sich ist ihm zu wenig. Was zunächst sinnlos erscheint, entpuppt sich als notwendige Konsequenz der gesellschaftlichen Struktur einer möglichen Zukunft.
Titelbild und Innenillustration stammen von Thomas Franke.

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Herbert W. Franke

TOD EINES UNSTERBLICHEN

Science-Fiction-Roman

SF-Werkausgabe Herbert W. Franke

Band 15

hrsg. von Ulrich Blode und Hans Esselborn

AndroSF 80

Herbert W. Franke

TOD EINES UNSTERBLICHEN

Science-Fiction-Roman

SF-Werkausgabe Herbert W. Franke

Band 15

hrsg. von Ulrich Blode und Hans Esselborn

AndroSF 80

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Der Autor Herbert W. Franke wird vertreten durch AVA International GmbH, München, www.ava-international.de.

© der Originalausgabe: 1982 by Herbert W. Franke

© dieser Ausgabe: Oktober 2020 by

p. machinery Michael Haitel

Titelbild: Thomas Franke

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda

Verlag: p. machinery Michael Haitel

Ammergauer Str. 11, 82418 Murnau am Staffelsee

www. p machinery.de

für den Science Fiction Club Deutschland e. V., www.sfcd.eu

ISBN des Paperbacks: 978 3 95765 216 4

ISBN des Hardcovers: 978 3 95765 217 1

ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 878 4

Ankunft

Raumschiff | Bordzeit: 0815–0905

Der Transfer aus dem Hyperraum hatte begonnen. Das Röhren der Antriebsaggregate war verstummt, die Kapsel bewegte sich nur noch infolge ihrer eigenen Trägheit und näherte sich langsam dem Ende des Korridors.

Arvid warf einen letzten Blick ins Rund der Pilotenkanzel. Die Ortungsanlage war eingeschaltet, doch der Bildschirm zeigte nur ein wirres Kurvennetz, das sich allmählich mehr und mehr verzerrte. Das Hauptlicht war auf die tiefste Stufe getrimmt, der Raum lag in der Dämmerung, in der die Lichter der Armaturen haltlos zu schweben schienen. Das Steuersystem war auf Automatik gestellt, hin und wieder bewegte sich ein Hebel, wanderte ein Zeiger über die Skala. Alle frei beweglichen Gegenstände in der Kapsel waren festgeschnallt, in der Nische an der Seitenwand, durch eine Plastikhülle besonders geschützt und fest mit dem Boden verschraubt, stand der metallene Sarg.

Arvid zog den verspiegelungsfrei geschliffenen Bordglashelm über den Kopf und ließ die Klemmen einrasten. Wie es Vorschrift war, hatte er den Schutzanzug angelegt und sich in die Gurte gebunden. Ein kleines, unscheinbar grünes Lämpchen am unteren Rand der Schalttafel zeigte ihm an, dass das System der Heliumpolster betriebsbereit war; wenn es auch unwahrscheinlich schien, so musste man auf einen Zusammenstoß mit Materie gefasst sein – die für kurze Zeit geöffnete Schleuse zog Masseteilchen mit unwiderstehlicher Kraft an. Auch so kleine, die dem Gravitationsfühler entgingen, konnten gefährlich werden.

Die Flüssigkristallanzeige, die über den Stand des Countdown informierte, lag schon nahe bei null; nur wenige Sekunden fehlten bis zum Durchtritt.

Noch lag draußen vor dem gewölbten Sichtfenster diffuser Perlmuttglanz – die starke Raumkrümmung verwischte jede optische Struktur.

Und dann der Nullpunkt – Landung in einem fernen Winkel des Weltraums!

Erstaunlich, dass es so lautlos vor sich ging! Ein kurzes Flackern, Lichtreflexe, dann plötzlich wieder das harte Helldunkel des dreidimensionalen Kontinuums. Einzelheiten noch nicht erkennbar – parallel zur Horizontale des Bodens liefen bräunlich-bläuliche Streifen über das Sichtfeld, dazwischen Schwarz, das durch eine dünne, gleißende Linie zerschnitten war. Mehrfache Wiederholung eines Bildes wie bei einem schlecht eingestellten Fernsehempfänger. Noch waren sie dem Einfluss der Gravitationslinse nicht völlig entronnen, noch gaukelte sie abstrakte Unwirklichkeit vor. Doch die Streifen wanderten, immer schneller, es wurden weniger, die sich um eine Einschnürung wölbten. Lichtwirbel kreisten um das Zentrum, in denen sich das Bild verschärfte, und plötzlich waren die flackernden Ausläufer verschwunden, nur noch eine einzige Scheibe war übrig geblieben, hellbraun und hellblau schattiert, jetzt als schwebende Kugel zu erkennen: Nathan 4. Rundherum das Schwarz eines atmosphärelosen Himmels, die hellen und ruhigen Punkte der Sterne, dazwischen ein blendendes Licht, das in den Augen schmerzte und Arvid den Blick abwenden ließ: die Sonne dieses abgelegenen Systems.

Damit war die Zeit der Untätigkeit vorbei – neunundvierzig Tage waren es gewesen.

Arvid löste die Gurte, warf einen Blick auf die Schalttafel und legte dann den Helm ab. Er zog auch die Handschuhe aus, ließ aber die übrigen Teile des Schutzanzugs an. Er beugte sich zur Eingabetastatur und tastete einen Befehl ein. Jetzt würde sich zeigen, ob die Ortung gelungen war. Das Liniennetz auf dem Monitor war nun einem dreidimensionalen Koordinatennetz gewichen, in holografischer Darstellung perspektivisch wiedergegeben. Einige farbige Kugeln zeigten die Standorte der Sonne, der Planeten, der Monde an, ein blinkender Punkt markierte jenen der Kapsel. Sie hing unbewegt, wie in einem Spinnennetz gefangen. Der Landung schien nichts im Wege zu stehen. Arvid tippte den Befehl für den automatisch gesteuerten Landeanflug ein. Einige Sekunden ohne Reaktion … Stille, dann ein kaum merklicher Ruck, die Kapsel drehte sich, schwenkte in eine andere Orientierung.

Über den Monitor des Ortungssystems liefen Schwankungen – kurze, zittrige Wellen im Regelmaß der Geometrie. Arvid stellte den Frequenzsucher ein, der grüne Punkt begann über die Skala zu wandern … hielt.

»… Sie haben den Zielpunkt verfehlt. Sie sind nicht im Orbit. Das ist eine Warnung: Sie haben den Zielpunkt verfehlt. Sie sind nicht im Orbit …«

Arvid blickte beunruhigt auf den Monitor, das Bild war wieder ruhig. Auch durch das Sichtfenster nichts Ungewöhnliches zu erkennen: der Planet nun am unteren rechten Rand, die Sonne außerhalb des Gesichtsfelds.

Ein anderer Sender, eine andere Stimme: »Willkommen auf Nathan 4! Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt! Bitte, melden Sie sich bei der Registratur – halten Sie die Papiere bereit!«

Knackende Geräusche aus dem Lautsprecher, dann ging die Stimme in einem Prasseln unter. Die grüne Anzeige des Frequenzsuchers wanderte weiter … fand einen anderen Sender.

»Sperrzone – Aufenthalt verboten! Entfernen Sie sich unverzüglich! Verwenden Sie die Hyperraumschleuse. Das ist ein Befehl: Sperrzone – Aufenthalt verboten! …«

Arvid schüttelte den Kopf. Er hob das Mikrofon an den Mund, schaltete auf »Sendung«.

»Hier Arvid Siger, Transmissionsfähre 5, Kennzahl 16003. Können Sie mich verstehen? Over!«

Keine Reaktion, die Stimme sprach unbeirrt weiter: »… verlassen Sie unverzüglich diesen Distrikt! Sie befinden sich in militärischem Sperrgebiet! Sie machen sich strafbar …«

Arvid versuchte es noch einmal: »Hier Arvid Siger. Ich bin avisiert. Geben Sie Landeerlaubnis! Ist Ihr Peilsender in Funktion? Over!«

Er wartete eine Weile auf Antwort – vergeblich. Dann versuchte er, einen der anderen Sender wiederzufinden … irgendjemand musste ihm doch antworten! Kurze Zeit hörte er Musik, dann eine Art Rezitation in einer Sprache, die er nicht verstand. Folgen wechselnder Töne, kurze Pfeifzeichen – eine codierte Nachricht? Die Stimmen zweier Frauen, die in einer Art Wechselrede Lyrik verlasen. Unwillkürlich dachte Arvid über den Autor nach, doch er fand keine Antwort.

Die Stimmen wurden leiser, unhörbar. Dann wieder die Stimme von vorhin: »Ändern Sie Ihren Kurs! Sie nähern sich einem Meteoritengürtel! Benutzen Sie Ihr Notaggregat! Legen Sie die Schutzanzüge an! Schnallen Sie sich fest! Achtung, Achtung – das ist eine Warnung! …«

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