Es war eine weite Strecke die ich fahren musste, gut zweitausend Kilometer über Graz, Zagreb, die Mittelmeerküste runter bis Alexandroupolis in Griechenland und dann Richtung Malkara in der Türkei. In Ipsala hatte ich dann vor, das Gerücht über die angebliche Suche zu verbreiten.
Entweder es klappt oder auch nicht, aber ich musste etwas tun und wenn es auch nur die viertausend Kilometer waren die ich fahren musste.
Ich hatte einen eingefahrenen Tagesablauf: fahren, essen, schlafen und alles wieder von vorne. Am Tag schaffte ich so um die achthundert Kilometer, das machte zwei und einen halben Tag bis ich unten war. Nach der Ankunft habe ich bei Tankstellen, Gaststätten und Hotels herum gefragt und die teilweise erfundene Story erzählt. Dass ich den Lumpen unbedingt finden muss, weil es mein Geld war und ich ohne das Geld pleite war, was ja auch stimmte. Um es glaubhafter zu machen, habe ich einen Finderlohn versprochen und hatte Zettel mit meiner falschen Adresse und Telefonnummer verteilt. Mir war klar, dass selbst wenn man den Übeltäter erwischte, das Geld nicht heraus gerückt werden würden. Als ich alle interessante Orte abgeklappert hatte, machte ich mich am späten Nachmittag wieder auf den Rückweg, habe dann noch am Mittelmeer einen kurzen Stopp gemacht, um etwas zu baden und mich zu erholen, bevor ich dann weiter fuhr.
Gut eine Woche später fuhr ich wieder am Krankenhaus vor und ging zum Zimmer von Clemens. Hier auf dem Flur wurde ich auch gleich von der Stationsschwester, diesmal war es eine andere, aufgehalten. Sie teilte mir mit, dass Clemens nicht mehr auf der Intensiv lag, sondern nach unten in die normale Station gebracht wurde. Also kehre ich um und ging zwei Etagen tiefer und siehe da, lag er doch in einem schönen sonnendurchfluteten Zimmer mit Blick auf den Wald.
»Guten Tag Clemens, wie ich sehe, geht es dir wieder gut«, sagte ich beim Eintreten. Er lag nicht alleine im Zimmer, es war noch ein anderer Patient da.
»Hi Kalle, ja es geht mir wieder gut. Wie war es denn bei dir?«.
Ich setzte mich auf die Bettkante und erzählte ihn von der Odyssee in die Türkei.
»Da hast du ja eine Mammut Tour hinter dir, mal so locker viertausend Kilometer fahren. Bis Du kaputt?«, fragte er mich.
»Na ja, es geht. Aber ein paar Tage Ruhe könnten mir schon gut tun.«
»Ja mach das. Fahr nach Hause. Ich fahre sowieso wenn ich entlassen werde auch nach Hause. Da brauchst du nicht hier rum zu hängen.«
»Dann werde ich alles zurückrufen und die Botschaften informieren, verkaufe den Wagen und die Ausrüstung und überweise dir die Hälfte vom Geld«, schlug ich vor.
»Gut, mach das. Ich werde mich auch bei dir melden, wenn ich wieder zu Hause bin. Also los, düse ab und eine gute Fahrt. Grüß mir Deine Frau.«
»Ja Danke. Tschüss Clemens. Schnelle Genesung und bis bald vielleicht«, sagte ich und stand auf.
»Tschüss Kalle«, sagte er.
Ich ging nach unten, aus dem Krankenhaus raus und zum Auto, um nach Hause zu fahren.
Vorher rief ich aber noch bei meiner Frau an und erzählte ihr, was alles passiert war und das ich jetzt auf dem Wege nach Hause sei. Von Rene haben wir nie wieder etwas gehört, das Geld haben wir natürlich auch nie mehr gesehen. Clemens fuhr, als er entlassen wurde, wieder nach Österreich zurück und ist nie mehr zur See gefahren. Er hat sich einen Job an Land gesucht. Auch ihn hat der Verrat hart getroffen.
Ein lauwarmer Wind weht über meinen Körper und ich höre die Wellen an die Bordwand unserer Yacht schlagen. Unser Boot, die Sea King , schaukelt leicht in der Dünung und macht mich schläfrig. Ich liege auf dem Sonnendeck und genieße die untergehende Sonne. Es ist zwanzig Uhr und die Sonne geht als feuerroter Ball langsam hinter dem Horizont unter.
»Carlo, möchtest du auch ein paar Scambis zum Abendbrot?«, höre ich Eva, meine Frau, aus der Kombüse rufen.
»Ja gern. In Knoblauchsoße und mit einem Weißwein dazu?«, frage ich zurück.
»Ja klar.« Ich räkele mich noch ein wenig auf der Sonnenliege, bevor ich mich faul aufraffe, um nach unten zu gehen und mir etwas anzuziehen.
»Schatz, essen wir oben an Deck?«, frage ich Eva auf dem Weg zu unserer Kabine.
»Ja, ist doch noch sehr warm«, antwortet sie mir. Ich geh in unsere Kabine und ziehe mich an. Es ist sehr angenehm hier unten, durch die Klimaanlage wird die Temperatur immer auf gleichbleibende dreiundzwanzig Grad gehalten. Ich schaue mich im Spiegel an, ich sehe einen sportlichen einmeterfünfundsiebzig großen, braungebrannten Kerl mit grauen Haaren. Die weiße Leinenhose und das weiße Hemd unterstrichen noch die braune Hautfarbe. Zufrieden nickend gehe ich nach oben an Deck. Hier hat Eva schon alles auf dem Tisch vorbereitet und wartet auf mich. Ich schaue sie an und lächele glücklich. Vor mir sitzt eine schlanke, einmetersiebzig große, braungebrannte Frau mit blauen strahlenden Augen und langen schwarzen Haaren.
»Was schaust du mich so an«, fragt sie mich aus meinen Gedanken reißend.
»Ich habe mir gerade gedacht, was sieht sie doch wieder gut aus.«
»Du Chameur du, lass das jetzt und setz dich endlich hin, ich habe Hunger«, sagt sie lachend.
Es ist einfach schön hier auf dem Meer, alleine mit seiner schönen Frau, etwas Leckerem zu essen und seinen Lieblingswein trinkend und die Yacht wiegt träge im Wellengang. Wir liegen mit der Yacht ein paar Seemeilen vor Capo Teulada auf Sardinien, hier ist ein wunderschönes Tauchrevier, ein Sport, dem wir uns beide verschrieben haben.
Wir genießen unser Abendessen, den Wein und die Ruhe.
»Hast du heute Abend Lust auf ein Spielchen?«, fragt mich Eva.
»Da kommt es aber darauf an, was du mit mir spielen willst«, antwortete ich ihr augenzwinkernd.
»Na, na Seemann! Mal nicht so frech. Das kommt später dran. Ich meine ein Kartenspiel, oder hast du Angst gegen mich zu verlieren?«
»Gegen dich verliere ich gern, mein Schatz. Es ist immer so schön dir unterlegen zu sein«, setzte ich unser Wortspiel lachend fort.
»Ach, wenn du das meinst, bin ich ab und zu aber auch ganz gern der Verlierer. Aber was sagst du denn jetzt erst einmal zu einem Kartenspiel?«
»Ja gut. Dann werde ich dir mal beim abräumen helfen und die Karten holen«, sage ich und stehe auf. Wir bringen alles in die Kombüse, ich hole die Spielkarten aus dem Schrank und gehe, mit zwei Gläsern Wasser in der Hand, wieder nach oben. Als wir alles beisammen haben, teilt sie die Karten aus und wir beginnen unser Spiel. Wir spielen bis dreiundzwanzig Uhr und ziehen uns dann in unsere Kabine zurück. Nicht, ohne vorher noch das Schiffswarngerät am Radar einzustellen, das uns bei Schiffsannäherung unter zwei Meilen alarmieren würde, und den Anker noch mal überprüft zu haben,
ob er auch fest sitzt. In der Kabine setzen wir unser gemeinsames Spiel fort, bis wir ziemlich müde in unser Bett gehen und einschlafen.
Ein lauter, auf und ab schwellender Ton weckt mich aus meinem Tiefschlaf. Ich wusste sofort, dass es das Annäherungsradar ist und springe aus der Koje. Auch Eva ist wach geworden, setzt sich auf und schaut auf die Uhr.
»Carlo, wer fährt um diese Zeit hier herum? Es ist vier Uhr morgens und noch dunkel. Hast du die Positionslampen angemacht?«
»Na klar, sind doch auf Automatik geschaltet. Ich schau mal nach.«
Schon während des Gespräches habe ich mir eine Hose übergezogen und die Tür geöffnet. Jetzt laufe ich den Niedergang hoch in den Steuerstand und schaue mich um. Es war, wie Eva schon gesagt hat, noch dunkel. Mit der linken Hand schalte ich den Ton aus und mit der rechten Hand hole ich mir meine Pistole aus dem Versteck unter dem Steuerstand hervor. Ich konnte auf dem Wasser nichts erkennen und schaue auf das Radar.
Ein kleiner Punkt nähert sich vom offenen Meer her unserer Yacht von Backbord. Ich greif zum Dachstrahler und bringe ihn in Position, dann schalte ich ihn ein. Der starke Lichtstrahl gleitet über das Wasser und fällt auf ein kleines Kajütenmotorboot, das ohne Licht in unsere Richtung fährt. Auch, nachdem ich das Boot angestrahlt habe, tut sich dort nichts. Sie steuern genau auf uns zu und sind gerade mal noch ein paar hundert Meter von uns entfernt. Sofort setze ich die Ankerwinde in Betrieb und hole den Anker elektrisch ein, starte die Schiffsmotoren und gebe ein Hupsignal ab. Eva kommt den Niedergang hoch und schaut sich besorgt das Schauspiel an.
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