Auf dem Übungsplatz angekommen, ließ sie sich ins Gras fallen und Deaken reichte mir ein Schwert.
Er zog sein Eigenes und nahm Aufstellung. „Bereit?“, fragte er und hob die Waffe.
„Nicht wirklich“, antwortete ich, hob meine diesmal aber auch. Er machte einen Ausfallschritt nach vorn und ich wich automatisch zurück. Dann holte er aus und ließ sein Schwert auf mich niederfahren. Gleichzeitig machte er einen zweiten Schritt, um näher an mich heranzukommen. Wieder wich ich nur aus.
„Fay“, stöhnte Lia genervt. „Du musst schon mitmachen.“
Ich warf ihr einen ebenfalls genervten Blick zu und parierte einen Moment später Deakens Klinge.
„Ach. Unerwartete Schläge kannst du also abblocken“, stellte er fest und grinste.
„Das war gemein“, murrte ich und warf ihm einen bösen Blick zu.
„Das war gut“, meinte er und deutete mit seinem Schwert auf meins. „Wirklich. Gut geblockt. Los, noch mal“, sagte er und griff wieder unerwartet an. Ich blockte jeden Schlag und jeder kam aus einer anderen Richtung. Unerwartet konnte er gut. Doch irgendwann fiel mir ein Muster auf und wie von selbst schaltete mein Gehirn auf Ausweichen. Er führte noch drei Schläge, dann hielt er inne und musterte mich.
Sein Atem ging nur ein wenig schwerer. „Mhh“, grübelte er und sah mich einfach weiter an.
„Was?“, fragte ich, als hätte er mich zurechtgewiesen, obwohl ich gar nichts getan hatte.
„Du hast eine gute Auffassungsgabe“, meinte er.
„Ehm. Danke?“ Wie kam er jetzt da drauf?
Er grinste, als könne er die Frage auf meinem Gesicht lesen. „Ich meinte damit, dass du schnell durchschaut hast, was ich vorhabe.“
„Stimmt, habe ich. Und?“
„Na ja. Du hast sofort aufgehört zu blocken, als du meinen nächsten Schlag erahnen konntest.“
„Und?“ Meine Stimme wurde genervter.
„Nur weil du weißt, was ich als Nächstes tun werde, heißt das nicht, dass du aufhören solltest zu kämpfen. Du kannst das Wissen nutzen und mich ausschalten.“
„Ich habe nicht vor dich auszuschalten“, gab ich ihm zurück und verzog das Gesicht.
„Dann eben deinen Gegner. Los, wir probieren das noch mal.“ Damit ging er wieder unerwartet auf mich los und wieder blockte ich nur so lange, bis ich voraussehen konnte, was er tun würde. Mein Kopf schaltete um und ich wich aus.
Er hielt inne. „Fay“, seufzte er und ließ das Schwert sinken.
„Was denn? Ich mache das nicht mit Absicht. Es passiert einfach“, versuchte ich eine Rechtfertigung. „Außerdem weiß ich gar nicht, wie ich es nutzen soll, dass ich weiß, was du tun wirst. Ich kann doch nicht wahllos auf dich einschlagen.“
„Warum denn nicht?“, wollte er wissen und legte den Kopf schief.
„Na, gibt’s beim Schwertkampf nicht Regeln, oder so?“
Er lachte auf. „Sicher. Wenn es ein kontrollierter Kampf ist. Das sind aber die Wenigsten. Meistens ist es nur hauen und stechen.“
„Das sieht aber nicht so aus.“ Ich hatte schon ältere Schüler trainieren sehen und das sah immer danach aus, als würden sie bestimmte Schläge oder Stellungen üben.
„Du meinst die Oberstufenübungskämpfe?“
„Jepp.“
Er trat näher. „Das sind Übungs kämpfe. Es sind Schlagfolgen, die man einstudieren kann und Bewegungsabläufe, die einem hilfreich sein können. Aber das ist nicht wie ich kämpfe.“
„Nicht?“
„Nein. Ich kann das natürlich alles und ich werde es auch dir beibringen. Aber am besten lernt man etwas, wenn man ins kalte Wasser geworfen wird. Und du bist dafür ja der beste Beweis.“
Mehr als einen verständnislosen Blick hatte ich nicht für ihn.
„Wenn ich dich einfach angreife, ohne Vorbereitung und ohne dass du weißt, dass ich es tun werde, blockst du perfekt ab. Du bist eine ich werfe sie ins kalte Wasser - Kandidatin .“
„Na danke auch. Was hättest du getan, wenn ich keine wäre?“
„Dann hätten wir mit den Schlagfolgen und dem ganzen Kram weitergemacht. Ich dachte aber, ich teste es erst mal aus.“ Er grinste.
„Prima. Wie nett von dir“, entgegnete ich ihm bissig und verzog das Gesicht.
„Jetzt müssen wir dich nur noch dazu kriegen, dass du dich auch wehrst und nicht nur abblockst.“ Er musterte mich einen Moment, als überlegte er, wie er das hinbekommen konnte. Lia sprang auf und kam zu uns. Sie zupfte ihm am Ärmel und er beugte sich, damit sie ihm etwas ins Ohr flüstern konnte. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen und er erhob sich wieder. Dann verschwand er kurz und kehrte mit einem dritten und kleineren Schwert zurück.
Er hielt es ihr hin, sprach aber zu mir: „Mach eine Pause, Fay und schau hin was ich damit meine, wenn ich sage, du sollst dich wehren.“ Was hatte er vor? Wollte er sich mit Lia schlagen?
Aber sie konnte genauso wenig mit dem Schwert umgehen wie ich.
„Was soll das, Deaken!“, fuhr ich ihn an. „Lia ist zu klein dafür!“ Er würde sie in Stücke hauen. Sie hätte ja nicht mal genug Kraft, um seine Schläge zu blocken.
„Lia möchte es ausprobieren und sie ist gewillt, sich auch zu verteidigen.“
„Stimmt“, sagte sie und streckte mir die Zunge raus. Sie hatte das Schwert schon gezogen und trotz dass es kleiner war als meins, konnte ich sehen, dass sie Mühe hatte es zu halten.
„Lia! Das ist zu gefährlich!“
„Ist es nicht. Deak passt schon auf“, entgegnete sie trotzig und ging ein Stück weiter mittig auf den Platz. Sie hob das Schwert mühsam an und lächelte zu uns herüber.
Deaken hatte ihr nachgeschaut, wie sie davon gestiefelt war und wandte sich nun wieder mir zu. „Willst du zugucken oder lieber die Hände vor die Augen halten?“, fragte er neckisch spitz.
„Tu ihr weh und du bist tot!“, fauchte ich und stieß ihm den Finger hart vor die Brust. Er hielt sich die Stelle, grinste und formte mit dem Mund ein lautloses Au . Dann wandte ich mich ab und lief zum Rand des Platzes, wo Lia zuvor gesessen hatte. Allerdings blieb ich stehen. Sie und Deaken nahmen Aufstellung und meine kleine Schwester grinste noch mal zu mir herüber. Sie freute sich offensichtlich über die Chance, das Schwert schwingen zu dürfen. Dann griff er an und mir stockte der Atem.
7
Deaken ging so heftig auf Lia los, dass mir der Mund aufklappte. Natürlich waren seine Schläge gegen mich auch hart gewesen, doch ich hatte den Eindruck, er hätte bei Lia eine Schippe drauf gelegt. Sie parierte den ersten Schlag und stolperte nach hinten. Ich musste mich zwingen nicht loszustürmen und ihr zu helfen. Es war eine Übung. Lia wollte nur wissen, wie es ist. Er würde ihr nicht wehtun. Abermals ließ er das Schwert auf die Kleine vor sich niederfahren und abermals taumelte sie, als sie gerade noch abblocken konnte. Deaken machte jedoch keine Anstalten aufzuhören. Er drang weiter und weiter auf sie ein und Lia wich immer weiter zurück. Sie konnte ihr Schwert kaum noch oben halten, denn seine Schläge raubten ihr die Kraft. Jedes Mal wenn sie erneut blocken musste, kam seine Klinge ihr näher.
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