Jetzt endlich schien er zu bemerken, dass er sich seltsam verhielt. „Entschuldige. Du glaubst nur gar nicht, wie erleichtert ich bin.“
„Ehm, doch. Stell dir vor, man sieht es dir an.“ Ich grinste zu ihm hoch und er grinste zurück. Dann kam er herunter und ganz nah vor mein Gesicht. Mir stockte der Atem, als ich seinen spürte. Wieder grinste er, dann hob er den Kopf etwas und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
So schnell wie er da gewesen war, war er wieder weg und ging zur Tür. „Komm runter zum Frühstück. Dann trainieren wir“, sagte er mit einem umwerfenden Lächeln und verschwand. Für einen Moment konnte ich mich nicht rühren und brauchte sogar ein paar Sekunden, um mich zu erinnern, wie man atmete. Dann keuchte ich leicht, um Sauerstoff in meine Lungen zu bekommen. Hatte er das gerade wirklich getan? Ein Kuss?
Okay nur auf die Stirn, aber trotzdem von meinem Professor für Magie. Der wirklich nicht schlecht aussah und einer der nettesten Typen war, die ich kannte, auch wenn das nicht viele waren. Welcher Lehrer macht denn so was? Warum tat er es überhaupt?
Ich wurde das Gefühl nicht los, dass dieses mehr Interess e von ihm wirklich da war. Dummerweise hatte ich keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte, wenn es sich denn bewahrheiten würde.
6
Lia und er saßen schon an unserem Stammtisch, doch nur meine Schwester hatte etwas zu essen vor sich stehen. Deaken, eine Tasse Kaffee in der Hand, beobachtete sie dabei, wie sie sich umständlich ein Brötchen mit Marmelade bestrich, dann glitt sein Blick zu mir. Ich machte einen Bogen an der Ausgabe vorbei und holte mir ebenfalls ein Brötchen und Schokoaufstrich dazu. Bei den beiden angekommen umrundete ich seinen Stuhl und ließ mich auf meinen angestammten Platz fallen.
Lia warf mir einen seltsamen Blick zu, dann fragte sie geradeheraus: „Heute stinkt er wohl nicht?“
Deaken prustete los. Der Schluck Kaffee, den er gerade hatte trinken wollen, verteilte sich über den Tisch und ging knapp an Lia vorbei. Sie verzog ein wenig angeekelt das Gesicht und rutschte etwas weiter zur Seite, wobei sie ihren Teller mitnahm. Ich konnte sie nur fassungslos anstarren. Deaken hatte kurz Mühe sich wieder einzukriegen, wischte sich den Kaffee vom Mund und grinste dann breit zu mir. Mein Blick glitt zu ihm, doch sagen konnte ich nichts, während mein Mund sich lautlos öffnete und wieder schloss.
Er musterte meinen Ausdruck und feixte noch immer, als er schließlich aufstand und meinte: „Ich hole mal was zum Aufwischen und einen neuen Kaffee, willst du auch einen?“ Er hatte seinen halb verschüttet, bei seinem kleinen Anfall eben.
„Ich, ehm, also, Latte bitte“, antwortete ich etwas kleinlauter als gewollt.
Er nickte und ging.
Mein Blick flog wieder zu Lia. „Spinnst du? Was war das denn?“
„Ich hab doch nur gefragt“, meinte sie unschuldig.
„Ja, vor ihm und diese Frage! Warum denn bitte?“
Sie verzog das Gesicht. „Weil ich es wissen wollte?“, antwortete sie kindlich fragend. „Außerdem weiß ich was, was du nicht weißt.“ Sie lächelte wissend, wie jemand der ein Geheimnis hatte, es nur zu gern sagen wollte, es aber trotzdem für sich behielt. Ich verdrehte nur die Augen und machte mich daran, mein Brötchen zu schmieren. Deaken kam zurück und stellte mir meinen Kaffee hin.
„Danke“, sagte ich und zog das Getränk zu mir, wobei ich sorgfältig darauf achtete, ihn nicht anzusehen oder versehentlich zu berühren. Wieder warf Lia mir einen seltsamen Blick zu und holte Luft.
„Sei bloß still!“, knurrte ich halblaut und sah sie böse an.
Sie schloss den Mund und stieß die Luft in einem murrendem Mhh aus. Mit ihren zehn Jahren wurde sie langsam ganz schön aufmüpfig. Deakens Blick glitt zwischen mir und ihr hin und her.
Er hatte sich inzwischen wieder gesetzt, lehnte sich nun zurück und blies in seinen neuen Kaffee. „Was verpasse ich hier gerade?“, wollte er wissen und ich konnte seinen Blick im Rücken spüren.
„Gar nichts“, sagte ich und warf ihm ein gekünsteltes Lächeln über die Schulter zu.
Sein Blick ging zurück zu Lia und er zog fragend die Augenbrauen hoch.
„Sie steht auf dich“, ließ meine kleine Schwester verlauten und tat so, als hätte sie gerade einfach mal die Zeit angesagt. Mein Blick schoss zu ihr und mein Mund klappte auf. Ich spürte förmlich, wie Deaken sich neben mir versteifte. Das Brötchen in meiner Hand war vergessen.
Eine endlos scheinende Weile herrschte Stille, dann schaute Lia unschuldig auf, von mir zu Deaken und zurück. „Was? Ist doch so“, sagte sie und tunkte den Rest ihres Brötchens in ihren Kakao. Unfähig irgendetwas zu erwidern starrte ich sie an. Deaken räusperte sich schließlich und lehnte sich leicht vor, blieb aber immer noch hinter mir und außerhalb meines Sichtfeldes. Ich bemerkte es nur, weil seine Stimme näher war und natürlich zuckte ich zusammen, als er sprach.
„Und du weißt das, weil?“, fragte er an meine kleine Schwester gewandt und auch wenn er es zu verbergen suchte, konnte ich heraushören, dass er es wirklich wissen wollte.
„Nur so ein Gefühl. Ach ja und natürlich, weil sie von dir redet.“
„Tu ich gar nicht!“, empörte ich mich, schaute dann aber entschuldigend zu ihm. „Also ich meine, schon. Aber nur wenn ich mich mit Lia unterhalte. Sie ist diejenige, die ständig nach dir fragt.“ Eine Rechtfertigung? Warum rechtfertige ich mich hier überhaupt?
„Ich rede ja auch nicht von unseren Unterhaltungen“, fügte Lia besserwisserisch an.
Deakens Gesicht spiegelte meine Verwirrung.
„Ich rede doch sonst mit keinem?“, brachte ich raus und versuchte zu verstehen, was sie meinte.
„Ich sagte auch nicht, dass du mit jemandem über ihn redest.“ Lia grinste verschlagen.
„Was?“ Meine Stimme glitt eine Tonlage höher. Ich verstand nur Bahnhof.
„Fay führt Selbstgespräche?“, grinste Deaken und warf mir einen schelmischen Blick zu.
„Tu ich gar nicht!“
„Tut sie nicht. Aber sie träumt. Und das anscheinend viel von dir.“ Lia grinste wieder breit und hämisch. Offensichtlich zufrieden mit sich. Ach du heilige ... Was hatte sie gehört? Wann? Und wie? Unsere Zimmer lagen zwar nah beieinander, doch sie hätte über den Flur zu mir kommen müssen und in mein Zimmer rein und dann hätte ich sie doch mitbekommen?
Ich spürte mein Gesicht heiß werden und Deakens Blick auf mir. Was sollte ich jetzt tun? Aufspringen und davonlaufen? Nein, das wäre albern und damit würde ich ja beweisen, dass sie recht hatte. Lachen und sagen, dass sie spinnt? Nein, das würde nicht echt rüberkommen. Es einfach übergehen und einen Scherz auf ihre Kosten machen? Aber es war kein Scherz von ihr gewesen. Verdammt! Sie hatte recht. Ich hatte von Deaken geträumt. Schon öfter und, na ja, auch schon heißer. Himmel, er war ja auch heiß, was machte ich mir vor. Aber er war eben auch ein Prof. Meiner. Das ginge nicht. Ich wüsste nicht mal wie.
Aber seine Augen. Sein Lächeln. Die Art wie er meinen Namen sagte . Und da waren sie wieder, die Schmetterlinge. Aber diesmal waren es zu viele und nun sprang ich doch auf. Ohne ein Wort lief in Richtung Mädchenklo. So viel zum Thema Frühstück.
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