1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 „Ich gebe dir mein Ehrenwort, dass ich niemandem was davon sage“, meinte er und hob beide Hände zum Zeichen des Friedens.
„Mhh.“ Ich presste die Lippen zusammen.
„Weißt du, ich bin durchaus mit dir einer Meinung, wenn du sagst, dass Hüter auch zusammenarbeiten können.“
„Ach?“
„Klar. Ist doch altmodisch zu denken, wir müssten uns bekriegen, nur weil unsere Anders-Welten es möglicherweise tun.“
„Stimmt. Aber was wenn sie es tun? Dann hast du möglicherweise Informationen über meine, die mir über deine fehlen?“
Er schwieg und musterte mein Gesicht dabei gründlich, dann trat er zurück. „Vielleicht hast du recht. Entschuldige. Ich wollte nur nett sein. Eigentlich dachte ich, wir könnten so was wie eine neue Generation Hüter werden. Ich dachte, du willst das vielleicht auch? Wir müssen aber keine Feinde sein.“
Auch ich musterte ihn offen und sah, dass er es ernst meinte, dann seufzte ich. „Du hast ja recht. Nur bist du der Erste, der das auch so sieht.“
„Irgendwer muss ja mal den Anfang machen.“ Wieder grinste er. „Ich verspreche dir, nichts gegen dich zu verwenden und wenn ich was über meine Anders-Welt erfahre, werde ich es dir auch sagen und zeigen. Ich finde es echt interessant, auch von anderen Welten zu lernen. Es könnte uns in unserer Eigenen hilfreich sein.“
„Könnte sein.“ Ich machte einen Schritt zur Seite und bedeutete ihm so, dass er näherkommen durfte. Vielleicht war es ein Fehler. Vielleicht aber hatte ich ihn Dyllan auch einen Verbündeten gefunden.
5
Wir blieben noch die halbe Nacht in der Bibliothek. Teils studierten wir die Karte, teils unterhielten wir uns einfach. Dyllan wollte gern wissen, wie es dazu gekommen war, dass Lia und ich im Internat lebten und erzählte mir im Gegenzug seine Geschichte.
Er war als Baby schon zur Adoption freigegeben worden und hatte seitdem in ein und demselben Heim gelebt. Aus irgendeinem Grund hatte sich nie eine Familie für ihn gefunden. Eines Tages kam dann Professor White und holte ihn nach Weave. Den Erziehern dort hatte man gesagt, es sei ein Heim für schwer vermittelbare Kinder und dass er auf Weave viel mehr Möglichkeiten haben würde, in eine Familie zu kommen. Wie Lia und mir hatte man ihm allerdings von Anfang an alles über die magische Welt erzählt. Er war einer derjenigen, die am längsten hier lebten.
„Nächstes Frühjahr werde ich 18. Dann sind es genau zehn Jahre“, erklärte er. Er half mir auch, nach dem fehlenden Tagebuch zu suchen, doch wir konnten es nicht finden. Irgendwann wurde ich müde und wir machten uns auf den Weg zurück in unseren Flügel des Hauses. Der Aufenthaltsraum war mittlerweile komplett leer, es war aber auch schon irgendwann gegen 1 Uhr morgens, also verabschiedeten und trennten wir uns im ersten Stock. In meinem Zimmer angekommen, warf ich mich komplett angezogen aufs Bett und schlief sofort ein.
Ich träumte wirres Zeug von Monstern, die sich gegenseitig mit Kartenköchern schlugen und war sogar etwas erleichtert, als mich ein Klopfen an der Tür weckte und ich so bemerkte, dass es nur ein Traum gewesen war. Ich rollte mich auf den Rücken und murrte ein ja , was den Klopfer hereinbat. Durch das Fenster sah ich, dass es noch früh am Morgen sein musste.
„Fay, steh auf! Los!“, forderte Lia mit lauter Stimme und kam aufs Bett gesprungen.
„Was? Warum denn? Hast du mal auf die Uhr geguckt? Es ist mitten in der Nacht!“, empörte ich mich und drehte mich wieder auf den Bauch.
„Hab ich und weiß ich. Los steh auf, du hast Kampftraining!“
Ich öffnete das eine Auge, was nicht vom Kissen verdeckt wurde und grummelte: „Ich habe was bitte?“
„Kampftraining. Komm schon, Deaken wartet draußen.“
„Sag ihm, ich habe keine Lust.“ Ich schloss das Auge wieder und vergrub das Gesicht komplett im Kissen.
„Sie hat keine Luhust“, rief Lia laut und ich erstarrte. Ich dachte, sie hatte mit draußen, ganz draußen gemeint und nicht, vor der Tür draußen. „Du kannst reinkommen. Sie hat was an“, kicherte sie und ein leises Lachen drang an mein Ohr. Mir wurde anders. Jetzt war er definitiv nicht mal mehr vor der Tür draußen . Ein Hüsteln brachte mich dazu, den Kopf abermals zu drehen und zur Tür zu spähen. Deaken stand, die Arme vor der Brust verschränkt, daneben an den Rahmen gelehnt und grinste. Dann verzog er das Gesicht und kniff ein Auge zusammen, als würde ihn Licht blenden.
Das Grinsen noch immer auf den Lippen sagte er: „Guten Morgen, auch.“
„Mhh“, mehr bekam er nicht als Antwort von mir, denn ich hatte mein Gesicht wieder im Kissen. Der spinnt wohl , dachte ich nur, angesichts seiner offensichtlichen Frühaufsteher-Natur. Um diese Zeit ein Kampftraining und auch noch am Wochenende?
Nicht mit mir! Lia rüttelte mich heftig und begann auf meinem Bett herumzuhüpfen.
„Ich glaube, sie will, dass du aufstehst“, meinte Deaken und ich konnte hören, wie er noch immer feixte.
„Ehrlich? Ich weiß gar nicht, wie du darauf kommst“, gab ich ihm zurück, nachdem ich mich abermals zur Seite gedreht hatte, damit Lia nicht auf mich drauf sprang.
Wieder lachte er. „Komm schon, Fay. Lass uns frühstücken und dann trainieren.“
„Ich glaube, ihr habt das immer noch nicht verstanden. Ich - will - nicht“, sagte ich und betonte jedes Wort extra.
„Doch haben wir. Du warst überdeutlich gestern. Aber du hast auch gehört, was May gesagt hat. Ich denke, auch sie hat ihren Standpunkt klargemacht.“
Ich erhob mich halb und stützte mich mit einem Arm ab. Lia hörte auf zu hüpfen und warf mir einen vorsichtigen Blick zu. Sie spürte, wenn ich wütend wurde und gerade wurde ich es.
„Was genau wäre die Konsequenz, wenn ich mich weiter weigere?“ Meine Stimme klang scharf und Lia schaute unbehaglich von mir zu Deaken und zurück. Sie sprang vom Bett und nahm etwas Abstand.
Er musterte mich einen Moment, bevor er antwortete. „Es gäbe sicherlich keine“, gab er dann zu und wandte den Blick zu Boden. „Was kann ich tun, damit du dich nicht weigerst?“, fragte er und schaute wieder auf. Allerdings mit demselben von unten nach oben Hundeblick wie gestern.
Blöde Schmetterlinge. Ich verzog das Gesicht. „Nichts.“ Damit ließ ich mich wieder fallen und zog mir die Decke bis über den Kopf.
„Lia, geh doch schon mal nach unten und such uns was fürs Frühstück aus“, bat Deaken nun und ich konnte hören, wie sie der Bitte nachkam und ging. Dann schloss sich meine Tür und halb hoffte ich, er wäre auch gegangen, doch dann hätte er Lia nicht darum gebeten, für uns etwas auszusuchen. Meine Matratze senkte sich ein Stück, als er sich auf der Bettkante niederließ, dann wurde die Decke sachte von meinem Gesicht gezogen. Ich fuhr mir mit den Händen durchs Haar, um wenigstens etwas passabel auszusehen und ließ sie dann auf meinem Gesicht liegen.
Durch sie grummelte ich: „Geh. Bitte. Ich will nicht. Ernsthaft. Egal was du tust, es wird mich nicht dazu bringen, aus diesem Bett aufzustehen und dich zu schlagen.“
Er lachte leise, dann spürte ich seine Hände auf meinen und er zog auch diese von meinem Gesicht weg. „Komm schon. Ich versichere dir, dass es nicht schlimm wird. Du wirst mich nicht mal treffen.“
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