Prochorowka, 9. Juli 1943
Leutnant Hans Naumann und seine Männer hatten noch einmal Glück gehabt. Am Morgen nach dem ersten Angriffstag bestand seine Panzerkompanie nur noch aus 5 Fahrzeugen. 9 waren wegen Motorbränden und defekten Seitenvorgelegen liegengeblieben, 4 durch die Russen zerstört worden. Dennoch hatten sie gemeinsam mit der Infanterie ihr Tagesziel erreichen können und hielten jetzt das Dorf besetzt. Auf ihrem Vormarsch hatte allein sein Panzer 4 T 34 vernichten können, die gesamte Kompanie 16 abgeschossen. Als Naumann über das hinter ihnen liegende Gefechtsfeld sah erblickte er noch viele Ruß Fackeln, Panzer brannten dort weiter aus. Für den heutigen Tag lautete ihr Befehl, das Dorf um jeden Preis zu halten, ihre Stellung würde die nördliche Flanke mit schützen.
„Wie stellen die sich das vor“ moserte Hummel, der Richtschütze „wir und die 8 Panzer IV sollen das Dorf halten? Das ist doch unmöglich. Wir haben doch selbst gesehen, wie viele Panzer die Russen in das Gefecht geworfen haben. So viel wir auch abschießen, immer wieder kommen neue. Die haben Panzer ohne Ende.“
Naumann nickte nur schwach. Alle hatten mitbekommen, dass die Russen Unmengen von Panzern um Kursk konzentriert hatten. Vielleicht könnte man derer noch Herr werden, da die Deutschen mehr vernichteten als die Russen ihrerseits. Aber am fünften Tag der Schlacht war es unübersehbar, dass die deutschen Verluste nicht ersetzt werden konnten und der Raumgewinn überhaupt nicht den Planungen entsprach. Das lag auch daran, dass die zögerliche Haltung Hitlers dem Feind viel Zeit eingeräumt hatte, sein Stellungssystem tief gestaffelt auszubauen. Dazu kamen Unzulänglichkeiten in der deutschen Waffentechnik. Die Panther, die als Speerspitze gedacht waren, fielen reihenweise wegen technischer Mängel aus, die Ferdinand wurden von Nahbekämpfern geknackt, da sie über keine MG Bewaffnung verfügten. Dass die Russen ihnen zahlenmäßig überlegen waren wusste Naumann, nicht aber, dass diese über doppelt so viele Panzer und Sturmgeschütze, dreimal so viele Flugzeuge, viereinhalb mal so viele Geschütze und über die zweieinhalbfache Anzahl von Soldaten als die Deutschen verfügten. Dennoch schlichen sich bei ihm erste Zweifel bei ihm ein, ob sie die Operation erfolgreich beenden könnten. In ihrer Stellung waren sie in der besseren Position als der Gegner, sie konnten ihn gedeckt bekämpfen und mussten nicht über das offene Feld vorgehen.
„Wir schaffen das schon“ sagte er zu seinen Männern „es wird Verstärkung nachgeführt werden und wir werden diesen Ort hier halten. Wir müssen heute noch durchhalten, dann ist das Schlimmste geschafft und wir treten wieder zum Vormarsch an.“
So selbst glaubte er nicht daran, aber er musste seinen Männern neuen Mut geben. Noch war es in ihrem Abschnitt ruhig, aber das fortlaufende Donnern von Geschützen zeigte an, wie verbissen gekämpft wurde. Über dem Gefechtsfeld fanden Luftkämpfe statt, ab und an schmierte eine Maschine brennend ab, Bomberformationen zogen über sie hinweg und warfen ihre Last auf nicht weit entfernte Ziele ab. Hans Naumann rechnete ihre Chancen durch, den Befehl erfüllen zu können. Trotz der nicht sonderlich günstigen Bedingungen bestand die Möglichkeit, die Russen bei einem Angriff zu stoppen. Die Panther hatten eindrucksvoll ihre Treffgenauigkeit und die Durchschlagskraft ihrer Granaten bewiesen, die weniger effektiven Panzer IV ebenfalls etliche T 34 abgeschossen. Die 5 Panther waren in Absprache mit dem anderen Panzerkompaniechef in der erwarteten Angriffsrichtung der Russen postiert worden, die 8 Panzer IV sollten die Flanken decken. Naumann hatte seinen Panther hinter der Mauer eines zerschossenen Hauses Aufstellung nehmen lassen, aber so, dass der Richtschütze ausreichendes Sichtfeld hatte und der Schwenkbereich des Turmes nicht eingeschränkt war. Bis auf den Funker, der im Panzer vor seinem Gerät hockte, saßen die Männer an das Schachtellaufwerk gelehnt auf dem Boden, alle rauchten. Ihre Gesichter waren immer noch mit Spuren der Pulverdämpfe überzogen, der einzige Brunnen in dem kleinen Dorf war durch die Explosion einer Granate verschüttet worden. Wenigstens waren ihre Feldflaschen gefüllt und auch noch Verpflegung vorhanden.
„Vielleicht kommen sie heute gar nicht“ meinte der Ladeschütze.
„Das glaubst du doch selber nicht“ erwiderte der Fahrer „die werden doch versuchen, uns möglichst früh aufzuhalten, so dass wir den Kessel nicht schließen können.“
Leutnant Hans Naumann stimmte dem gedanklich zu. Es bedurfte keiner großartigen strategischen Fähigkeiten zu erkennen, dass die geplante Einkesselung der russischen Truppen fehlschlagen würde, denn am heutigen fünften Tag der Operation sollte der Ring um den Gegner eigentlich schon geschlossen sein. Die vorgesehene Offensive, die den deutschen Streitkräften wieder Schwung geben und den Weg nach Osten öffnen sollte, war seiner Meinung nach schon im Ansatz stecken geblieben und das hieß, dass sie erneut in die Defensive gedrängt werden würden und es nur noch darum gehen konnte, den Feind möglichst stark zu dezimieren. Naumann ahnte, dass die Russen weiter rücksichtslos gegen die Deutschen anrennen würden und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie vor ihnen auftauchen würden. Er stand auf und betrachtete nochmals die vor ihm liegende Gegend. Es war günstiges Panzergelände, flach, ohne Bewuchs. Hier konnten die Panther ihre Stärke ausspielen: Feuerkampf auf große Entfernung. Er war sich sicher, dass es ihnen gelingen würde, die Russen zu stoppen, auch wenn sie selbst in der Unterzahl waren. Naumann ging zur offenen Luke des Funkers, dieser hatte die Kopfhörer auf und sagte:
„Nichts, keine Befehle, keine Meldungen.“
Eine Stunde später überflog eine russische Maschine die Gegend, kreiste eine Weile und drehte dann wieder ab.
„Jetzt wird es bald losgehen“ sagte Naumann zu seinen Männern „zu den Maschinen.“
Es war klar gewesen, dass die Russen das Dorf zurückerobern wollten, es bildete einen strategisch wichtigen Punkt. Insgesamt waren 43 T 34 und 5 IS 2 dorthin in Marsch gesetzt worden. Ob die wenigen deutschen Panzer ihnen standhalten konnten war ungewiss. Zwar befanden sich die Panther und die Panzer IV in der günstigeren Position, aber allein die Masse der vorrückenden russischen Panzer könnte sie überrennen. Naumann beobachtete das Gelände durch sein Fernglas, dann sah er die ersten gegnerischen Fahrzeuge in noch großer Entfernung auftauchen.
„Feind in 4 Uhr, Entfernung 4.000 Meter“ sagte er in sein Kehlkopfmikrofon „Feueröffnung auf 2.000 Meter.“
Feuerdisziplin war schon immer eine Stärke der Deutschen gewesen und auch diesmal fiel der erste Schuss erst dann, als die T 34 auf wirksame Entfernung herangekommen waren. Schlagartig standen 4 Panzer in Flammen, aber die anderen rückten schnell weiter vor. Die Ladeschützen in den deutschen Fahrzeugen wuchteten eine Granate nach der anderen in die Rohre und die sich öffnenden Geschützverschlüsse spuckten die noch qualmenden Kartuschen aus. Weitere 6 russische Panzer wurden getroffen aber auch zwei Panzer IV und ein Panther explodierten. Naumanns Richtschütze hatte bereits 3 T34 vernichten können und visierte gerade ein anderes Fahrzeug an, als ein mächtiger Schlag gegen die rechte vordere Seite krachte.
„Schäden“ fragte Naumann erregt.
„Kettentreffer“ antwortete der Fahrer „vermutlich gerissen.“
„Probier‘ aus ob was ist“ befahl der Kommandant.
Der Panzer ruckte an und zog sofort nach links.
„Kette läuft ab“ schrie der Fahrer zurück.
Währenddessen hatte der Richtschütze weiter gefeuert und noch einen T 34 treffen können. 16 russische Panzer standen brennend vor der deutschen Verteidigungslinie, aber die übrigen hatten sich geteilt und waren schnell rechts und links an dem Dorf vorbeigezogen.
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