Frank Hille - Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 15

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Martin Haberkorn fährt als Kommandantenschüler auf einem Typ IX Atlantikboot und gerät in eine hartnäckige Attacke durch einen Zerstörer. Fast sieht es so aus, als müsste das Boot nach einer langen Wasserbombenverfolgung aufgeben, aber die Männer kommen noch einmal davon. Günther Weber und seiner Kompanie glückt der Ausbruch aus dem Kessel von Borissowka, aber die Sowjets treiben die Deutschen weiter vor sich her. Als Weber mit seinen Männern und anderen versprengten Einheiten in einem eigentlich unbedeutenden Ort Stellung beziehen müssen ahnt er, dass sie für den Schutz des Rückzuges anderer Einheiten geopfert werden sollen. Auch Fred Beyer muss feststellen, dass die Ostfront in ihrem Bereich ins Rutschen gekommen ist, und die Sowjets alle Kräfte auf die Wiedereroberung von Charkow konzentrieren. Während die Deutschen mit schwachen und zermürbten Truppen versuchen neue Auffanglinien zu organisieren, machen sich im Osten frische Einheiten der Russen auf den Weg ins Kampfgebiet.

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Impressum

Drei Musketiere

Eine verlorene Jugend im Krieg

Band 15

1943

Copyright: © 2018 Frank Hille

Published by: epubli GmbH, Berlin

www. epubli.de

Martin Haberkorn, 3. August 1943, Atlantik

Günther Weber, 4. August 1943, bei Borissowka/Gruzskoje

Fred Beyer, 4. August 1943, bei Tomarowka

Martin Haberkorn, 4. August 1943, Atlantik

Günther Weber, 4. August 1943, nach Veterinarne

Martin Haberkorn, 5. August 1943, Atlantik

Fred Beyer, 5. August 1943, bei Prudjanka

Günther Weber, 5. August 1943, Veterinarne

Martin Haberkorn, 5. August 1943, Atlantik

Fred Beyer, 5. August 1943, bei Prudjanka

Günther Weber, 5. August 1943, Veterinarne

Martin Haberkorn, 5. August 1943, Atlantik

Fred Beyer, 5. August 1943, bei Prudjanka

Martin Haberkorn, 5. August 1943, Atlantik

Günther Weber, 6. August 1943, Veterinarne

Fred Beyer, 6. August 1943, bei Prudjanka

Martin Haberkorn, 6. August 1943, Atlantik

Günther Weber, 6. August 1943, vor Charkow

Martin Haberkorn, 3. August 1943, Atlantik

Martin Haberkorn merkte, dass er am ganzen Körper zitterte. Aber nicht sein Körper, sondern seine Nerven drohten zu versagen. Er hatte schon einige gefährliche Unternehmungen im U-Boot und entsprechende belastende Erlebnisse hinter sich, aber diesmal war er fast so weit, mit seinem Leben abzuschließen. Es war jetzt 4 Uhr 28. Gestern war das Boot gegen 19 Uhr vor einem anlaufenden Zerstörer weggetaucht, und gegen 4 Uhr an diesem Morgen kurz aufgetaucht, um dem Gegner eventuell über Wasser entkommen zu können und die Batterien aufzuladen. Beides hatte nicht funktioniert, der ihnen mit Höchstfahrt folgende Zerstörer hatte sie schnell wieder unter Wasser gedrückt und die Verfolgung erneut aufgenommen. Die vom Boot über Wasser mit AK laufenden Dieseln zurückgelegte Strecke hatte ihnen 10 Minuten Ladezeit gebracht und wenigstens wieder etwas Batteriekapazität verschafft. So über den Daumen gepeilt schätzte Haberkorn, dass sie in Abhängigkeit von den gewählten Fahrtstufen vielleicht um die 45 Minuten mit den E-Maschinen fahren könnten. Erschwerend zu der ganzen Situation kam hinzu, dass es einige kleinere Leckagen gab, die ständig Wasser in den Bootskörper eindringen ließen. Selbst einem erfahrenen LI wie ihm wäre es unmöglich gewesen einen ordentlichen Trimm herzustellen, da der Kommandant auch häufig Kurs und Tiefe ändern ließ und sich das Boot wie auf einer Achterbahnfahrt bewegte. Noch schien diese Taktik aufzugehen und der Horcher war sich sicher, dass sie nur von einem Eskorter gejagt wurden. Das gab ihnen die Möglichkeit, wenn der Zerstörer nach dem Abwurf der Wasserbomben mit Höchstfahrt ablief, wieder den Versuch zu unternehmen, aus dessen Ortungsbereich herauszukommen. Einmal schien es so, als wäre es ihnen geglückt, aber dann rasselten die Asdicstrahlen wieder über den Bootsrumpf. Der Obersteuermann hatte seine Schiefertafel über dem Kartentisch vor ein paar Minuten mit einem Lappen abgewischt, die Fläche war vollständig mit Fünfer-Strichreihen und drei einzelnen Strichen bedeckt gewesen. 93 Wasserbomben. Haberkorn konnte nicht einschätzen ob der Mann tatsächlich so kaltblütig war, aber das Gesicht des Oberbootsmannes zeigte kaum eine Regung, auch wenn wieder wahnsinnig krachende Explosionen und Druckwellen auf das Boot eindroschen. Der Kommandant gab sich ähnlich gelassen, aber als Ältester und Erfahrenster an Bord musste er ganz genau wissen, wie schlecht die Dinge standen. So wie ihn Haberkorn einschätzte würde er sein Blatt wie ein Pokerspieler bis zum Äußersten ausreizen und erst dann, wenn es wirklich aussichtslos wäre, aufgeben. Sich auf den Grund bomben zu lassen hätte nur das Ergebnis, dass sie alle jämmerlich absaufen würden. Solange es keine weiteren gravierenden Schäden geben würde und falls sie nicht doch eine Bombe erwischte, würde der Mann mit immer wieder neuen Finten zu entkommen zu versuchen. Haberkorn wusste auch, welches Entscheidungskriterium der Kommandant gewählt hatte: die Batteriekapazität. Sie hatten sich während der Reise öfter unterhalten und der Kapitän hatte ihm einmal gesagt:

„Natürlich ist es vermutlich aus der Sicht von anderen nicht ehrenvoll sein Leben und das der Besatzung retten zu wollen und sich dem Feind zu ergeben. Was macht es aber für einen Sinn, zusammen mit 50 jungen Männern in den Orkus zu fahren, wenn es keine Chance mehr gibt? Keinen. Ich habe den Befehl, Schiffe des Gegners zu versenken. Man hat mir aber nicht befohlen, das Leben der Besatzung vorsätzlich aufs Spiel zu setzen, besonders dann, wenn es ohne Nutzen wäre. Das liegt in meiner Verantwortung. Und sollten wir in eine Situation kommen, in der wir wegen fehlender Batteriekapazität nicht mehr unter Wasser fahren können, werde ich anblasen lassen. Ich habe mit dem LI und dem Funker vertraulich besprochen, was in so einem Fall zu tun ist. Alle Schlüsselunterlagen und Codebücher vernichten, die sind ja wasserlöslich. Flutventile öffnen, Torpedo- und Kombüseluk auf. Sprengladungen anschlagen. Kriegstagebuch über Bord werfen, Enigma über Bord werfen. So was sollte man vorher klären bevor es ernst wird. Denn im Fall der Fälle, wenn die Leute dann die Nerven verlieren und nur noch raus wollen, klappt das dann nicht mehr. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass der Gegner ein Boot von uns aufgebracht hat. Anders kann ich mir insbesondere die zielgerichtete Vernichtung unserer U-Tanker in der letzten Zeit nicht erklären. So was darf nicht passieren, dass man dann in so einer Situation unvorbereitet ist. Wissen Sie, im Vergleich mit unseren Leuten bin ich ein alter Mann. Aber ich bin auch noch nicht so alt, dass mir das Sterben egal wäre. Und die jungen Kerle haben doch grade erst mal ins Leben reingeschnuppert. Da ist es mir lieber, wir versenken das Boot, lassen uns hopp nehmen und ab nach Kanada zum Bäume fällen. Und nach dem Krieg geht’s wieder nach Hause zu Muttern.“

Die Luft im Boot war immer schlechter geworden und bei Haberkorn stieg auch die Sorge, dass sich die Bilge immer mehr mit Wasser füllen und dann für einen Kurzschluss der E-Maschinen sorgen könnte. Der LI hatte den Trick angewendet, denn er auch selbst früher genutzt hatte. Immer wenn die Bomben explodierten hatte er die Hauptlenzpumpe auf vollen Touren laufen lassen und nach dem Verebben der Detonationen sofort wieder ausschalten lassen. Noch waren die Schäden im Boot beherrschbar aber ihre Chancen auf ein Davonkommen nahmen so wie die Batterieladung minütlich ab.

„Zwotes Geräusch gehorcht“ meldete der Horcher erschrocken und aufgeregt „keine Turbinenmaschine! Sehr nah!“

Der Kommandant fuhr herum. Haberkorn sah auf seinem Gesicht ein ungläubiges Staunen und er wusste, was der Mann vermutete. Eigentlich konnte es nur eine Erklärung geben: ein deutsches U-Boot musste in der Nähe sein. Jetzt konnte sich die ganze Situation ins Gegenteil verkehren, nämlich so, dass das andere Boot den Zerstörer attackierte. Beim Auftauchen hatte Haberkorn einen Blick durchs Turmluk erhaschen können und gesehen, dass es helles Mondlicht gab. Wenn sich das Boot in eine günstige Position bringen und Torpedos losmachen könnte wäre das die Rettung aus ihrer schlechten Situation, vorausgesetzt, die Torpedos trafen.

„Wo steht der Zerstörer“ fragte der Kommandant drängend.

„Läuft ab. Dreht jetzt nach Steuerbord. 3.500 Meter. Geht auf 40 Grad. Wird lauter.“

Dann überschlugen sich die Ereignisse.

„Torpedogeräusche“ rief der Horcher „zwei Torpedos!“

20 Sekunden später gab es eine heftige Explosion, eine zweite folgte kurz darauf.

„Beide AK, 280 Grad“ befahl der Kommandant und gleich darauf „auf 30 Meter gehen. Rotlicht!“

Für die Männer im Boot war jetzt deutlich zu hören, dass über ihnen ein Krachen und Bersten eingesetzt hatte. Allen war klar, dass zwei Torpedos getroffen haben mussten und der Zerstörer sank.

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