„Dass ist ja sehr freundlich von Euch, mir so viel aus Eurem vergangenen Leben zu erzählen - aber ist das wirklich von so entscheidender Bedeutung für so ein geheimes Treffen hier? Das meiste von Ihren Ausführungen ist mir bereits bekannt”.
„Lassen Sie ihn bitte ausreden. Ihr werden es bestimmt nicht bereuen”, warf Bordingenieur Munchg knapp ein.
„Na schön”, fiel Wunchk ein. „Fahren sie zügig fort.”
„Wann, Kommandant, wurde dieses Ritual eingeführt und von wem?”, wollte Lowrhana wissen.
„Wenn ich mich recht entsinne, wurde es vor etwa 100000 Gor zum ersten Male exerziert, lange nachdem wir von den anderen Verbündeten vor der Asteroidenkatastrophe bewahrt worden waren. Ein gewisser Unghar war damals verantwortlich für das außenpolitische Auftreten der Kampfkräfte. Er bestand damals darauf, dieses Ritual einzuführen”, erläuterte Wunchk.
„Wie, länger liegt dieses Ereignis noch nicht zurück?”, entfuhr es zeitgleich dem Bordingenieur und dem ersten Offizier.
„Die wissenschaftlich Verantwortlichen konnten sich mit diesem Imponiergehabe schon zu dem damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht anfreunden, da es aus der primitiven Frühzeit der Entwicklungsgeschichte unserer Rasse stammt und nun einfach so - so schien es zumindest anfangs - eingeführt wurde. Die Bevölkerung wurde bewusst getäuscht, auf welches bösartige Spiel sich führende Militärs und Politiker eingelassen hatten. Es herrschte bei uns Forschern die Furcht, dass dieses Ritual von anderen Rassen als Angriffs - oder Bedrohungssignal missverstanden werden könnte. Was auch von einigen Expeditionen, die in benachbarte Sternensysteme unterwegs waren oder auch mit anderen Rassen unserer eigenen Galaxie in Kontakt traten, bestätigt werden konnte. Aber uns wurde keinerlei Gehör gegenüber unseren Einsprüchen geschenkt; auch wohlfundierte Einwände wurden einfach ohne nähere Prüfung weggewischt”, erläuterte Lowrhana.
„Und weiter? Waren Sie auch ein Gegner dieses Rituals?”, wollte Wunchk wissen.
„Allerdings. Mir war sehr sofort bewusst, dass solche Missverständnisse rasch in Kriege ausufern könnten, wenn die Gegenüber nicht über die Feinheiten unserer Kultur aufgeklärt würden.”
Lowrhana machte eine bedeutungsvolle Pause, und fuhr schließlich etwas provozierend fort:
„Aber vielleicht war das ja auch gar nicht die Absicht, die dahinter steckte.”
„Was bitte soll denn diese letzte Bemerkung? Unsere Rasse kann mit Recht auf ihren technologischen Fortschritt stolz sein. Und dazu gehört es meiner Meinung nach auch, dass andere Respekt vor unseren Errungenschaften haben und diese Leistung auch anerkennen.”
Wunchk wurde allmählich unwillig. Was sollte diese provozierende Abhandlung über die jüngste Politik? Das brachte sie auch nicht weiter. Durch eine noch dunklere Farbpigmentierung seiner Haut signalisierte der Kommandant, dass er dicht davor stand, zu explodieren.
Doch Lowrhana ließ sich nicht beirren.
„Auch um den Preis von bisher schätzungsweise 50 Milliarden toter intelligenter Lebewesen?”
Wunchk war wie vor den Kopf gestoßen.
„Waa - a - as?”, brachte er nur noch stammelnd hervor.
„Ich stehe über ein getarntes Kommunikationswurmloch mit Maruthron - auch während der jetzigen Mission - in fast zeitgleichem Kontakt mit ihm. Sie wissen, Kommandant, dass dieser Borhun die Expedition zu einer Galaxie mit dem Namen Milchstraße leitet. Er ist vor etwa 3500 Gor mit der Flotte dorthin aufgebrochen, wobei die Expedition über ca. 9000 Gor Dauer angelegt war. Borhun ist vor 4,5 Gor zu Maruthron als Zivilist zurückgekehrt, nachdem er etwa 1000 Gor von Unghar gefangengehalten wurde.”
„Dann muss sich ja dieser Borhun schwerster Verbrechen schuldig gemacht haben.”
„Genau. Er hatte, als die Expeditionsflotte auf eine technologisch hoch entwickelte Rasse stieß, Unghar verboten, dieses Ritual zu demonstrieren. Aber dieser Idiot von einem Mufrrgh dachte nicht im Traum daran. Er provozierte die Fremden mit seinem selbstherrlichen, imperialen Auftreten. Und in der Folgezeit weitere Rassen auch, was dann zu den von uns Wissenschaftlern prognostizierten Gewaltexzessen führte. Die Zahl an Toten, die ich soeben nannte, ist nur eine grobe Schätzung. Sie stammt noch von Borhun, nachdem ihm die Flucht nach Yewwhrhon gelungen ist. Was während seiner Flucht, die viele hundert Gor dauerte, durch Unghar an Unheil angerichtet wurde, kann ich von hier aus leider nicht beurteilen.”
„Das kann doch nicht wahr sein - das muss ein Missverständnis sein.”
„Die Blurroggh sind mit ihrem Expeditionsschiff ebenfalls geflohen. Nach meinem Kenntnisstand sind sie bis jetzt als vermisst gemeldet.”
Wunchk fühlte sich so, als sei er in die Schockwelle einer soeben explodierten thermonuklearen Granate geraten.
All das, woran er in diesem Staat geglaubt hatte, schien plötzlich hinfällig geworden zu sein. War das hier eine Verschwörung gegenüber dem Vertreter einer der wichtigsten Institutionen der Mufrggh? Wenn da nicht seine eigenen Beobachtungen gegenüber diesem Botschafter an Bord seines Schiffes waren, hätte er die drei schon längst wegen Hochverrates in Arrest nehmen lassen. Aber so? Er entschloss sich, den Ausführungen seiner drei Besucher erst einmal weiter zu folgen.
Korrgh ergriff das Wort:
„Ich kann leider nicht so viel wie mein Vorredner zur Aufklärung dieser Situation beitragen. Aber zumindest dies: Ich erinnere mich an meine Ausbildung als junger Offiziersanwärter in der Kadettenschule. Unghar war damals ihr Leiter. Jeder, der sich eines dienstlichen Vergehens schuldig gemacht hatte, wurde von ihm grausam und hart bestraft. Ich musste einige 100000 Gobnarrgh gegen einen starken Coriolissturm fliegen, und das in sehr kurzer Zeit. Als ich das nicht schaffte, wurde ich wieder und wieder gezwungen, große Strecken zu fliegen gegen höllische Gegenwinde, bis ich irgendwann halbtot zusammenbrach.
Aber ein Detail erscheint mir im Zusammenhang mit der Situation, in der wir uns jetzt befinden, sehr wichtig. Zu einem Zeitpunkt hatte Unghar hohen Besuch: Der zweite Supremeur war zu Gast. Er sprach so laut, dass seine Stimme durch die gut schallisolierte Schleuse zu verstehen war:
,Dieses neue Ritual ist doch wunderbar dazu geeignet, unsere Macht weiter auszudehnen. So können wir uns nun rasch Respekt bei anderen Rassen verschaffen, die so Provozierten unterjochen oder besser noch versk...’
An dieser Stelle wurde er durch einen Warnpfiff des Supremeurs unterbrochen, der offensichtlich Sorge hatte, dass jemand Unbefugtes von diesen Gedanken Wind bekam.”
Wunchk spürte, wie sich seine Atmungsorgane verkrampften.
„Weiter! Was gibt es noch für Informationen, die für unsere Situation von Belang sein könnten?”
Korrgh erwiderte: „Ich hatte dieses merkwürdige Geschehnis schon seit langer Zeit wieder verdrängt. Aber jetzt sind möglicherweise auch Kleinigkeiten wichtig. Es kommt nämlich noch hinzu, dass ich bereits vor Beginn unserer Abreise an diesen Ort in befreundeten Offizierskreisen gehört habe, dass die Expedition, an der Unghar beteiligt ist, kein gutes Ende nehmen würde. Aber von anderen wurde das nur als dummes Geschwätz abgetan. Deshalb habe ich es auch nicht weiter beachtet.”
„Und jetzt kommen noch meine Erfahrungen als Ingenieur hinzu: Ich habe mich während meiner Akademielaufbahn mit Telekommunikation beschäftigt”, erläuterte Munchg. „Während wir in dieses Sternsystem flogen, gab es, wie schon erwähnt, über ein künstliches Kommnikationswurmloch einen geheimen Gedankenaustausch mit Maruthron. Wenn so eine Raumverzerrung aktiviert wird, kommt es zu einer Neutrinoemission, deren Stärke von der Entfernung abhängig ist, die das Wurmloch zu überbrücken hat. Ich konnte also sehr gut kontrollieren, wann eine Anomalie, von hier ausgehend, erzeugt wurde oder von außen kommend an diesem Schiff einging.
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