Kein Wunder , dessen war sich Kuja sicher, denn das Wetter kam von Gott und folgte daher kaum menschlichen Denkmustern.
"Bist du sicher?" fragte Kuja mit bitterernster Miene, wobei er sich innerlich ein breites Grinsen wahrlich verkneifen musste. Er konnte hören, wie Giovanni leise auflachte.
"Ja...!" erwiderte Tizian mit nicht minder ernster Miene, während er sich vorbeugte, um auch Giovanni ansehen zu können. "...bin ich! Meine Forschungen zeigen, dass diese Art von Wolken nur einen geringen Wasseranteil haben und sich verflüchtigen werden!"
Weder Kuja, noch Giovanni erwiderten etwas darauf; sie lächelten ihren Freund nur an. Bevor der sich aber darüber beschweren konnte, ritt plötzlich Moretti zwischen Tizian und den angehenden Fürsten. "Herr?" sagte er.
Kuja sah den Kommandanten noch immer mit einem Lächeln an. "Ja?"
"Wir sollten zusehen, dass wir weiterkommen!" erklärte Moretti mit ernster Miene.
"Warum?"
Der Kommandant nickte in Richtung der Berge. "Diese Wolken da!"
"Ja?" Kujas Lächeln wurde sogleich noch breiter und ein sehr kurzer Seitenblick zu Giovanni zeigte, dass dieser sich kaum noch zurückhalten konnte. "Was ist mit ihnen?" Dann sah er Tizian mit großen Augen an.
"Sehen mir verdammt nach Regen aus!" erwiderte Moretti.
Im selben Moment brach Giovanni in brüllendes Gelächter aus, gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte davon.
Jetzt war es Kuja, der einmal auflachen musste, bevor er sich wieder mit einem breiten Grinsen begnügte und dem Kommandanten zunickte, der daraufhin seinen Männern ein Zeichen gab und die Leibgarde ebenfalls an ihnen vorbeipreschte. Moretti allerdings verblieb, zwang sein Pferd jedoch dazu, ein paar Schritte zurück zu machen.
"Sehr witzig!" presste Tizian mit verzogenen Mundwinkeln und säuerlichem Blick hervor.
Kuja lenkte seinen Hengst direkt neben ihn und klopfte ihm auf die Schulter. "Du kannst immer noch Recht haben!" Er wartete, bis Tizian ihn ansah, dann lächelte er ihn offen und ehrlich an, was sein Freund letztlich erwiderte. "Und jetzt komm!" Er schlug dem anderen Pferd auf die Kruppe, sodass es loslief.
Wenige Augenblicke später sausten Kuja und Tizian laut lachend und Moretti im gestreckten Galopp hinter Giovanni und der Leibgarde her und das Land schien nur so an ihnen vorbeizufliegen.
Etwa drei Stunden später hatte der Trupp die ersten Ausläufer des Tandorini-Gebirges erreicht und tatsächlich hatten sich die Wolken, ganz nach Tizians Prognose, aufgelöst.
"Na, wer hat jetzt Ahnung vom Wetter?" fragte er dann auch mit einem breiten Grinsen in die Runde. Doch erntete er von Moretti und den Mitgliedern der Leibgarde keinen Kommentar. Als Giovanni an ihm vorbeiritt, würdigte ihn sein Freund keines Blickes, dafür aber war ein deutlich verstimmtes Grollen zu hören, was Tizians Grinsen zusätzlich verbreiterte, falls das überhaupt noch möglich war.
"Das hast du gut gemacht, mein Freund!" meinte Kuja ehrlich zufrieden und klopfte Tizian anerkennend auf die Schulter. "Und sieh es doch mal so: Jetzt werden wir weitaus früher in Santarole sein, als geplant. Dafür hast du dir eine Belohnung verdient!" Er wartete, bis Tizian ihn ansah, dann beugte er sich zu ihm und senkte seine Stimme. "Wenn du heute Abend einen interessanten Mann für dich finden solltest, sorge ich dafür, dass ihr die Nacht ungestört bleibt, okay?"
Tizian sah ihn in einer Mischung aus Freude und Überraschung an und nickte mit einem süffisanten Grinsen und leuchtenden Augen. "Das Angebot nehme ich gern an!"
"Ich an deiner Stelle würde meinen Ständer aber noch zurückhalten!" brummte Giovanni und sah zu den beiden herüber. "Bergwetter ist tückisch!"
Eine Stunde später begann es zu regnen. Nur geringfügig, jedoch beständig anhaltend.
"Was habe ich gesagt!?" rief Giovanni nicht ohne Genugtuung in der Stimme.
"Aber das sind doch nur ein paar Tropfen!" protestierte Tizian. "Sei kein Weichei!"
"Ich bin kein Weichei!" erwiderte Giovanni mit brummender Stimme. "Aber ein paar Tropfen hier sind schon bald ein echter Regenguss dort!" Er deutete auf die Gipfel, die noch etwa einen Kilometer von ihnen entfernt waren.
"Also gut!" meinte Moretti mit finsterer Miene. "Was befiehlt ihr?" Dabei sah er Kuja an, doch als er nicht sofort eine Antwort bekam, fügte er hinzu. "Sollen wir umkehren oder unseren Weg fortsetzen?"
Kuja aber war unschlüssig. Die Bergwelt des Tandorini -Gebirges war tückisch, die Felswände sehr steil, seine Pfade schmal, die Felsen scharfkantig, die Schluchten tief. Der derzeitige Regen war noch absolut erträglich, konnte aber sehr schnell heftiger werden. Doch hatten sie den Aufstieg zu den Gipfeln schon zu mehr als der Hälfte zurückgelegt und es war gerade erst Mittag. Sie lagen wirklich sehr gut in der Zeit und außerdem hatten sie alle Regenkleidung dabei. Jetzt umzukehren hieße, heute ganz sicher nicht mehr nach Santarole zu gelangen und das wiederrum, einen weiteren Tag später nach Alimante zurückzukehren. Nach Alimante - und Mariella!
Und das war ein absolut schrecklicher Gedanke - weitaus schlimmer als die Aussicht, das Gebirge in strömendem Regen überqueren zu müssen.
Just in diesem Augenblick schob sich tatsächlich die Sonne zwischen zwei Wolken hervor und warf ihre Strahlen scheinbar direkt auf die kleine Gruppe. Als Kuja ihre Wärme spürte, war es ihm, als hätte ihm Mariella sanft über die Wange gestreichelt.
Das ist ein Zeichen , dachte er. "Nein!" sagte er, sah Moretti an und schüttelte den Kopf. "Wir werden den Regen in Kauf nehmen und nicht umkehren!"
"Wie ihr befehlt!" Der Kommandant nickte und ließ seine Männer nachrücken.
"Wir werden uns konsequent voran arbeiten!" rief Kuja hauptsächlich in Richtung seiner beiden Freunde. "Und keine Rast machen, bevor wir den Gipfel nicht hinter uns haben!" Er nickte. Ja, sie taten das Richtige . "Ihr werdet sehen. Wir werden schneller in Santarole sein, als wir denken. Dafür spendiere ich heute Abend auch Jedem eine Isminardi !" Das war die wohl mit Abstand beste, aber auch teuerste Zigarre, die man auf diesem Kontinent kaufen konnte.
"Aber ich rauche nicht!" protestierte Tizian.
"Du kriegst ja auch schon einen Liebhaber!" raunte Giovanni mit leisen Worten zu ihm herüber, was ihm einen mahnenden Blick und ein Grollen einbrachte.
Nach wenigen Minuten erreichten sie einen enorm steilen Anstieg direkt an einer beinahe senkrechten Steilwand. Hier ging es nur noch im Schneckentempo voran.
Das Wetter schien es anfangs auch wirklich gut mit ihnen zu meinen, denn der Regen ließ etwas nach, wenngleich es merklich kälter wurde.
Doch mitten in der Steilwand frischte plötzlich der Wind stark auf und wenig später regnete es deutlich kräftiger als zuvor.
Der ganze Aufstieg dauerte letztlich über eine Stunde.
Zu ihrer Erleichterung aber standen sie danach quasi direkt vor dem Gipfel und hatten somit beinahe die Hälfte ihres Weges nach Santarole zurückgelegt.
Die Freude aber hielt nicht lange an, denn je näher sie dem Gipfel kamen, desto deutlicher waren dahinter tiefschwarze, mächtige Wolkentürme zu erkennen, aus denen auch schon der erste Donner grollend auf sie zurollte.
Die Gruppe aber hatte keine andere Wahl, als weiterzugehen.
Hinter dem Gipfel schloss sich abschüssiges Gelände an und erneut mussten sie sehr vorsichtig agieren. Wieder kamen sie nur langsam voran, während sich das Wetter weiter deutlich verschlechterte und sich eindeutig ein heftiger Gewittersturm ankündigte. Vor allem aber der Regen nahm deutlich zu und hatte alsbald eine Intensität, dass alle das Gefühl hatten, sie würden sich durch einen sich stetig erneuernden Vorhang tasten. Die Sichtweite lag bei unter fünf Metern.
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