1 ...8 9 10 12 13 14 ...57 Kuja setzte sich neben Moretti. "Wir werden gleich hier um Unterkunft bitten!" sagte er zu dem Kommandanten. "Wir werden unsere Sachen trocknen und etwas essen. Ich werde nach einem Führer fragen, der uns auf sicherem Weg ins Tal bringen kann. Wenn das Wetter sich weiter bessert, will ich möglichst schnell wieder los. Vielleicht schaffen wir es heute ja doch noch bis Santarole !"
Der Kommandant sah ihn mit ernster Miene an, schien widersprechen zu wollen und nickte dann doch. "Wie ihr wünscht, Herr!"
Als der Trupp den Hof erreicht hatte, stieg Moretti ab, ging zur Eingangstür und klopfte.
Es dauerte einen längeren Moment, bevor die Tür mit einem Knarren geöffnet wurde.
Was genau Moretti mit dem Besitzer des Hofes besprach, konnte Kuja nicht hören, doch nach ein paar Augenblicken trat der Kommandant zur Seite und der ältere Mann mit buschigem Schnauzbart und einem deutlichen Bauchansatz blickte zu ihnen heraus. Als er Kuja sah, erstarrte er förmlich und glotzte den Fürstensohn an wie einen Außerirdischen.
Moretti raunte ihm noch etwas zu, woraufhin der Blick des Mannes nervös wurde und er sich mehrmals nickend verbeugte.
Moretti drehte sich zu ihnen und grinste.
Wie nicht anders zu erwarten, waren sie, nachdem der Bauer wusste, wer Kuja war, allesamt natürlich gern gesehene Gäste
Er bat sie an seine Tafel und versprach ihnen eine warme Mahlzeit. Der Mann war verheiratet. Seine Frau war eine noch immer recht hübsche Person und noch dazu eine ausgezeichnete Köchin. Sie hatten zwei Kinder: Einen fast erwachsenen Sohn, der vor Kraft nur so strotzte. Er hatte gute Manieren, schien aber etwas einfältig zu sein, wenngleich er großes Interesse an Moretti und dem Militärdienst zeigte, was seinem Vater jedoch nicht wirklich zu gefallen schien.
Dafür aber gefiel den Männern der Leibwache die Tochter des Hauses umso mehr. Sie mochte fünfzehn, vielleicht sechszehn Jahre alt sein und sie war wirklich ein sehr hübsches und attraktives Geschöpf. Doch sie war noch zu jung und Kuja beschloss, eine direkte Annäherung, egal von wem, nicht zu erlauben.
"Wie ist dein Name?" fragte Kuja.
"Torrini!" antwortete der Bauer.
"Also Torrini!" begann Kuja. "Ich danke dir, auch im Namen meiner Gefährten für deine Gastfreundschaft. Und ein besonderes Lob an die Frau des Hauses...!" Er nickte der Bäuerin zu, die ihn mit funkelnden Augen anlächelte. "...für das köstliche Mahl!"
Torrini drehte sich zu seiner Frau herum und wollte sie ebenfalls loben, als er aber sah, dass sie den Fürstensohn anlächelte, brummte er missmutig. Er wandte sich wieder Kuja zu, doch dabei fiel sein Blick auf die Männer der Leibgarde, die seine Tochter beständig beäugten, der das wiederrum zumindest nicht unangenehm zu sein schien, denn auch sie lächelte verschämt.
Daraufhin war die Laune des Bauern ziemlich dahin. "Beabsichtigt ihr über Nacht zu bleiben?" fragte er mit deutlich härterer Stimme, als er eigentlich wollte. "Ich meine...!" erkannte er seinen Fehler und ruderte nervös zurück. "...dürfen wir euch ein Nachtlager anbieten?"
Kujas Laune hatte sich durch das warme Essen sichtlich gebessert und so beschloss er, die Anmaßung des Bauern zu überhören. "Nur, wenn sich das Wetter nicht bessern sollte!" sagte er. Bei einem Seitenblick auf seine Freunde, erkannte er, dass beide nicht sonderlich begeistert von dieser Ankündigung waren. Sie wären sichtlich lieber über Nacht hiergeblieben.
"Das lässt sich nur sehr schwer sagen, Herr!" erklärte Torrini. "Alles kann sich hier innerhalb kürzester Zeit ändern. Sowohl zur einen, als auch zur anderen Seite!"
Kuja nickte. "Dennoch will ich vorbereitet sein. Kannst du uns ins Tal bringen, wenn es aufklaren sollte? Oder dein Sohn?"
Torrini aber schüttelte den Kopf. "Nein, aber im Dorf gibt es Jemanden, der das kann!"
"Gut!" Kuja schien zufrieden. "Dann bring mich zu ihm!" Er erhob sich. "Giovanni, Tizian? Wollt ihr mich begleiten?" Seine Freunde nickten. Als Kuja hinter dem Bauern zur Tür ging, beugte er sich zu Moretti hinab. "Halte deine Männer im Zaum. Ich will keinen Ärger. Niemand rührt die Frau oder die Tochter an, klar?"
Moretti nickte. "Natürlich, Herr!"
Kuja wusste, er konnte sich auf den Kommandanten verlassen und zusammen mit Tizian und Giovanni machte er sich auf den Weg ins Dorf.
Es mochten rund fünfhundert Meter sein, bis sie das Dorf, eine Ansammlung von etwa zwei Dutzend Häusern am Nordrand des Plateaus, erreicht hatten. Mittlerweile war das Gewitter nur noch eine leise grummelnde Erinnerung und der Regen hatte nahezu komplett aufgehört.
Dennoch war außerhalb der Häuser niemand zu sehen. Überall brannte Licht im Inneren und Kuja stellte fest, dass es allmählich schon anfing, dunkel zu werden. Er hoffte daher, dass die Wetterbesserung anhielt und sie ihren Führer bekommen würden. Dann konnten sie schon bald weiterreisen.
Torrini hielt auf eines der Gebäude im westlichen Teil des Dorfes zu. Schließlich standen sie vor einem kleinen, aber ordentlichen Haus und der Bauer klopfte.
Nach ein paar Augenblicken war Bewegung im Inneren zu hören. Dann wurde ein schwerer Riegel betätigt und schließlich die Tür einen Spalt geöffnet. Heraus lugte eine ältere Frau mit faltigem Gesicht und vergrämten Ausdruck. Sie ging offensichtlich gebückt und ihr Atem rasselte. Als sie den Bauern vor sich sah, war sie überrascht. "Torrini?" Ihre Stimme klang rau und zittrig.
Der Bauer nickte. "Hallo Mara! Ist Avato zuhause?"
Der Blick der Alten wanderte zu Kuja und seinen Freunden, die sich einen Schritt im Hintergrund hielten. Sie beäugte sie offen misstrauisch. "Nein!" sagte sie dann, sah wieder zu Torrini und schüttelte den Kopf.
Kuja trat vor und lächelte sie an. "Wissen sie, wo wir ihn finden können?"
Der Blick der Alten wurde noch abweisender, doch als sie den Bauern ansah und der ihr zunickte, sagte sie. "Im Wirtshaus!" Und einen Augenblick später war die Tür auch schon wieder geschlossen.
"Liebreizendes Persönchen!" meinte Giovanni, als sie weitergingen.
Tizian grinste. "Bei der würde ich auch lieber im Wirtshaus sitzen!"
Torrinis Blick verfinsterte sich. "Wir leben hier oben sehr abgeschieden!" erklärte er. "Dennoch sind wir Fremden gegenüber immer gastfreundlich gewesen!"
" Gewesen? " fragte Kuja.
Der Bauer nickte. "Mit Verlaub, Herr. Ihr habt Glück, dass ihr der Sohn des Fürsten seid. Ansonsten hätte ich euch wieder weggeschickt!"
"Warum?" hakte Kuja nach.
Im ersten Moment schien es, als wolle Torrini nicht erzählen, doch dann sagte er. "Mara war früher einmal sehr hübsch gewesen. Jeder Mann hier im Dorf wollte sie zur Frau haben. Doch eines Abends kamen Wanderer, so wie ihr. Es waren vier Männer. Sie aßen und tranken im Wirtshaus. Sie fanden Gefallen an Mara und als klar war, dass Avato an diesem Abend nicht zuhause war, weil er auf der Jagd war, schlichen sich diese Bastarde heimlich in sein Haus und...!" Er blieb unvermittelt stehen. In seinem Blick lag echter Schmerz. Auch Kuja, Giovanni und Tizian stoppten. Torrini blickte die drei direkt an, dass ihnen eine leichte Gänsehaut über den Rücken kroch. "...vergewaltigten sie! Mehrfach! Und weil sie zu laut schrie, prügelten sie dabei auf sie ein, bis sie bewusstlos war!"
Das Grinsen war aus Giovannis und Tizians Gesichtern längst verschwunden und man sah ihnen deutlich an, dass ihnen ihre Witzchen unangenehm waren.
"Als Avato sie am nächsten Morgen fand, war seine Schwester dem Tode näher, als dem Leben!" fuhr Torrini fort. "Doch ihr Bruder pflegte sie wieder gesund, aber natürlich hinterließ diese eine Nacht Spuren, die nicht mehr zu heilen waren. Sowohl körperlicher, als auch seelischer Natur!" Wieder blieb er stehen und als er jetzt Giovanni und Tizian ansah, war sein Blick deutlich vorwurfsvoll. "Avato hat wegen ihr nie geheiratet. Doch so groß die Liebe zu ihr auch ist, ein gewisses Maß an Verbitterung kann er nicht ständig verdrängen. Dann geht er ins Wirtshaus und spült seine eigenen Qualen herunter!" Torrini hielt inne und atmete einmal tief durch. "Ihr versteht also, dass wir hier Fremden seither eher ablehnend gegenüberstehen!"
Читать дальше