Dafür aber wusste Kuja, was ihn wohl geweckt hatte.
Na ja, jetzt, wo er schon einmal wach war, konnte er auch seine Blase entleeren. Danach, so beschloss er, würde er die Wache übernehmen. Schließlich hatte er sie alle in diese missliche Lage gebracht.
Kuja überlegte. Nach draußen zu gehen, war unsinnig, hier in der engen Höhle wollte er sich aber auch nicht erleichtern. Da fiel sein Blick auf den schmalen Stollen, der weiter ins Innere des Berges führte. Der Fürstensohn hatte für einen Augenblick Bedenken, doch dann ging er zielstrebig darauf zu und hinein.
Er musste seitwärtsgehen, aber schon nach etwa fünf Metern öffnete sich der enge Stollen wieder und mündete in eine weitere Kammer. Kuja machte zwei Schritte nach rechts, stellte sich vor den Felsen, öffnete seine Hose und entleerte seine Blase. Dabei blickte er sich um. Das Licht des Mondes war gerade noch stark genug, um die Dunkelheit weit genug zu durchdringen, dass Kuja die Ausmaße der Kammer und einige Umrisse erkennen konnte.
Dabei fiel ihm auf, dass der Raum sich nach hinten immer weiter öffnete, wobei eine Art geschwungene Rampe tiefer in den Berg hinab führte.
Kuja aber verspürte keine Lust, sie ohne eigene Lichtquelle weiter zu erkunden. Außerdem musste er zurück zu seinen Freunden und Wache halten, damit Burini sie am Ende nicht doch noch erwischte.
Dann war er fertig, schloss seine Hose wieder und wollte schon in den schmalen Stollen zurückkehren, als er plötzlich eine matt schimmernde Lichtspiegelung auf den Felsen erkennen konnte. Überrascht drehte er sich um. Und tatsächlich: Dort, wo die Rampe in die Tiefe führte, konnte er weit unten ein schwaches Leuchten ausmachen, das irgendwie zu pulsieren oder zu funkeln schien.
Was mag das sein? fragte Kuja sich.
Plötzlich war das Leuchten wieder verschwunden, doch nur, um wenige Augenblicke später erneut zu erscheinen.
Jetzt war seine Aufmerksamkeit erst recht geweckt.
Allen guten Vorsätzen zum Trotz machte er sich langsam und vorsichtig auf den Weg zur Rampe und folgte ihr in die Tiefe.
Nach einer sanften Rechtskurve, die ihn dabei tiefer in den Berg führte, kam ein kurzes, gerades Stück, dann folgte ein relativ scharfer Linksknick, bevor es deutlich steiler bergab ging.
Kuja schätzte, dass er mittlerweile etwa einhundert Meter zurückgelegt haben musste. Das matte Leuchten hatte ihn beständig begleitet, wenngleich es aber immer mal wieder für einige Augenblicke deutlich schwächer wurde. Ganz verschwinden tat es allerdings nie.
Was er getan hätte, wenn das doch der Fall gewesen wäre und er hier allein in der Finsternis gestanden hätte, wusste er nicht; er verdrängte diesen Gedanken auch schnell wieder.
Der Weg machte erneut eine sanfte Biegung nach links. Je tiefer Kuja jetzt kam, desto heller wurde es. Als er das Ende der abwärtsführenden Rampe erreicht hatte, schien es ihm, als würde die gesamte Kammer, die sich vor ihm auftat, pulsieren. Das Licht war fahl und es flackerte wie der Widerschein von Flammen über die Felswände.
Die Kammer, in der es jetzt stand, war vielleicht zwanzig Meter lang, fünf Meter breit, dafür aber sicherlich zehn Meter hoch.
Kuja sah nach links und konnte erkennen, dass die Felswand dort nicht bis zur Decke reichte, sondern etwa in der Mitte endete. Dahinter konnte er die Decke einer sich anschließenden Kammer erkennen. Dort pulsierte das Licht noch viel intensiver, denn ganz eindeutig war dort sein Ursprung. Einen Augenblick später erkannte Kuja am Ende der Höhle, in der es sich befand, eine steinerne Treppe, die in die andere Kammer hinaufführte.
Der Fürstensohn hielt sofort darauf zu, denn jetzt wollte er natürlich mehr denn je wissen, was es mit diesem pulsierenden Licht auf sich hatte.
Mit schnellen Schritten erklomm er die Treppenstufen. Kuja spürte, wie sich sein Puls erhöhte. Vielleicht ist es ja ein Schatz, dachte er bei sich und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
Dann hatte er die oberste Stufe erreicht, sogleich ungehinderten Blick in die Kammer, die sich vor ihm auftat und war...enttäuscht.
Denn vor ihm lagen keine Reichtümer, sondern nur ein unterirdischer See.
Kuja atmete aus und man sah ihm die Enttäuschung an.
Der See war nicht sonderlich groß, aber das Wasser war absolut kristallklar, was er deshalb erkennen konnte, weil am Boden fluoreszierende Algen ein weiß-blaues Licht verströmten. Das Wasser lag allerdings nicht ruhig da, sondern hatte eine leichte Wellenbewegung an der Oberfläche, die wiederum dazu führte, dass das Licht auf den Felswänden flackerte und wie pulsierend wirkte.
Der Grund für die Wellenbewegung war, dass der See gerade mit Frischwasser gespeist wurde. Deutlich konnte Kuja ein leises Plätschern vernehmen und als er auf die gegenüberliegende Felswand blickte, sah er einen dunklen, feucht-schimmernden Streifen, der von der Decke in den See führte. Der heftige und andauernde Regen musste ins Erdreich gesickert sein und ein Teil davon floss nun, gefiltert durch mehrere Gesteinsschichten, auf diese Weise hier hinein.
Alles in allem ein schöner Anblick, doch leider nicht das, was Kuja erwartet hatte. Es wurde Zeit, zurück zu seinen Freunden zu gehen.
Doch genau in dem Moment, da er sich umdrehte, geschah etwas.
Kuja vermochte im ersten Augenblick gar nicht wirklich zu sagen, was es war, doch es reichte aus, dass er in seiner Bewegung verharrte und für einige Sekunden einfach nur vollkommen still dastand. Sein Kopf war wie leergefegt, er konnte keinen Gedanken fassen. Bis zu dem Moment, da er das Gefühl hatte, es würde ihn Jemand beobachten. Jemand, der sich hinter ihm befand!
Kuja wollte sich umdrehen. Mittlerweile konnte er diesen Befehl in seinem Hirn zwar wieder fassen, doch offensichtlich nicht an seinen Körper weitergeben. Er war nicht in der Lage, sich auch nur den kleinsten Millimeter zu bewegen. Dafür aber spürte er immer deutlicher eine Präsenz in seinem Rücken. Sie war jedoch nicht greifbar, aber eindeutig sehr machtvoll. In dem einen Moment glaubte er, eine Berührung in seinem Nacken zu spüren, im nächsten, dass sich ein Schatten hinter ihm erhob, wieder nur eine Sekunde später war es, als würde ein Wispern in seine Ohren dringen und dann, als würde ihn eine unbekannte Kraft förmlich durchdringen.
Kujas Pulsschlag erhöhte sich, er spürte, wie ihm Hitze ins Gesicht stieg. Und er wurde allmählich panisch, da er sich noch immer nicht umdrehen konnte, um zu sehen, was in seinem Rücken vor sich ging.
Im nächsten Moment glaubte er, wieder eine Berührung zu spüren, dieses Mal auf seiner Schulter, doch noch bevor seine Angst weiter zunehmen konnte, war sein Körper plötzlich wieder frei und er wirbelte auf dem Absatz herum. Dabei löste sich ein Schrei aus seiner Kehle, der sich dort gebildet hatte und den er nicht mehr zurückhalten konnte.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Kuja nach vorn, wappnete sich auf das, was er zu Gesicht bekommen würde und sah doch... nichts!
Es dauerte einige Augenblicke, bis Kuja diese Tatsache realisiert hatte und sich sein Körper und Geist wieder etwas beruhigten. Dann machte sich eine Mischung aus Unglaube und Verärgerung in ihm breit. Er hätte jetzt sagen können, dass er womöglich noch nicht vollkommen wach gewesen war oder dass der Alkohol ihm noch einen Streich gespielt hatte, doch er wusste, dass dies nicht stimmte. Das, was er gespürt und gefühlt hatte, war nur allzu real gewesen und ganz sicher keine Einbildung.
Und tatsächlich wurde sein Blick nur einen Sekundenbruchteil später von einem Funkeln angezogen. Es befand sich an der Stirnwand der Kammer, vielleicht fünf Meter über der Wasseroberfläche. Als Kuja genauer hinsah, konnte er eine Aushöhlung im Fels erkennen. Dort oben musste es eine weitere Kammer geben. Und das Funkeln, das er sah, war sehr klar und sehr hell und sehr strahlend. Wie bei einem Edelstein , schoss es ihm in den Kopf.
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