Kuja schrie wild und erschrocken auf, er zuckte förmlich auf Hände und Knien und krabbelte hektisch zwei Meter zur Seite, bis ihm ein Felsbrocken den Weg versperrte. Seine linke Schulter krachte hart dagegen, doch dann sank Kuja an ihm zurück zu Boden, wo er wild nach Luft schnappte und Tizian mit einem fast schon irren Blick anstarrte.
Der Blonde war sichtlich entsetzt über die Reaktion des Fürstensohns und über seinen Anblick. Kujas Gesicht war aufgedunsen und total verschwitzt. Echte Verzweiflung war in ihm zu sehen. Seine blutunterlaufenen, wässrigen Augen zuckten beständig nervös umher. Immer wieder schüttelte er den Kopf, während er rasselnd und schwer atmete. Der Fürstensohn wirkte um Jahre gealtert und vollkommen desorientiert.
"Kuja!" Instinktiv näherte er sich ihm. "Was ist denn...?" Tizian verstummte, weil sein Freund seinen Körper gegen den Felsbrocken stemmte, um sich weiter zurückzuziehen, was ihm aber natürlich nicht gelang. "...los?" Beharrlich kam Tizian näher, streckte wieder seine Hand aus und legte sie sanft auf Kujas rechte Schulter.
Als er seinen Freud berührte, stieß dieser erneut einen erschrockenen, erstickten Schrei aus, doch dieses Mal klärte sich sein Blick sichtlich und er wurde ruhiger.
"Beruhige dich!" Tizians Stimme war besonnen und sanft. "Es ist alles in Ordnung. Du bist hier, ich bin hier! Alles ist gut!" Er lächelte Kuja aufmunternd zu.
"Nein!" stieß Kuja hervor, doch war es kaum mehr als ein raues Flüstern. Dabei schüttelte er immer wieder den Kopf. "Nichts ist gut!"
"Was...?" Tizian sah ihn mitfühlend an. "Was ist passiert? Wo warst du?"
Kujas Körper erstarrte und in seinen Augen konnte Tizian sehen, dass er sich erinnerte. "Der Spiegel!" rief er und während seine Augen dorthin wanderten, füllten sie sich mit Tränen. "Oh Gott!"
"Was ist damit?" fragte Tizian. Im selben Moment bemerkte er wieder die zähflüssige Masse auf Kujas Körper, die teilweise zu Boden troff, teilweise aber auch an seinen Kleidern und auf seiner Haut anzutrocknen und festzukleben begann. Die Masse sah tatsächlich immer mehr wie Silber aus. Und zwar so rein, wie Tizian es noch nie zuvor gesehen hatte. Konnte das sein? War diese Masse wirklich reines, flüssiges Silber? Wie immer das auch möglich sein sollte. "Und was ist das?" Er deutete darauf. "Ist das…Silber?"
Während Kuja ihn vollkommen überrascht anstarrte und ganz sicher nicht wusste, was der Blonde von ihm wollte, fuhr Tizian mit seinen Fingern über die Masse. Im nächsten Moment konnte er deutlich feste, funkelnde Objekte erkennen, die in dem Silber eingebettet waren. Einige waren kaum größer, als kleine Kieselsteine, andere hatte die Größe eines... Edelsteins! schoss es ihm in den Kopf. Ja, genau! Und sie funkelten auch genauso, wie es ein Edelstein tun würde! "Sind das…Edelsteine?" fragte er und spürte gleichzeitig, wie sich sein Pulsschlag erneut erhöhte. Hatte Kuja, wie immer das auch möglich gewesen sein sollte, hier auf wundersame Weise einen Schatz entdeckt? Einen verborgenen Schatz voller Reichtümer?
"Was?" Endlich hatte sich Kuja soweit wieder zusammengerissen, dass er begriff, was sein Freund meinte. Mit großen Augen sah er fast schon perplex an sich herab und konnte endlich erkennen, was seinen Freund so faszinierte. "Nein!" Er schüttelte sofort vehement den Kopf. Gleichzeitig drückte er Tizians Hand von sich.
Der Blonde sah ihn überrascht an und seine Augenbrauen sanken herab. "Doch, das sind Edelsteine! Nicht wahr?" Seine Augen begannen zu leuchten. "Und das ist auch Silber. Gib es zu!" Ja, er war sich sicher. Er war zwar kein Fachmann für Edelsteine und Edelmetalle, doch war das, was Kuja da an seiner Kleidung und an seinem Körper trug, sicher mehr wert, als alles, was ein Mensch je in seinem Leben erarbeiten konnte. "Und...!" plötzlich hielt Tizian inne, sein Kopf wandte sich zu dem Lichtspiegel und er starrte ihn mit großen Augen an. G ab es da, wo Kuja herkam, womöglich noch mehr davon? Mehr, als nur für einen Mann? Genug für sie alle?
Wie in Trance erhob sich Tizian und ging langsam auf den Lichtspiegel zu.
Der Blonde hatte kaum zwei Schritte getan, da hörte er Kuja schräg hinter sich wild aufschreien. Er blickte zurück zu ihm und im selben Moment wurde er von dem Fürstensohn rüde umgerannt.
Tizian war viel zu überrascht, dass sein Freund noch so viel Kraft besaß, dass er vollkommen überrumpelt wurde.
Kuja sprang ihn einfach an und riss ihn um, sodass der Blonde hart und schutzlos auf die linke Seite krachte. Er musste aufschreien und versuchte, sich von Kuja zu befreien. Beide Männer überschlugen sich zweimal, dann verlor der Fürstensohn ihn aus seiner Umklammerung.
Tizian spritzte hektisch zurück auf seine Füße. Seine linke Schulter pochte höllisch, in seinem Gesicht war eine Schürfwunde zu sehen. Der Blonde brüllte wütend auf, starrte Kuja mit funkelnden Augen an. "Was soll das?" schrie er.
Kuja war es gelungen, sich zwischen seinen Freund und den Lichtspiegel zu bringen. Schweratmend und auf wackeligen Beinen nahm er Kampfhaltung ein.
"Was tust du?" brüllte Tizian erneut.
"Es tut mir leid!" stieß Kuja hervor. "Aber du darfst das nicht tun!"
Tizian musterte seinen Freund einen Augenblick. Dann war er sicher. "Du willst den Schatz für dich allein!" Sein Blick wurde verächtlich.
"Was?" Kuja war sofort entsetzt. "Nein. Du irrst dich. Da ist kein Schatz!"
"Du lügst!" zischte Tizian. "Du hast reines Silber an dir. Und Edelsteine! Wo zum Teufel hast du die her, wenn nicht von dort?" Er deutete auf den Lichtspiegel. "Also lass mich durch. Ich will meinen Anteil daran haben!" Der Blick des Blonden war hart und sehr entschlossen. Und schon im nächsten Moment spitzte er vor.
Kuja stemmte sich ihm entgegen und es gelang ihm unter Aufbietung all seiner Kräfte, ihn zurück zu schubsen.
Tizian stolperte und fiel zu Boden. Doch hatte Kuja gehofft, dass ihn das zur Räson bringen würde, so hatte er sich getäuscht. Mit wütender Miene sprang er wieder auf und rannte laut brüllend auf Kuja zu.
Dem Fürstensohn war klar, dass er schlicht zu schwach war, um seinen Freund dauerhaft von seinem Vorhaben abzubringen. Tiefe Verzweiflung erfasste ihn.
Dann krachten ihre Körper ineinander und im selben Moment brach Tizians Schrei erstickt ab. Für einen Augenblick war Kuja sicher, dass der Blonde ihn einfach beiseiteschieben würde, doch urplötzlich ließ der Druck gegen ihn nach. Der Fürstensohn konnte spüren, wie Tizians Angriffswucht verpuffte. Stattdessen hörte er seinen Freund aufstöhnen und sein Körper erzitterte. Gleichzeitig sackte er zu Boden. Kuja war total überrascht von dieser Wendung. Anstatt dass Tizian ihn umrannte, starrte er ihn vollkommen entsetzt an und fiel vor ihm auf die Knie. Kuja versuchte ihn noch zu halten, doch er war zu schwach. Der Blonde glitt ihm aus der Hand und schlug vollends mit dem Rücken auf den Felsen.
Und dann sah er es: In Tizians Bauch steckte ein Dolch! Kujas Dolch! Blut quoll aus der Wunde. Unendlich viel Blut! Kuja starrte fassungslos auf Tizian. Wie...? Er hob seine Hände an und musste erkennen, dass die Rechte voller Blut war. Vollkommen entsetzt zuckte sein Körper zusammen und er stieß einen erstickten Schrei aus. Um Gottes Willen, was hatte er getan? Warum hatte er das getan? Tränen schossen ihm in die Augen, während er hilflos mit ansehen musste, wie Tizian komplett geschockt auf seine Wunde starrte, seinen Oberkörper aufrichtete und versuchte, den Dolch aus seinem Körper zu ziehen. Unter großen Schmerzen und größter Anstrengung gelang ihm das auch, doch brachte es ihm keine Linderung, sondern es floss noch deutlich mehr Blut zu Boden. Der Blonde ließ den Dolch fallen, er stöhnte auf, dann begann sein Oberkörper zu zittern und er sank zurück zu Boden, wo er husten musste und jetzt auch Blut aus seinem Mund sickerte, während seine Augen direkt auf Kuja gerichtet waren.
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