Oh Mann , dachte Kuja sichtlich gerührt, nicht auch das noch!
Doch er konnte es nicht mehr verhindern. Innerhalb weniger Augenblicke hatten alle Anwesenden das Knie vor ihm gebeugt. Nur Tizian, Giovanni und Moretti natürlich nicht. Der Blick des Kommandanten zeigte eindeutig, dass ihm all dies nicht unbedingt gefiel, Giovanni dafür im Gegenteil, dass er diese Ehrbezeugung sehr mochte. Und Tizian grinste einfach nur bis über beide Ohren.
Kuja fühlte eine Mischung aus Freude, Dankbarkeit, Verantwortungsbewusstsein und etwas Scham. "Danke!" sagte er aufrichtig. "Aber bitte...!" Er wartete, bis die ersten ihre Blicke wieder hoben und machte dann eine entsprechende Geste. "...erhebt euch wieder!"
Nach und nach kamen alle Anwesenden seiner Bitte nach und es entstand eine fröhliche Stimmung, die Kuja zunehmend genoss.
"Kommt!" sagte Avato, jetzt sichtlich gelöst. "Setzt euch zu uns und trinkt ein Bier mit uns!"
"Herr!" Moretti trat mit ernster Miene zu ihm.
Kuja sah seinen Kommandanten an und nickte. "Ich weiß! Aber ich komme jetzt aus dieser Nummer nicht mehr so einfach raus!" erklärte er. "Geh mit Torrinis Jungen zurück zum Hof und lass dir ein vernünftiges Nachtlager geben. Ich bleibe mit Giovanni und Tizian noch ein wenig hier...!" Er sah seine Freunde fragend an, doch beide nickten. "...und genieße die Gastfreundschaft dieser ehrlichen, einfachen Menschen. Wir kommen nach, sobald es uns möglich ist!" Er lächelte kurz. "Und keine Angst: Ich will auf jeden Fall morgen bei Sonnenaufgang weiter!"
Moretti sah ihn einen Moment ausdruckslos an, dann nickte er. "Wie ihr wünschst!" Dann schnappte er sich sogleich Torrinis Jungen und verließ mit ihm die Schänke.
"Das riecht nach einer kleinen Feier!" rief einer der Gäste. "Linguri?"
"Ja?"
"Hast du nicht irgendetwas Leckeres auf dem Feuer?"
"Klar habe ich!" bestätigte der Wirt. "Wildschweinbraten!"
"Aber, bitte!" wehrte Kuja sanft ab. "Keine Umstände! Nur das Bier und dann soll es gut sein!"
"Ach was!" schob Linguri seinen Einwand beiseite. "Es ist uns eine Ehre, nicht wahr?" Alle Anwesenden stimmten lautstark zu.
Kuja wusste, er hatte verloren. "Na, also gut!" Er nickte. "Dann soll es so sein!"
"Ihr werdet es nicht bereuen!" sagte Avato. "Linguri ist ein ausgezeichneter Koch. Ihr werdet euch alle zehn Finger danach lecken!"
Kuja nickte.
"Aber jetzt...!" Avato breitete seine Arme aus und begrüßte damit einen Mann, der ein halbes Dutzend Bierkrüge in den Händen hielt und sie jetzt krachend auf die Tischplatte knallte. "...wollen wir erst einmal trinken!" Er reichte Kuja einen Krug und nahm sich selbst einen anderen.
Der Fürstensohn nahm ihn entgegen. "Aber nur diesen einen!" sagte er.
Avato nickte. "Abgemacht!"
Kuja blickte zu Giovanni und Tizian. "Ihr seid mir dafür verantwortlich, dass wir nicht wieder über die Stränge schlagen!"
"Natürlich!" rief Giovanni grinsend, nahm sich ebenfalls einen Krug und reichte einen an Tizian weiter. Kuja sah seinen blonden Freund zweifelnd an, doch als dieser nickte, war er wieder zufrieden.
"Und jetzt, auf euer Wohl!" Avato hielt seinen Krug in die Höhe.
Kuja schlug seinen eigenen dagegen und trank. Doch nur kurz, dann musste er wieder absetzen. Dabei stöhnte und hustete er gleichzeitig. "Oh Mann!" rief er, während er sich zusätzlich noch schüttelte. "Das ist aber herb!"
Avato, der natürlich einen deutlichen größeren Schluck genommen hatte, grinste beim Absetzen des eigenen Kruges. "Raue Bergluft!" sagte er.
"Und stark!" fügte Kuja hinzu. Er war sicher, noch nie ein stärkeres Bier getrunken zu haben. "Verdammt stark!" Er spürte, wie sich Wärme in seinem Magen ausbreitete, die er eigentlich nur von Gebranntem kannte.
Wieder grinste Avato. "Winterhopfen! Der hat das Leben eines ganzen Jahres in sich!"
Kuja lächelte und obwohl er es eigentlich nicht wollte, hatte er doch Geschmack an dem Gebräu gefunden und schon trank er einen zweiten Schluck.
Als er den Krug dann wieder absetzte, ging die Außentür erneut auf und ein gutes Dutzend weiterer Personen kamen herein. Es waren hauptsächlich Frauen, einige ältere, aber auch jüngere. Offensichtlich hatte sich seine Anwesenheit schnell im Dorf herumgesprochen und ehe er es sich versah, wurde aus dem gemütlichen Beisammensein ein echtes, kleines Dorffest.
Eine gute halbe Stunde später war das Fest in vollem Gange.
Linguri hatte mit Hilfe einiger Frauen Braten, Gemüse und weitere Beilagen aufgetragen.
Obwohl er schon bei Torrini gegessen hatte, verspürte Kuja angesichts des überaus leckeren Geruchs, der ihm in die Nase stieg, erneut großen Hunger. Er sollte es auch nicht bereuen. Linguri war ein wirklich ausgezeichneter Koch. Der Braten, aber auch das Gemüse schmeckten noch viel besser, als es der Geruch verhieß. Kuja langte kräftig zu und nahm auch noch einmal Nachschlag. Giovanni tat es ihm gleich, während Tizian sich mit einer ordentlichen Portion begnügte, sich danach aber doppelt auf den Nachtisch stürzte, einem sehr leckeren, süßen Brei aus gestampften Äpfeln und Birnen und in Honig karamellisierten Nüssen.
Am Ende waren alle drei rundum satt und zufrieden. Einen Nachteil hatte Linguris Essen aber dann doch: Es war sehr kräftig gewürzt und gehaltvoll. Das hatte zur Folge, dass die drei Freunde zum Essen jeweils zwei Schnäpse trinken mussten, um den Magen zu besänftigen.
"Und?" fragte Avato. "Hab ich zu viel versprochen?"
Kuja schüttelte den Kopf. "Ganz im Gegenteil!" Er drehte sich herum. "Linguri?"
"Ja?" Der Koch saß einen Tisch weiter.
Kuja hob seinen Krug. "Das Essen war absolut köstlich. Kompliment an deine Künste!"
Linguri wurde augenblicklich puterrot, doch grinste er bis über beide Ohren. Auch er hob seinen Krug. "Vielen Dank Herr!"
Kuja wollte ansetzen, als er merkte, dass der Krug so gut wie leer war.
Avato registrierte das, griff nach einem vollen Krug in der Mitte des Tisches und schob ihn Kuja vor die Nase. Der sah ihn zunächst überrascht an, doch Avato nickte einfach nur mit einem Grinsen und so nahm er ihn und trank einen Schluck daraus.
Das wiederum bekam Tizian mit. Er beugte sich zu Kuja. "Du wolltest es bei einem Krug belassen!" sagte er mit ernster Miene.
Kuja nickte. "Das Essen war aber sehr gut gewürzt! Ich habe Durst!" verteidigte er sich.
"Trotzdem!" beharrte Tizian jedoch.
"Du solltest es wirklich lassen!" Ohne dass es die beiden gemerkt hätten, hatte sich Giovanni zu ihnen gebeugt.
"Was?" Kuja war sichtlich erstaunt, dass ausgerechnet sein dunkelhaariger Freund für Tizian Partei ergriff. Normalerweise war er immer derjenige, der zu allen Schandtaten bereit war. "Warum?"
"Weil du wohl besser nüchtern bleiben solltest!" Giovanni sah ihn mit einem merkwürdigen Grinsen an.
"Warum?"
"Weil du...!" Sein Freund drehte seinen Kopf und sah zur anderen Seite der Schankstube. "...schon seit geraumer Zeit beobachtet wirst!"
Kuja war nicht betrunken - und auch noch weit davon entfernt.
Vielleicht war er ein wenig angeheitert, aber lange noch nicht genug, als das er nicht noch genau mitbekommen hätte, was um ihn herum geschah.
Und deshalb wusste er, wovon Giovanni sprach, noch bevor er seinem Blick folgte.
Sie war ihm schon aufgefallen, als sie zusammen mit den anderen Frauen zu Beginn der Feier in die Schankstube gekommen war. Neben ihrer offensichtlichen Schönheit, war es ihr aufrechter Gang gewesen, der sie größer und irgendwie... edler gegenüber den anderen Damen hatte wirken lassen.
Danach konnte er sie stets nur für einen kurzen Augenblick erhaschen, musste aber immer wieder feststellen, dass auch ihr Blick offensichtlich in seine Richtung ging.
Dann wurde das Essen aufgetragen und diese Frau brachte eine große Platte mit saftigem Wildschweinbraten direkt an seinen Tisch. Kuja wusste, dass dies von ihr beabsichtigt gewesen war, denn sie drängelte sich geschickt und ohne Mühen nach vorn.
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