Beispiel:
A, B und C gründen eine Kommanditgesellschaft. Die Hauptgeldgeber A und B sollen Kommanditisten, C soll persönlich haftender Gesellschafter sein. Im Gesellschaftsvertrag wird vereinbart, dass der persönlich haftende Gesellschafter nur insoweit vertretungsbefugt sein soll, als er Rechtsgeschäfte abschließt, deren Gegenstandswert 500 € nicht übersteigt. Nach der gesetzlichen Regelung hat der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft unbeschränkte Vertretungsmacht. Der Umfang der Vertretungsmacht betrifft das Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten (das Außenverhältnis). Die Vereinbarung über die Beschränkung der Vertretungsmacht ist deshalb unwirksam[3]. Eine Regelung über Umfang und Art der Vertretungsmacht entzieht sich der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter.
50
Was die Gestaltung der inneren Strukturder Gesellschaft anbetrifft, d.h. des Verhältnisses der Gesellschafter untereinander (Innenverhältnis), so besteht in größerem Umfange Gestaltungsfreiheit, da nicht die Rechte außenstehender Dritter gefährdet sind. Es ist grundsätzlich möglich, die gesetzlichen Regelungen durch Vereinbarungen zu ergänzen oder von den gesetzlichen Regelungen abzuweichen. So mag die im obigen Beispiel genannte Regelung dahingehend ausgelegt oder umgedeutet werden können, dass der C vor dem Abschluss von Rechtsgeschäften über 500 € seine beiden Mitgesellschafter um Erlaubnis fragen muss. Siehe ferner die Lösung zu Fall 4 ( Rn. 53).
Auch bei den Gesellschaften, die juristische Personen sind, besteht im Hinblick auf ihre Beziehungen zu Dritten (Außenverhältnis) keine Gestaltungsfreiheit. Im Vergleich zur BGB-Gesellschaft, zur OHG und zur KG ist zusätzlich die Gestaltungsfreiheit bei der inneren Struktur dieser Gesellschaften (Innenverhältnis)erheblich eingeschränkt.
Beispiel:
Die gesetzlichen Bestimmungen über die Satzung einer Aktiengesellschaft sind zwingend, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich eine Ausnahme zulässt (§ 23 Abs. 5 AktG).
Bei der GmbH besteht hingegen mehr Gestaltungsfreiheit, da der Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander ergänzende Regelungen enthalten kann und eine dem § 23 Abs. 5 AktG vergleichbare Vorschrift im GmbHG fehlt. Aber auch im GmbHG finden sich zwingende Regeln über das Innenverhältnis, beispielsweise § 51a Abs. 3 GmbHG.
Wenn die Gesellschafter bei der Schaffung des Gesellschaftsvertrages die objektiv-rechtlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit (Vertragsfreiheit) überschritten haben, kann eine Wirksamkeitskontrolle nach §§ 134, 138 BGB stattfinden, die zu Feststellung der Unwirksamkeit der entsprechenden Vertragsteile führen kann.[4]
51
Eine zulässige Formenvermischung kann dadurch erreicht werden, dass eine Aktiengesellschaft oder GmbH Gesellschafterin einer Personenhandelsgesellschaft wird, wie das etwa bei der GmbH & Co. KG der Fall ist (die GmbH ist dabei persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft).
52
Lösung zu Fall 3:
Die von A, B und C vorgesehene Gesellschaftsform ist im Gesetz nicht geregelt. Es handelt sich vielmehr um eine vom Gesetzgeber bisher nicht übernommene Neuschöpfung. Im Gesellschaftsrecht gibt es nur eine beschränkte Zahl von Gesellschaftsformen, unter denen die Gründer einer Gesellschaft wählen können (numerus clausus). Die Gesellschafter können also nur eine der vom Gesetzgeber angebotenen Rechtsformen auswählen; sie dürfen keine neuen Gesellschaftsformen erfinden und zur Grundlage ihrer Vereinbarung machen. Da A, B und C eine vom Gesetzgeber nicht zugelassene Gesellschaftsform, nämlich eine Handelsgesellschaft auf Einlagen, vereinbaren wollten, kann es nicht zu einer wirksamen Gesellschaftsgründung kommen.
53
Lösung zu Fall 4:
Das Gesetz sieht für die Kommanditgesellschaft keinen Aufsichtsrat oder Beirat vor. Bei Personengesellschaften ist im Rahmen der Vertragsfreiheit der Spielraum jedenfalls für die Ausgestaltung des Innenverhältnisses relativ groß. Deshalb bestehen keine Bedenken, im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Kommanditgesellschaft durch die Schaffung eines solchen Gremiums eine von der üblichen Gestaltung abweichende Struktur zu geben. Die Schaffung eines Aufsichtsrats oder Verwaltungsrates, der für die vielen Kommanditisten die Kontrollrechte wahrnehmen soll, ist also zulässig.
Teil II Die BGB-Gesellschaft
§ 4 Begriff und Bedeutung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Gesellschaftsvertrag
54
Fall 5:
S, W und K schließen sich zusammen, um Düngemittel an- und weiterzuverkaufen. Schon im ersten Jahr erzielen sie einen Umsatz von über 1,5 Mio €. Sie sind der Meinung, es handele sich um eine BGB-Gesellschaft. Zu Recht? Rn. 78
55
Fall 6:
Ein Gesellschafter verpflichtet sich im Gesellschaftsvertrag zur Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ein Grundstück einzubringen, das zum Gesellschaftsvermögen gehören soll. Ist ein handschriftlich abgeschlossener Gesellschaftsvertrag wirksam? Rn. 79
Literatur:
Ballerstedt, Der gemeinsame Zweck als Grundbegriff des Rechts der Personengesellschaften, JuS 1963, 253 ff.; K. Schmidt, Neuregelung des Rechts der Personengesellschaften? – Vorüberlegungen für eine konsistente Reform, ZHR 177 (2013), 712 ff.; Wiedemann, Der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaften, WM 1990, Sonderbeilage Nr. 8, S. 1 ff.; Winzer, Forschungs- und Entwicklungsverträge, 2006; Zuck, Die berufsrechtliche Zulassung der Anwalts-GmbH, AnwBl 1999, 297 ff.
56
Hinweise zur Rechtslage nach dem MoPeG werden am Ende wichtiger Abschnitte in einem eigenen Absatz zusammengefasst, der jeweils die Überschrift trägt: „Rechtslage nach dem MoPeG“. Soweit das MoPeG keine inhaltlichen Veränderungen bringt, werden die neuen Vorschriften mit dem Zusatz (BGB-E) in Klammern genannt, wenn geltende Regeln des BGB zitiert werden. Vorab eine Synopse der neuen Regeln (eine entsprechende Synopse zum HGB nach dem MoPeG findet sich vor Rn. 301):
BGB |
BGB-MoPeG |
|
BGB |
BGB-MoPeG |
§ 705 |
§ 705 |
|
§ 725 |
§ 726 |
§ 706 |
§ 709 |
|
§ 726 |
§ 729 Abs. 2 |
§ 707 |
§ 710 |
|
§ 727 Abs. 1 |
§ 730 Abs. 1 |
§ 708 |
Entfällt |
|
§ 727 Abs. 2 |
§ 730 Abs. 1 |
§ 709 |
§§ 714, 715 |
|
§ 728 Abs. 1 |
§ 729 Abs. 1 Nr. 3 |
§ 710 |
§ 715 Abs. 3 |
|
§ 728 Abs. 2 |
§ 730 Abs. 2 |
§ 711 |
§ 715 Abs. 4 |
|
§ 729 |
§ 736b Abs. 2 |
§ 712 Abs. 1 |
§ 715 Abs. 5 |
|
§ 730 Abs. 1 |
§ 740b Abs. 2 |
§ 712 Abs. 2 |
§ 715 Abs. 6 |
|
§ 730 Abs. 2 S. 1 |
§ 736d Abs. 2 |
§ 713 |
§§ 715, 716, 717 |
|
§ 730 Abs. 2 S. 2 |
§ 736b |
§ 714 |
§ 720 |
|
§ 731 |
§ 735 Abs. 1 (bzw. § 740b) |
§ 715 |
§ 720 Abs. 4 |
|
§ 732 |
(§ 736d Abs. 5 S. 2), § 985 BGB |
§ 716 |
§ 717 |
|
§ 733 Abs. 1 |
§ 736d Abs. 4 Sätze 1, 2 |
§ 717 |
§ 711a |
|
§ 733 Abs. 2 |
§ 736d Abs. 5 S. 1 |
§ 718 |
§ 713 |
|
§ 734 |
§ 736d Abs. 6 |
§ 719 |
Entfällt |
|
§ 735 |
§ 737 |
§ 720 |
Entfällt |
|
§ 736 |
§ 723 Abs. 1, Abs. 3, § 728 und § 728a (bzw. § 740c) |
§ 721 |
§ 718 |
|
§ 736 Abs. 2 |
§ 728b |
§ 722 |
§ 718 |
|
§ 737 |
§ 727 |
§ 723 Abs. 1 |
§ 725 Abs. 1 und Abs. 2 |
|
§ 738 BGB |
§ 712 Abs. 1, § 728 |
§ 723 Abs. 2 |
§ 725 Abs. 5 |
|
§ 739 BGB |
§ 728a |
§ 724 |
§ 725 Abs. 1 |
|
§ 740 BGB |
Entfällt |
I. Begriff und Bedeutung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
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