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Wenn man verbleibende Unterschiede zwischen Juristischen Personen und Personengesellschaften finden will, die nicht so einfach durch Vollmachten oder Vertrag eingeebnet werden können, muss man mittlerweile schon mit der Lupe suchen. Es gibt sie aber noch. Sie sind im Grad der rechtlichen Verselbständigung der Gesellschaft nach innen, also gegenüber ihren Gesellschaftern bzw. Mitgliedern zu suchen.[10]
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Nur bei der juristischen Person sind eigene Anteile möglich, d.h. ein Gesellschaftsanteil wird von der Gesellschaft selbst gehalten, bei Personengesellschaften nicht (§ 711 Abs. 1 S. 2 BGB-E). |
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Die Mitgliedschaft ist bei der juristischen Person so weitgehend abstrahiert (quasi verdinglicht), dass ein und dieselbe Person mehrere verschiedene Mitgliedschaften an derselben juristischen Person innehaben kann, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal nehmen können. |
Beispiel:
ein Aktionär kann einen Teil seiner Aktien verpfänden, den übrigen Teil aber nicht.
Bei den Personengesellschaften ist dies hingegen gesetzlich ausgeschlossen.
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Die Personengesellschaft ist nach wie vor „Gesellschaft“, d.h. sie existiert nicht unabhängig von einem Verband aus mindestens zwei Gesellschaftern. Sobald der vorletzte Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet (z.B. durch Tod oder Kündigung), erlischt die Gesellschaft sofort, automatisch und ohne Liquidation (so schon BGH NZG 2018, 1148 Rn. 10, nunmehr ausdrücklich festgehalten in § 712a BGB-E). Das ist bei juristischen Personen naturgemäß anders, da sie ja von vornherein auf Mitgliederunabhängigkeit ausgelegt sind (siehe bereits oben zur Einpersonenkapitalgesellschaft Rn. 25). |
Beispiel:
Stirbt etwa einer von zwei Gesellschaftern einer GmbH, so vererbt er seinen Anteil an seine Nachkommen, auf das Fortbestehen der GmbH hat das (vorbehaltlich anderslautender Satzungsbestimmungen) zunächst keinen Einfluss.
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Fraglich ist, ob es auch eine Ein-Personen-Personen„gesellschaft“ geben kann. Während die Gründung einer Personengesellschaft mit nur einer Person nach geltendem Recht nicht möglich ist, wird die Ein-Personen-Personengesellschaft als Fortsetzungs- oder Liquidationsgesellschaft zur Diskussion gestellt und von manchen bejaht. Weimar[11] verweist in diesem Zusammenhang auf die EWIV-Regelung des europäischen Gesellschaftsrechts, nach der eine EWIV mit nur einem Gesellschafter grundsätzlich bestehen kann. Gegen die Möglichkeit einer solchen Ein-Personen-„Personengesellschaft“ sprechen allerdings die Gesetzesmaterialien zu § 140 Abs. 1 S. 2 HGB.[12]
4. Juristische Personen und Personengesellschaften als Grundrechtsträger
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Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte „auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.“ Grundrechtsfähig sind demnach in der Regel nur inländische juristische Personen des Privatrechts. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten die Grundrechte grundsätzlich nicht, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen.[13] Ausnahmsweise gelten sie aber auch für diese, wenn das den Bürgern zur Verwirklichung ihrer Grundrechte dient. Das trifft z.B. im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit auf die Universitäten und deren Fakultäten zu.[14]
Die Einschränkung in Art. 19 Abs. 3 GG „soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind“ legt das Bundesverfassungsgericht[15] dahingehend aus, dass es nur dann gerechtfertigt sei, juristische Personen in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte einzubeziehen, wenn deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen sei, insbesondere, wenn der „Durchgriff“ auf die hinter ihr stehenden Personen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen lasse.
Die Grundrechtsfähigkeit hat das Bundesverfassungsgericht u.a. den folgenden juristischen Personen des Privatrechts zuerkannt: Aktiengesellschaft, GmbH, Kommanditgesellschaft auf Aktien, eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung.[16]
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Das Bundesverfassungsgericht hat den Grundrechtsschutz allerdings nicht auf die juristischen Personen des Privatrechts beschränkt, sondern auch auf privatrechtlich Personenvereinigungen ausgedehnt, soweit es sich um privatrechtlich statuierte Organisationseinheiten handelt, denen die Rechtsfähigkeit zuerkannt wird. Der Grundrechtsschutz bezieht sich in solchen Fällen auf diejenigen Tätigkeitsbereiche, die sich aus Gesetz und Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag ergeben.[17] Als grundrechtsfähige Personenvereinigungen in diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht bislang anerkannt: die OHG[18], die KG[19] und die BGB-Gesellschaft.[20]
Zu den Grundrechten, in deren Schutz juristische Personen und andere rechtsfähige Personenvereinigungen einbezogen worden sind, gehören z.B.: die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG), die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).[21]
An die Grundrechte gebunden, d.h. grundrechtsverpflichtet, ist grundsätzlich nur die staatliche Gewalt.[22] Eine umfassende Grundrechtsverpflichtung Privater lässt sich aus dem Grundgesetz nicht ableiten. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings solche Unternehmen, die zwar in Privatrechtsform betrieben, aber qua Beteiligung von der öffentlichen Hand beherrscht werden, zum Teil an die Grundrechte gebunden.[23] Nach dem Fraport-Urteil[24] hat das zur Folge dass das von der öffentlichen Hand beherrschte Frankfurter Flughafenunternehmen Fraport, eine AG, öffentliche Versammlungen in den Terminals wegen der Bindung an Art. 8 Abs. 1 GG (Versammlungsfreiheit) dulden muss.[25]
III. Der Begriff Kapitalgesellschaft
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Häufig wird, wenn die verschiedenen Vereinigungsarten eingeteilt werden, auch der Begriff Kapitalgesellschaft verwandt. Man kann die verschiedenen Organisationsformen in Personengesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits einteilen.
Personengesellschaftensind: die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Partnerschaftsgesellschaft und die stille Gesellschaft.
Kapitalgesellschaftensind: die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Letztere sind juristische Personen und damit rechtsfähig. Sie werden auch deshalb Kapitalgesellschaften genannt, weil bei ihnen die Höhe der eingezahlten Kapitalbeträge auch die Zahl der Stimmrechte der Gesellschafter und damit ihren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft bestimmt sowie ausschlaggebend für die Gewinnverteilung ist.
IV. Europäische Gesellschaftsformen
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Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) am 1.1.1989 ist in Deutschland die Voraussetzung dafür geschaffen worden, dass Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft als zusätzliche Rechtsform für die Organisation grenzüberschreitender Zusammenarbeit die „Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung“ (EWIV)benutzen können.
Aus dem AEU-Vertrag selbst ergibt sich, dass die Schaffung eines gemeinsamen Marktes auch Maßnahmen im Bereich des Gesellschaftsrechts erfordert[26]. Die „Verordnung (EWG) des Rates vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV)“[27] bildet die Grundlage für die Schaffung einer Gesellschaftsform europäischen Rechts, die trotz der verschiedenen Bestimmungen in den Einzelstaaten einen einheitlichen Organisationsrahmen hat[28].
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