»Setzt das Schiff in Brand!« rief ich meinen Männern zu.
Sie eilten unter Deck.
Weitere Tarns kehrten zurück, und immer mehr Männer, manchmal sieben an einem Seil, wurden vom Schiff getragen.
Schon begann sich Rauch durch die Decksritzen zu kräuseln.
Meine Männer wehrten enternde Kämpfer ab, stießen ein gegnerisches Schiff mit den Rudern zurück.
Ein weiteres Schiff näherte sich unserer Flanke, wobei es die Ruder abscherte. Meine Männer eilten hinüber, um es fortzustoßen.
»Seht doch!« rief ein Krieger.
Ein großer Jubel setzte ein. Das Schiff trug die Flagge Bosks. »Tab!« brüllten sie. »Tab!«
Es war die Venna, die kühn vorgestoßen war, um uns zu befreien. Ich sah Tab, der sogar bei dieser Kälte schwitzte, am Heck seines Schiffs.
Im nächsten Augenblick tauchte auf der anderen Seite die Tela auf, das Schwesternschiff der Venna. Die schweren Dollborde, parallel verlaufende Balken, die ihre Außenwandung schützten, wiesen zahlreiche neue Schrammen auf und waren halb abgerissen.
Meine Männer sprangen hastig hinüber. Ich winkte Tarnkämpfer fort, die jetzt erst das Flaggschiff anflogen, um unsere Soldaten abzuholen.
Ringsum brannten Schiffe. Im nächsten Augenblick loderten auch bei uns die Flammen hoch auf.
Männer aus Tyros, die sich bis jetzt an Bord gehalten hatten, sprangen nun auch in das kalte Wasser, um zu anderen Schiffen zu schwimmen. In einigen hundert Metern Entfernung sah ich Gestalten an Bord von Tarnschiffen klettern, einige sogar über die Ruder.
Chenbar und ich blieben allein an Bord des Flaggschiffs zurück. Ich stieg in den Tarnsattel.
Chenbar schüttelte verzweifelt den Kopf, sprang auf. »Kämpft!« brüllte er seinen fernen Schiffen zu. »Kämpft!«
Ich zog am ersten Zügel, und der Tarn sprang in den Wind. Chenbar aus Kasra, Ubar von Tyros, baumelte gefesselt unter mir, der Wut des Winds und des peitschenden Schneesturms hilflos ausgeliefert, ein Gefangener Bosks, eines Kapitäns aus Port Kar, Admiral der Flotte dieser Stadt.
Als wir das eisige Deck der Dorna erreichten, erhoben sich meine Männer von ihren Ruderbänken und brüllten begeistert herauf.
»Führe den Gefangenen unter Deck«, sagte ich zu einem Offizier. »Er muß angekettet werden. Der Rat wird entscheiden, was aus ihm wird.«
Wieder klang Jubelgeschrei auf.
Chenbar blieb einen Augenblick lang vor mir stehen, die Fäuste geballt, das Gesicht vor Wut verzerrt, dann wurde er herumgerissen und von zwei Seeleuten unter Deck geschleift.
»Wahrscheinlich endet er in den Lumpen eines Sklaven auf irgendeiner Galeere«, bemerkte der Rudermeister.
»Admiral!« rief eine Stimme aus dem Mastkorb. »Die Flotte aus Cos und Tyros dreht ab! Sie flieht!«
Ich begann zu zittern und brachte kein Wort heraus. Die Männer ringsum jubelten.
Dann sagte ich: »Ruft unsere Schiffe zurück!«
Männer rannten los, um unseren Reserveschiffen zu signalisieren, sie sollten sich der kämpfenden Flotte nähern und den Rückzug anordnen.
Die Dorna kämpfte nun mit den Wellen wie ein gefangener Sleen. Ich blickte zu den Rundschiffen hinüber, die ebenfalls wie wild auf den Wogen tanzten.
»Anker lichten!« befahl ich. »Und setzt das Sturmsegel.«
Männer hasteten los, während ich signalisieren ließ, jedes Schiff sollte sich nach bestem Vermögen sofort in Sicherheit bringen. Es war unmöglich, den Sieg über die Flotte aus Cos und Tyros auszukosten und den fliehenden Einheiten etwa nachzusetzen.
Ich stand auf dem schwankenden Deck der Dorna, mit dem Rücken zum Sturm. Der Admiralsumhang, den meine Männer vom Rundschiff mitgebracht hatten, wurde mir gebracht, und ich wickelte mir zitternd vor Kälte den dicken Stoff um die Schulter. Man reichte mir eine Schale mit heißem Paga.
»Der Siegestrank«, sagte der Rudermeister.
Ich grinste. Ich fühlte mich gar nicht wie ein Sieger. Mir war kalt, aber ich lebte. Ich schlürfte dankbar den heißen Paga.
Die Rah war herabgelassen worden, damit das kleine dreieckige Sturmsegel gesetzt werden konnte. Die Anker wurden gelichtet, und die Rah, von Flaschenzügen gehoben, begann am Mast emporzusteigen. Inzwischen zogen die Steuerbordruder auf Zuruf des Rudermeisters das Schiff herum, um das Heck in den Wind zu bringen. Der Sturm packte unsere Flanke, und die Dorna neigte sich nach Lee. Das Deck wurde von zwei Brechern überspült. Die beiden Steuerleute mühten sich mit ihren Seitenrudern, drehten das Schiff herum. Dann hatten wir den Wind von achtern und der Rudermeister begann seinen Schlagrhythmus, trieb das Schiff an, bis das Sturmsegel der vollen Wucht des Windes ausgesetzt war. Die Dorna wurde wie von einer Riesenfaust gepackt, der Mast knirschte, und eine schreckliche Sekunde lang neigte sich der Bug unter Wasser, ehe er wieder in die Höhe kam und den Himmel auszufüllen schien.
»Zieht durch!« rief der Rudermeister, dessen Stimme im Toben des Winds fast unterging. »Zieht – durch! Zieht – durch!«
Die Trommel legte die höchste Schlagzahl vor. Das winzige Sturmsegel, das sich im Wind blähte, zerrte an der Takelage. Die Dorna schnitt durch das Wasser, durchpflügte die Wellen, die sich zu beiden Seiten hoch auftürmten. Sie würde es überstehen.
Ich wußte nicht, ob der errungene Sieg entscheidend für die Stellung Port Kars war oder nicht, aber eins war mir klar – der fünfundzwanzigste Se’Kara, der heutige Tag, würde in Port Kar nicht so schnell vergessen werden, in der früher so verhaßten Stadt, die nun einen Heimstein gefunden hatte, in jener Stadt, die man die Geißel des schimmernden Thassa nannte, die sich jetzt jedoch einen besseren Ruf erwerben konnte, vielleicht sogar als Juwel des Meeres. Ich fragte mich, wieviele Männer überall auf Gor erzählen würden, sie hätten am fünfundzwanzigsten Se’Kara vor Port Kar mitgekämpft, im Schneesturm in tobender See und unter schwarzem Himmel. Ich lächelte. Dieser Tag würde zweifellos ein Feiertag in Port Kar werden.
Ich ging zu dem Tarn, der mich zur Dorna getragen hatte, zog meinen Admiralsmantel aus und legte ihn dem zitternden Vogel über den Rücken.
In der Nähe stand der Sklavenjunge Fisch.
Ich hob den Kopf und sah in seinen Augen Verständnis für mein Tun. »Ich komme mit«, sagte er.
Ich wußte, daß sich die Schiffe der Ubars Eteocles und Sullius Maximus unserer Flotte nicht angeschlossen hatten. Ich wußte auch, daß die Blockade der letzten Festung des Sevarius aufgehoben worden war, damit die Wachschiffe an der entscheidenden Schlacht teilnehmen konnten. Es hatte einen Informationsaustausch zwischen Claudius, dem Regenten Henrius Sevarius’, und Cos und Tyros gegeben, das wußte ich. Es wäre verblendet, anzunehmen, daß kein ähnlicher Kontakt zwischen Cos und Tyros und Eteocles Sullius Maximus bestanden hatte. So war nun mit einer gemeinsamen Aktion zu rechnen. Vielleicht stand die Ratshalle der Kapitäne bereits in Flammen. Die beiden Ubars und der Regent Claudius mochten bereits ihre Herrschaft ausgerufen haben, ein Triumvirat für Port Kar. Sie konnten sich natürlich nicht lange halten, denn Port Kar hatte die Seeschlacht nicht verloren. Wenn der Sturm nachließ – ob in Stunden oder erst in einem oder zwei Tagen –, würde die Flotte in Port Kar einlaufen. Aber inzwischen würden die beiden Ubars und Claudius in ihrer Ahnungslosigkeit über das Ergebnis der Schlacht die Stadt von denen zu befreien suchen, die gegen sie waren.
Ich fragte mich, ob mein Haus noch stand.
Ich ließ dem Tarn Fleisch bringen, große Brocken Tarskfleisch, die ich ihm vorwarf. Das Tier zerrte gierig an den Brocken.
»Ich komme mit«, sagte der Junge noch einmal.
Im Gürtel seiner Tunika steckte das Schwert, das ich ihm vor Beginn des Kampfs von einem Offizier hatte geben lassen.
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