Mütter stehen ständig im Trommelfeuer der Kritik. Bleiben sie zu Hause, wirft man ihnen vor, dass sie ihre Kinder überbehüten, gehen sie aber einer Arbeit nach, verdächtigt man sie, ihre Kinder zu vernachlässigen und nur ihr eigenes Wohl zu suchen. So werden die neuen Freiheiten für viele Frauen auch zur Zerreißprobe und trüben das erwartete Mutterglück.
„Modern Moms“
Jedes Elternpaar strickt sich heute das eigene Familienmuster selbst. Das ist Vorrecht und Herausforderung zugleich. Laut der oben zitierten Studie gehen moderne Mütter ihre Aufgabe ganz unterschiedlich an:
• Manche Mütter verschreiben sich komplett der Kindererziehung und organisieren das Projekt Kind mit ähnlichem Perfektionismus wie früher ihre Karriere.
• Andere Mütter sehen die Gelassenheit als erstes Ziel in ihrer Lebensführung mit Kindern.
• Und wieder andere Mütter sind unzufrieden mit dem Brachliegen ihrer beruflichen Kenntnisse in der Zeit der Erziehung kleiner Kinder.
• Klassische Karrieremütter sind super organisiert, haben aber oft ein schlechtes Gewissen – allen gegenüber.
• Jüngere Mütter oder alleinerziehende Mütter schaffen ihren Alltag mithilfe der eigenen Eltern und/oder einem breiten Netzwerk.
Was passt für Sie? Interessanterweise können sich Kinder in all diesen unterschiedlichen Umständen gut entwickeln. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass das Elternpaar eine sichere und vertrauensvolle Beziehung zum Nachwuchs aufbauen kann. Erfreulicherweise spielen die Väter dabei heutzutage eine aktivere Erziehungsrolle. Die Resultate der Studie lassen den Schluss zu, dass jede Familie sich individuell entfalten kann und darf.
Also alles paletti? Sie könnten doch jetzt eigentlich einfach das für Sie beste Muttermodell ankreuzen und es ausleben. Die Wirklichkeit ist jedoch komplexer: Verschiedene Lebensumstände, die eigene Persönlichkeit, Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, berufliche Voraussetzungen, Unterstützung bei der Kinderbetreuung beispielsweise durch die Großeltern und anderes entscheiden mit, wie frau ihr Leben gestaltet. Und natürlich spricht auch der Herr Gemahl ein Wörtchen mit. Leider machen wir Frauen uns auch gegenseitig hin und wieder das Leben schwer, indem wir uns mit anderen vergleichen.
So schnell werten wir andere ab, weil sie ihr Leben anders führen als wir selbst. Die unterschiedlichen Lebensentwürfe können aber auch zur Verunsicherung führen, weil man nicht weiß, welchem Vorbild man folgen soll. Und Schuldgefühle folgen auf dem Fuße.
Und noch ein Häppchen aus der Schmunzelecke. Die oben erwähnte Studie Modern Moms – Lebenswelten zwischen Kindern, Karriere und Konsum betrachtete wichtige Trends und wertete unterschiedliche Meinungsumfragen aus. Als Ergebnis kristallisierten sich verschiedene Muttertypen heraus, deren Lebensstile sich weitestgehend voneinander unterscheiden. Das Forscherteam wählte für die Kategorisierung folgende spielerisch trendigen Begriffe: 4
• Die Pippi-Langstrumpf-Mutter ist die beste Freundin ihrer Kinder.
• Die Latte-macchiato-Mutter kauft gerne im Bio-Laden und hat einen kreativen Beruf.
• Die Mommadaddy-Mutter schafft alles ganz allein.
• Die Twen-Mom ist noch keine dreißig.
• Die Multi-Handling-Mutter kombiniert Vollzeitjob mit Kindern.
• Die Hidden-Potential-Mom hätte gerne mehr Verantwortung im Job.
• Die Re-Start-Mutter sucht nach neuen Wegen nach der Kinderzeit ihrer Sprösslinge.
• Die Yo-Mama ist total entspannt.
• Die Profi-Mama perfektioniert das Familienleben.
Wo finden Sie sich wieder? Mutterschaft kann sehr unterschiedlich ausgeübt werden und bereichert unser Leben unendlich. Eigentlich könnte das Leben von uns Müttern so schön sein, wenn nur diese innere Unsicherheit nicht wäre. In den nächsten Kapiteln machen wir uns auf die Suche nach den Ursachen dieser inneren Spannungen und zeigen Wege auf, wie Sie die große Aufgabe der Mutterschaft selbstbewusst und gelassen angehen können.
1Spiegel online, 12. 01. 2015.
2Haug, G., Ich bin doch nur Mutter. Psychologie heute, November 1992.
3Heidenreich, U., Süddeutsche Zeitung, 20. November 2012.
4 http://www.t-online.de/eltern/schwangerschaft/id_19671676/modern-moms-welcher-mutter-typ-sind-sie-.html, aufgerufen am 02. 08. 2016
2.
Supermütter gesucht
Gesucht – ideale Mutter“, titelte einmal eine Modezeitschrift in großen Lettern. Mit diesem Wettbewerb sollte das Interesse der Käuferinnen geweckt werden, und großzügige Preise winkten jenen Frauen, die der Redaktion besonders gute Mütter nennen konnten. Interessant war, welche Kriterien die Zeitschrift für diesen Wettbewerb anlegte: „Damit meinen wir jene Frauen, die ruhig, geduldig und hingebungsvoll ihre Aufgabe als Mutter erfüllen.“
Ich kann mir jedoch vorstellen, dass viele Mütter tausend Gründe fanden, warum sie für diesen Preis nicht infrage kämen … Wenn sie nur schon an die hitzigen Diskussionen am Mittagstisch dachten, waren sie sich sicher, dass diese nicht in das Bild einer guten Mutter passten. Da wäre man schnell disqualifiziert.
Noch immer ranken sich viele Vorstellungen und Erwartungen um die ideale Mutter, nicht zuletzt auch, weil heutzutage ein Kind zum Superprojekt hochstilisiert wird, das man mit großer Umsicht plant und organisiert.
Druck von allen Seiten
Doch die Realität holt die junge Mutter rasch ein – auch wenn sie noch so gut plant und organisiert. Natürlich erlebt man unendlich viele innige Momente mit seinem Kind, doch jeder Tag ist auch eine Herausforderung. Denn das Familienleben ist deutlich anspruchsvoller als ein Bürojob und manche Tage sind mit jeder Art von Pannen gepflastert. Täglich muss man erleben, dass die Kinder keine vorprogrammierten Roboter sind, die man per Fernbedienung von einer Aufgabe zur andern lotsen kann. Der Erziehungsalltag ist anstrengend: Hundertmal sagt man dasselbe und auch dann klappt es nicht immer.
Ich selbst stieg damals sehr optimistisch in den Job als Familienfrau um. Für eine erfahrene Lehrerin ist die Betreuung eines einzigen Kindes doch ein Kinderspiel, nahm ich an. Leider war aber um 15 Uhr die Arbeit nicht beendet und es gab auch keine freien Nachmittage und Wochenenden mehr. Im Gegenteil, abends stieg der Stresspegel von Stunde zu Stunde an. Sehr bald war mir klar, dass Mütter harte Knochenarbeit leisten.
Als Mutter hat man oft den Eindruck, von den vielen Erwartungen und Ansprüchen von außen regelrecht ausgepresst zu werden. Man bekommt Sätze zu hören wie diese:
„Und diesen Fraß soll ich essen?“
„Nie hast du Zeit für mich.“
„Was – meine Lieblingsjeans sind immer noch nicht gewaschen?“
„Alle anderen dürfen bis zwei Uhr morgens in die Stadt, nur ich nicht, das ist gemein!“
Sind Ihnen solche Sprüche nicht auch allzu gut bekannt? Alle wollen etwas von Ihnen – und wer interessiert sich für Ihr Ergehen?
Dazu gesellen sich die Forderungen der Tiefenpsychologie, die von den Müttern Unmögliches verlangt. Nur wenn Mütter ihre Kinder zärtlich lieben und eng an sich binden, sie aber gleichzeitig nach dem exakten psychologisch erforschten Zeitplan in die Unabhängigkeit entlassen, wachsen sie nach Meinung mancher Fachleute ohne seelische Schäden zu ausgeglichenen Menschen heran. Bei einem derart anspruchsvollen Jobprofil kann man nie alles recht machen!
Nicht immer sind es die Forderungen der anderen, die uns in Atem halten. Denn jeder Mensch nimmt die Erwartungen von außen durch den Filter seiner eigenen Lebenseinstellung auf. Dazu gehören Ansprüche wie:
• „Ich muss es allen recht machen.“
• „Ich darf keine Fehler machen.“
• „Ich muss immer verfügbar sein.“
Wer nach diesen oder ähnlichen Lebensmottos lebt, wird die Aufgaben der Mutterschaft unweigerlich als schwere Bürde erleben. Oft sperren wir uns mit überhöhten Forderungen an uns selbst eigenhändig in ein Gefängnis von Minderwertigkeit und Selbstvorwürfen ein.
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