Annemarie Pieper - Einführung in die Ethik

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Annemarie Piepers bewährte Einführung stellt die verschiedenen Disziplinen der Ethik, ihre Bezüge zu anderen Wissenschaften sowie die Grundfragen und argumentativen Grundformen der Ethik vor, erläutert und kommentiert sie.
Bereits in der 6. Auflage dieses Standardwerks kamen Kapitel zur Biologie sowie zum körperbewussten und zum lebensweltlichen Ansatz hinzu. Das Kapitel zur Wertethik wurde um eine kommentierte Wertetafel ergänzt. Für die 7. Auflage wurden die Ausführungen zur Bioethik, zur Medienethik und zum Moralischen Realismus ergänzt sowie das Literaturverzeichnis auf den neuesten Stand gebracht.

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Annemarie Pieper

Einführung in die Ethik

7., aktualisierte Auflage

A. Francke Verlag Tübingen

© 2017 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

www.francke.de• info@francke.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

ePub-ISBN 978-3-8463-4696-9

Vorwort

Die erste Auflage dieses Buches erschien 1985 unter dem Titel »Ethik und Moral. Eine Einführung in die praktische Philosophie« im BeckBeck, L.W. Verlag (München). Der Text basiert auf dem dreiteiligen Kurs »Einführung in die philosophische Ethik«, den ich 1979/80 im Auftrag der Fernuniversität Hagen für Studierende der Erziehungswissenschaften erarbeitet hatte. Die zweite, gründlich überarbeitete und erweiterte Auflage, die der Entwicklung der Ethik seit 1985 Rechnung trug, erschien 1991 im Francke Verlag (Tübingen und Basel) unter dem Titel »Einführung in die Ethik«. Die dritte Auflage, in welcher das Literaturverzeichnis auf den neuesten Stand gebracht wurde, kam 1994 heraus. Die vierte Auflage (1999) wurde wiederum durchgehend aktualisiert und vor allem in den Kapiteln 2.5, 3.2.1, 3.3.2 und 8. ergänzt. Für die 5. Auflage (2003) wurde Kapitel 7 ergänzt und das Literaturverzeichnis aktualisiert. Die 6. Auflage trug neueren Diskussionsschwerpunkten in der Ethik Rechnung. Entsprechend kamen die Kapitel 3.1.3 (Biologie), 7.2.4 (Der körperbewusste Ansatz) und 7.3.7 (Der lebensweltliche Ansatz) neu hinzu. Ergänzt wurde Kapitel 7.2.1 um eine kommentierte Wertetafel. Schließlich wurde das Literaturverzeichnis auf den neuesten Stand gebracht. Für die siebte Auflage wurden die Ausführungen zur Bioethik, zur Medienethik und zum Moralischen Realismus ergänzt sowie das Literaturverzeichnis aktualisiert.

Basel, im März 2017 Annemarie Pieper

Einleitung

Im Mittelpunkt unserer Überlegungen stehen drei Fragenbereiche:

1 Womit hat es die Ethik als philosophische Disziplin zu tun? Was ist ihr Gegenstand?

2 In welcher Weise beschäftigt sie sich mit diesem Gegenstand? Bildet sie methodische Verfahren aus, die dazu berechtigen, von der Ethik als einer Wissenschaft zu sprechen? Oder steht sie auf einer Stufe mit Weltanschauungen und Ideologien, die keine allgemeine VerbindlichkeitVerbindlichkeit beanspruchen können?

3 Worum geht es der Ethik letztendlich? Was ist ihr Ziel?

Vorab lassen sich noch ohne nähere Begründung folgende Antworten auf diese Fragen skizzieren:

Zu 1. Die Ethik hat es mit menschlichen HandlungenHandeln/Handlung zu tun. Dennoch ist sie keine Handlungstheorie schlechthin, denn ihr geht es vorrangig um solche Handlungen, die Anspruch auf Moralität erheben, um moralische Handlungen also. Sie fragt nach diesem qualitativen Moment, das eine Handlung zu einer moralisch guten Handlung macht, und befasst sich in diesem Zusammenhang mit Begriffen wie Moral, das GuteGute, das, PflichtPflicht, SollenSollen, Erlaubnis, Glück u.a.

Zu 2. Die Ethik beschäftigt sich auf methodische Weise mit ihrem Gegenstand – mit moralischen HandlungenHandeln/Handlungenmoralische(s) –, da sie zu argumentativ begründeten Ergebnissen gelangen will und somit weder moralisieren noch ideologisieren oder weltanschauliche Überzeugungen als allgemein verbindliche Handlungsgrundlage verkünden darf. Ihr ist es demnach um Aussagen zu tun, die nicht bloß subjektiv gültig, sondern als intersubjektiv verbindlich ausweisbar sind.Man unterscheidet in der Ethik grob zwei Kategorien von ethischen MethodenMethodeBegriff der: deskriptive und normative Methode. Die deskriptive Methode ist ein beschreibendes Vorgehen: Es werden die faktischen Handlungs- und Verhaltensweisen in einer bestimmten Gesellschaft oder Gemeinschaft daraufhin untersucht, welche Wertvorstellungen und Geltungsansprüche in ihnen wirksam sind. Diese bilden den in der untersuchten Handlungsgemeinschaft geltenden, d.h. die dort übliche PraxisPraxis ebenso wie die Urteile über diese PraxisPraxis leitenden MoralkodexMoralkodex, dessen Verbindlichkeit von den meisten Mitgliedern dieser Gemeinschaft anerkannt ist. Die normative Methode hingegen ist ein präskriptives, ein vorschreibendes Verfahren. Bei dieser Methode ist die Gefahr der Ideologisierung von einem dogmatischen Standpunkt aus naturgemäß viel größer als beim deskriptiven Verfahren, das lediglich konstatiert, was gilt , ohne sich dazu zu äußern, was gelten soll. Aber bekanntlich kann man auch reines Faktenmaterial durch die Art der Auswahl oder die Form der Zusammenstellung so manipulieren, dass bestimmte Werturteile suggeriert werden. Normative Methoden in der Ethik sind nur als kritische Methoden zulässig, d.h. als Methoden, die keine direkten Handlungsanweisungen geben von der Art ›In der Situation Z musst du y tun‹. Vielmehr hat eine normativ verfahrende Ethik Kriterien zu entwickeln, die eine moralische Beurteilung von Handlungen ermöglichen, ohne sie bereits vorwegzunehmen. Diese Beurteilungskriterien müssen ständig hinterfragbar, überprüfbar – eben kritisierbar sein.

Zu 3. Was das Ziel der EthikEthikZiele der anbelangt, so artikuliert sich ihr Interesse in einer Reihe von Teilzielen:

Aufklärung menschlicher PraxisPraxis hinsichtlich ihrer moralischen Qualität;

Einübung in ethische Argumentationsweisen und Begründungsgänge, durch die ein kritisches, von der Moral bestimmtes Selbstbewusstsein entwickelt werden kann;

Hinführung zu der Einsicht, dass moralisches Handeln nicht etwas Beliebiges, Willkürliches ist, das man nach Gutdünken tun oder lassen kann, sondern Ausdruck einer für das Sein als Mensch unverzichtbaren Qualität: der HumanitätHumanität.

Diese Ziele enthalten sowohl ein kognitives Moment als auch ein nicht mehr allein durch kognitive Prozesse zu vermittelndes Moment: das, was man als VerantwortungsbewusstseinVerantwortung oder moralisches EngagementEngagement bezeichnen kann.

Die Grundvoraussetzung jedoch, auf der jede EthikEthik aufbaut, ja aufbauen muss, ist der ›gute WilleWilleguter‹. Guter Wille meint hier die grundsätzliche Bereitschaft, sich nicht nur auf Argumente einzulassen, sondern das als gut Erkannte auch tatsächlich zum Prinzip des eigenen Handelns zu machen und in jeder Einzelhandlung umzusetzen. Wer von vornherein nicht gewillt ist, seinen eigenen Standpunkt in moralischen Angelegenheiten zu problematisieren

sei es, weil er prinzipiell keine anderen Überzeugungen als die eigenen gelten lässt;

sei es, weil er in Vorurteilen verhaftet ist;

sei es, weil er überzeugter Amoralist oder radikaler Skeptiker ist;

sei es, weil er die Verbindlichkeit von moralischen Normen nur für andere, nicht aber für sich selbst anerkennt,

lässt es aus verschiedenen Gründen an gutem Willen fehlen. Mangelnde Offenheit und Aufgeschlossenheit für das Moralische entziehen jeglicher ethischer Verständigung das Fundament. Ethische Überlegungen hätten hier keinen Sinn mehr, so wie z.B. theologische Überlegungen zwar durchaus intellektuell relevant sein mögen, ohne jedoch an ihr eigentliches Ziel zu gelangen, wenn sie nicht zugleich in irgendeiner Form das religiöse Handeln betreffen. Wie niemand durch TheologieTheologie religiös wird, so wird auch niemand durch Ethik moralisch. Gleichwohl vermag die Ethik durch kritische Infragestellung von Handlungsgewohnheiten zur Klärung des moralischen Selbstverständnisses beizutragen. Der Gegenstand der Ethik ist also: moralisches Handeln und Urteilen. Er geht jeden einzelnen, sofern er Mitglied einer Sozietät ist, deren Kommunikations- und Handlungsgemeinschaft er als verantwortungsbewusstes Individuum auf humane Weise mitzugestalten und zu verbessern verpflichtet ist, wesentlich an. Das Leben in einer Gemeinschaft ist regelgeleitet. Die Notwendigkeit von RegelnRegel bedeutet nicht Zwang oder Reglementierung, vielmehr signalisiert sie eine OrdnungOrdnung und Strukturierung von Praxis um der größtmöglichen FreiheitFreiheit aller willen. Ein regelloses Leben ist nicht menschlich. Selbst Robinson auf seiner Insel folgt gewissen, selbst gesetzten RegelnRegel, während der Wolfsmensch RegelnRegel der NaturNatur und damit tierischen Verhaltensmustern folgt.

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