0 Inhalt
1 Glück
1.1 Das Leben als Streben nach dem Glück
1.2 Epistemische Probleme
1.3 Begründungstheoretische Probleme
1.4 Autarkie: Theoretische Glücksversprechen
2 Reichweite?
2.1 Warum moralisch Handeln?
2.2 Dimensionen des Normativen und Evaluativen
2.3 Begründung
2.4 Reichweite der Ethik: eine skeptische Sicht
3 Non-Kognitivismus
3.1 Ein Argument für den Non-Kognitivismus
3.2 Die andere Funktion moralischer Äußerungen
3.3 Indirekte Begründungen
4 Egoismus
4.1 Die Psychologie des Egoismus
4.2 Was ist falsch am psychologischen Egoismus?
4.3 Warum eigentlich nicht egoistisch sein?
5 Utilitarismus
5.1 Das Nutzenprinzip
5.2 Nutzenmaximierung
5.3 Probleme des Nutzenkalküls
6 Deontologie
6.1 Das Richtige, das Gute
6.2 Verpflichtung
6.3 Sich geltend machende Geltung
6.4 Monismus vs. Pluralismus
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7 Konsequenzialismus
7.1 Was ist „Konsequenzialismus“?
7.2 Das Prinzip der doppelten Wirkung
7.3 Das Trolley Problem
8 Tugendethik
8.1 Personbewertung
8.2 Charakterdispositionen
8.3 Die Struktur der Tugenden
8.4 Das gelingende Leben
9 Wertethik
9.1 Werte in der Ethik
9.2 Werte und Werterfahrung
9.3 Attraktivität der Werte
9.4 Magnetismus der Werte
10 Realismus
10.1 Externalistischer Realismus
10.2 Erweiterter Realismus
10.3 Realistische Metaphern
11 Freiheit
11.1 Determinismus
11.2 Indeterminismus
11.3 Kompatibilismus
11.4 Inkompatibilismus
12 Moralpsychologie
12.1 Partikularistische Moralpsychologie
12.2 Holistische Moralpsychologie
12.3 Die Psychologie der Moralpsychologie
12.4 Humesche Moralpsychologien
13 Solidarität
13.1 Freigebigkeit versus Solidarität
13.2 Solidarität versus Barmherzigkeit
13.3 Moralische Gemeinschaft und Begründung
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14 Loyalität
14.1 Moralische Erlösung durch Tugend?
14.2 Das Konzept der Loyalität
14.3 Loyalität als die Moral
14.4 Was ist gute Loyalität?
15 Service
15.1 Allgemeine Hilfsmittel
15.2 Internet Recherchen
15.3 Online Datenbanken zur Philosophie
15.4 Bibliografische Kompetenz, Textkompetenz
15.5 Literatur
15.6 Glossar
15.7 Abbildungsverzeichnis
Impressum
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Abbildung 2: Eingangstor zum Stammlager (Auschwitz I) des Konzentrationslagers Auschwitz (1945)[< 27] Auf dem Bild finden wir offensichtlich den Eingang zu einem Fabrikgelände. Was wird dort hergestellt? Die Schranke ist großzügig geöffnet, einige stehen herum (Bedienstete? Besucher?). Es ist scheinbar ein herrlicher Tag, da die Sonne die Ziegelsteingebäude links an der Eingangsstraße erwärmt. Bäume ergänzen die Szenerie freundlich. Sicherlich ist die Arbeit angenehm. Nur der Schriftzug hätte sorgfältiger gestaltet werden können. Das „B“ ist seitenverkehrt. Hoffentlich arbeitet man auf dem Fabrikgelände sorgfältiger. Aber der Spruch macht doch Sinn! Durch Arbeit werden wir materiell unabhängig und eine produktive Tätigkeit kann uns mit Freude erfüllen. Arbeit ist ein wichtiger Wert. Nun, diese Bildbeschreibung ist grotesk. Es fehlt nur noch der Hinweis auf die im Bild fehlende Musikkapelle, mit der die Todgeweihten in Auschwitz „freundlich“ begrüßt wurden. Auf dem Bild ist ein Eingang zu sehen. Es ist auch der Eingang zu einer Fabrik, aber einer, in der nur der Tod industriell hergestellt wird. Millionenfach wurden Gefangene in Auschwitz ausgebeutet und dann in Birkenau ermordet. Der Sinnspruch ist also zynisch, aber das verkehrte B ein verzweifeltes (oder hoffnungsvolles?) Zeichen des Gefangenen Jan Liwacz. Man gewinnt den Eindruck, dass die Ethik offensichtlich nicht bis Auschwitz reichte. Hätten die Bürger, ihre Regierung, der Beamtenapparat und das Militär einfach nur mehr Moral haben müssen? Kann die richtige Ethik eine neues „Auschwitz“ verhindern? Haben die Einzelnen (bis auf Menschen wie Jan Liwacz) die Gebote der Moral verloren? Wird man durch die Beschäftigung mit Ethik ein besserer Mensch? In diesem Kapitel ist der Frage nachzugehen, wie weit die Ethik reicht. Man kann sich fragen, warum man moralisch handeln soll. Ist es nicht besser zum eigenen Vorteil zu handeln oder nach ökonomischen Prinzipien? In welchen Formen kann man in der Ethik die Begründungsfrage stellen? Und: was ist eigentlich Begründung? Philosophen beschäftigen sich mit den Prinzipien ethischer und moralischer Argumente. Werden sie zu besseren Menschen, wenn sie die Struktur des Normativen und Evaluativen durchschaut haben? |2.1 Warum moralisch Handeln? |2.2 Dimensionen des Normativen und Evaluativen |2.3 Begründung |2.4 Reichweite der Ethik: eine skeptische Sicht [< 28]
Abbildung 1: Jacob Jordaens: Diogenes mit der Laterne auf dem Markt „Menschen suchend“ (ca. 1642) [< 9]
Der flämische Maler Jacob Jordaens (1593-1678) stellt den kynischen Philosophen Diogenes von Sinope (ca. 391/399 – 323 v. Chr.) in das Zentrum seines Gemäldes „Diogenes mit der Laterne auf dem Markt Menschen suchend.“ Drohend (oder tastend?) steht er dort fast nackt und gestützt auf einen Stab. Am helllichten Tag steht er dort und hält eine Laterne mit hocherhobenem Arm dem Betrachter entgegen. Diogenes tat das wirklich! Er suchte mit der Laterne auf dem Markt in Athen nach einem „wirklichen“ Menschen unter seinen Mitbürgern. Das Barockgemälde gibt im Hintergrund einen schmalen Blick auf die schlichte Natur frei, die in die marode Architektur und damit in den Bereich der Kultur hineinreicht, in diese Szenerie mit üppigen Säulen und prächtigen Tieren. Am natürlichsten wirkt hier Diogenes selbst: nackt, wie er geboren wurde, wird er bestaunt, belacht, verachtet. Die schwelgenden Menschen denken über ihn nach, doch diese Szene wird zum Glück nur eine kurze Irritation ihres Glücks sein. Ihnen ist es licht genug. Diogenes’ Funzel erscheint bei Licht betrachtet doch zu lächerlich!
Warum suchen wir nach dem Glück? Worin besteht das Glück unseres Lebens? Welche Bedeutung hat Glück in unserem Leben? Wie kann eine Ethik glücksverwirklichend sein? – Vier Fragen stehen im Zentrum dieses Kapitels. Die erste scheint trivial. Sollen wir etwa das Unglück suchen? Die zweite scheint irrelevant und schwierig zugleich. Irrelevant ist sie, weil jeder sein Glück suchen muss. Schwierig ist sie, weil es so viele verschiedene mögliche Antworten gibt und man nicht alle gleichzeitig verwirklichen kann. Die dritte scheint klar. Glück ist wichtig! Es ist sehr wichtig, darum strebt ja auch jeder danach. Die vierte Frage ist vermutlich befremdend. Wie kann eine Theorie glücklich machen? Theoretisch und praktisch ist das Glück ein Kernbegriff der Ethik, der sich ihr zugleich systematisch auf vielfältige Weise entzieht. Denn Glück ist vielleicht nicht nur individuell, sondern auch eine Sache des Glücks. Einige begriffliche Klärungen können Licht in die Sache der Ethik bringen und die entlarvende Provokation des Diogenes ebenso verständlich machen, wie die berechtigte Ignoranz seiner Mitbürger.
|1.1 Das Leben als Streben nach dem Glück
|1.2 Epistemische Probleme
|1.3 Begründungstheoretische Probleme
|1.4 Autarkie: Theoretische Glücksversprechen [< 10]
1.1 |1.1 Das Leben als Streben nach dem Glück |1.2 Epistemische Probleme |1.3 Begründungstheoretische Probleme |1.4 Autarkie: Theoretische Glücksversprechen [< 10]
Das Leben als Streben nach dem Glück
Aristoteles beginnt seine Nikomachische Ethik (4. Jh. v. u. Z.) mit einer Analyse des Handelns. Die Ethik hat es mit dem Richtigen und Guten im Handeln zu tun, wobei das Gute dadurch ins Spiel kommt, dass alle Handlungen immer ein Gut erstreben. Beeindruckend und irritierend ist der kühne Schluss, dass deshalb das Gute das zu sein scheint, wonach alles strebt. Das, wonach alles strebt, aber ist das Lebensglück. Glücklich ist ein Leben, in dem sich das realisiert, was aus der Perspektive der philosophischen Ethik als „das Gute“ bzw. als „das Richtige“ definiert wird. (Aristoteles 2011, 1.1, Annas 1993, S. 31 ff.)
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