Bsp.:T flieht nach einem Raub und rast mit Absicht auf eine auf Grund dieser Tat eingerichtete Polizeisperre des Polizisten P zu, der T mit Handzeichen anhalten möchte. P kommt dabei zu Tode. – T ging es bei seinem Verhalten allein darum, seine Beteiligung am Raub zu verdecken. T macht sich gem. §§ 211, 212 strafbar, da zwar die Tat, jedoch noch nicht seine Tatbeteiligung aufgedeckt war. In Tateinheit (§ 52 Abs. 1 Var. 1) hierzu steht § 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2. § 240 ist gegenüber dieser Privilegierung für Vollstreckungshandlungen subsidiär. Ebenfalls in Tateinheit steht § 315b Abs. 1 Nr. 3, da T mit Schädigungsvorsatz handelte und daher ein verkehrsfremder Eingriff in den Straßenverkehr vorliegt 134. Über § 315b Abs. 3 wird die Tat nach § 315 Abs. 3 Nr. 1a und b, Nr. 2 qualifiziert (Verbrechen). Hingegen scheidet eine Strafbarkeit nach § 315c aus, da T keine der genannten Fehlverhaltensweisen im Straßenverkehr verwirklicht.
66 (3)Da es für dieses subjektive Mordmerkmal allein auf die Tätervorstellung ankommt, ist es nicht erforderlich, dass die zunächst vorgenommene Handlung objektiv überhaupt eine Straftat darstellt 135.
Bsp.:T wird von O mit einem Messer angegriffen. T wehrt den Angriff mit einem Schuss aus einer Pistole ab. Er geht anschließend irrig davon aus, dass dieses Verhalten strafbar war und tötet den O mit einem weiteren Schuss, um eine Anzeige zu verhindern. – Der erste Schuss des T begründet keine Strafbarkeit wegen Körperverletzung, soweit dieser von § 32 gedeckt ist. Die abweichende Annahme des T stellt lediglich ein (strafloses) Wahndelikt dar. Der weitere Schuss führt dann aber zu einer Strafbarkeit wegen vollendeten Mordes, da es genügt, dass sich T subjektiv vorstellte, dass eine Straftat vorliegt, die er nun verdecken möchte.
66 (4)Nach h. M. soll Verdeckungsabsicht auch dann vorliegen können, wenn der Täter die Tat nicht vor der Polizei verdecken möchte, sondern außerstrafrechtliche Folgen, etwa Racheaktionen Dritter, verhindern will. Für diese Lösung spricht, dass dem Wortlaut des § 211 nicht zu entnehmen ist, dass es dem Täter darum gehen muss, sein vorangegangenes strafbares Tun gegenüber Strafverfolgungsbehörden zu verheimlichen. Auch schützt § 211 nicht die Belange der Rechtspflege 136.
Bsp.: 137Der Täter eines Betrugs tötet das Opfer, damit dieses nicht im Falle der Entdeckung der Tat Rache an ihm übt.
67 (5)Für die Annahme von Verdeckungsabsicht ist es ferner unerheblich, ob die Aufdeckung vom Getöteten selbst oder von einem Drittenzu befürchten war.
Bsp.: 138T tötet den A. Anschließend beschließt er, die Spuren zu beseitigen und die Tat dadurch zu verdecken, dass er das Haus in Brand setzt. Dabei weiß er, dass im Haus die O wohnt und diese durch den Brand getötet werden kann. Diesen Erfolg nimmt er aber billigend in Kauf, da ihm die Beseitigung der Spuren wichtiger ist. – T verwirklicht zunächst § 212 hinsichtlich des A. Bezüglich des Todes der O macht er sich nach §§ 211, 212 strafbar. Er handelte mit Verdeckungsabsicht, da durch die zweite Tat der Totschlag an A verdeckt werden sollte.
68 (6)Problematisch sind Fälle, in denen der Täter hinsichtlich des Todes des Opfers(§ 212) lediglich mit dolus eventualishandelt. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese schwächste Vorsatzform mit Verdeckungsabsicht „vereinbar“ ist. Ein Verdeckungsmord kann nach h. M. grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn der Tod lediglich eine billigend in Kauf genommene Folge der zum Zweck der Verdeckung vorgenommenen Handlung ist 139. Insoweit ist ausreichend, dass der Täter seine Tötungshandlung als Mittel zur Verdeckung der Tat ansieht 140. Verdeckungsabsicht ist aber dann zu verneinen, wenn die Straftat nach Vorstellung des Täters überhaupt nur dadurch verdeckt werden kann, dass das Opfer zu Tode kommt, weil dieses etwa den Täter kennt. Eventualvorsatz ist in diesem Falle nicht ausreichend, da dieser auch die Möglichkeit des Überlebens beinhaltet – eine Situation also, die der Verdeckung gerade entgegensteht 141.
Bsp.:T lässt das schwer verletzte Raubopfer O liegen und nimmt dessen Tod billigend in Kauf. –Verdeckungsabsicht scheidet aus, wenn das Opfer den Täter kennt oder diesen identifiziert hat und daher die Tat überhaupt nur durch den Tod verdeckt werden kann; in diesem Fall ist Verdeckungsabsicht nur bei direktem Tötungsvorsatz möglich, da der Täter das Opfer aus seiner Sicht zwingend ausschalten muss.
69 (7)In Fällen des Unterlassensist ebenfalls nicht zwingend notwendig, dass eine erfolgreiche Verdeckung den Eintritt des Todes erfordert. Auch hier kann es genügen, dass die Tötungshandlung (das Unterlassen) zur Verdeckung ausreicht oder die Aufdeckung nur von einem Dritten zu befürchten war.
Bsp.: 142Vater T misshandelt sein Kind O über einen längeren Zeitraum. Um die schweren Misshandlungen zu verdecken, unterlässt er es später, ärztliche Hilfe zu holen, so dass O zu Tode kommt. – Es liegt hier ein Mord durch Unterlassen vor, da T als Garant (kraft Gesetz nach § 1626 Abs. 1 BGB und Ingerenz) die vorangegangenen Körperverletzungen verdecken wollte. Dass die Aufdeckung der Taten durch den Arzt und nicht das Opfer zu befürchten war, ist unerheblich.
70 (8)Eindeutig ist Verdeckungsabsicht zu bejahen, wenn nach einer ersten (erfolglosen) Tötungshandlung eine zeitliche Zäsurliegt und dann eine weitere Tötungshandlung zur Verdeckung nachfolgt, so dass nicht mehr von einer einheitlichen Tat gesprochen werden kann.
Bsp.:T schlägt O mit einer Eisenstange auf den Kopf, wobei er Eventualvorsatz hinsichtlich § 212 besitzt. Erst zu Hause befürchtet er die Aufdeckung der Tat. Er begibt sich erneut zu O und tötet diesen. – Verdeckungsabsicht ist zu bejahen, da der vorausgegangene Schlag eine andere Tat darstellt.
71Die Vortat und die Tötung können nach h. M. aber auch ineinander übergehen 143. Einer zeitlichen oder räumlichen Zäsur zwischen beiden Taten bedarf es daher nicht zwingend. Der Entschluss zur Tötung kann also bereits während oder sogleich nach der Vortat gefasst werden. Denn der Grund der Strafschärfung – die Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht – ist auch dann gegeben, wenn beide Taten unmittelbar aufeinander folgen. Eine restriktive Auslegung im Hinblick auf die Schuldangemessenheit der Strafe ist demnach nicht geboten.
Bsp.:T bedroht den O mit einer Waffe und fordert dessen Geldbörse. Bevor O diese übergibt, beschließt T, den O sogleich nach Übergabe zu erschießen, um den Zeugen auszuschalten.
72Verdeckungsabsicht scheidet nach der Rechtsprechung aber in Fällen aus, in denen von Anfang an eine einheitliche Tötungshandlunggegeben ist und keine (deutliche) zeitliche Zäsur gegeben ist 144. Dies soll auch gelten, wenn zunächst eine (gefährliche) Körperverletzung mit einer versuchten Tötung, die mit Eventualvorsatz begangen wird, zusammentrifft.
Bsp.:T schlägt mit einer Flasche auf O ein, wobei er bereits bei diesen Schlägen dessen Tod billigend in Kauf nimmt. Anschließend tötet er O, um eine Anzeige wegen Körperverletzung zu verhindern.
Da im vorgenannten Beispiel bereits der erste Schlag vom Tötungsvorsatz getragen war, liegt nach Rechtsprechung eine einheitliche Tötungshandlung vor, so dass T nicht zur Verdeckung einer anderen Straftat handelt. Für diese Lösung lässt sich zunächst der Wortlaut „andere“ Straftat anführen. Auch könnten im Verhältnis zu anderen Fällen ansonsten Friktionen auftreten: Denn es wäre wenig überzeugend, denjenigen (unstreitig) vom Mordmerkmal auszunehmen, der sogleich mit Tötungsabsicht handelt – den Erfolgseintritt dabei aber für unwahrscheinlich hält – und im Anschluss daran durch weitere Tötungsakte zusätzlich zur Verdeckung der vorausgegangenen Schläge handelt, während der Übergang vom Eventualvorsatz zur Tötungsabsicht einbezogen wäre 145. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass dann wiederum derjenige privilegiert wird, der sein Opfer sogleich mit bedingtem Tötungsvorsatz angreift, während derjenige, der nur mit Körperverletzungsvorsatz handelt, wegen Verdeckungsabsicht bestraft werden kann 146. Zudem muss man sehen, dass ansonsten eine etwaige Anstiftung (nur) zum zweiten Akt, der nach Rechtsprechung keine eigenständige Bedeutung erlangt, schlecht erfasst werden kann. Letztlich widerspricht die Bejahung der Verdeckungsabsicht auch nicht dem Wortlaut, weil der erste Akt bereits eine vollendete Körperverletzung und damit eine „andere Tat“ darstellt 147.
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