Unni Lindell - Der Trauermantel - Ein Norwegen-Krimi

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Fesselnder Norwegen-Krimi um Kommisar Cato Isaksen!
Eine junge Frau wird in ihrer Osloer Wohnung ermordet aufgefunden. Hauptverdächtiger ist ihr Ex-Mann, von dem sie sich erst vor kurzem getrennt hatte. Bereits drei Mal hatte Ester Synnøve Lønn Anzeige erstattet, weil sie sich von ihm verfolgt und bedroht fühlte. Aber auch der Bruder der Toten verhält sich beim Verhör so seltsam, dass Kommissar Isaksen misstrauisch wird. Weiß er mehr über seine Schwester und den Mord, als er preiszugeben bereit ist? Isaksen und sein Team suchen nach Hinweisen in der Vergangenheit der Toten und stoßen dabei auf erstaunliche Zusammenhänge…
Unni Lindell, geboren 1957 in Olso, ist eine der erfolgreichsten Autorinnen Norwegens. Nach einem Studium der Romanistik und einer Ausbildung zur Journalistin, war sie für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften tätig. Zunächst machte sie sich als Autorin von Jugendbüchern einen Namen, danach wandte sie sich dem Krimigenre zu. Ihren größten Erfolg feierte sie mit ihrer Krimireihe um den Olsoer Kriminalkommissar Cato Isaksen. Lindells Bücher sind mehrfach ausgezeichnet und auch in mehrere Sprachen übersetzt worden. rn

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Unni Lindell

Der Trauermantel - Ein Norwegen-Krimi

Saga

Der Trauermantel - Ein Norwegen-Krimi Übersetzt Gabriele Haefs Copyright ©, 2019 Unni Lindell und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726343038

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Für Anne und Maja

Das Wort einer Schnecke auf dem Teller eines Blattes?

Es ist nicht von mir. Nehmt es nicht an.

Essigsäure in einer Konservendose?

Nehmt es nicht an. Es ist nicht wirklich.

Ein Goldring, durch den die Sonne scheint?

Lügen. Lügen und Trauer.

Sylvia Plath

Nur das Menschliche kann wirklich fremd sein.

Der Rest ist Mischwald, Maulwurfsarbeit und Wind.

Wislawa Szymborska

Sie hatte sich hinausgewagt. Es war dunkel, doch die Geschäfte hatten lange geöffnet. Sie kaufte etwas zu essen und zwei Illustrierte. Als sie danach über die Straße ging, stellte sich das ekelhafte Gefühl wieder ein. Das Gefühl, dass jemand sie beobachtete.

Sie drehte sich um. Sie hörte Geräusche, die keine Sprache besaßen. Eine Frau in einem tristen schwarzen Mantel, die sich bückte, um in ein Auto einzusteigen, erregte für einen Moment ihre Aufmerksamkeit. Das Gefühl, dass jemand hinter ihr stand, war unerträglich. Ihr brach der kalte Schweiß aus. Einmal wäre sie fast auf einem Eisbuckel ausgerutscht.

Alle Geräusche in ihrer Umgebung verstärkten sich. Sie wusste genau, dass das hier nicht nur ein Gefühl war. Und so war es nun schon lange. Ab und zu, wenn sie das Haus verließ und durch die Straßen lief, dann passierte das hier. Jemand ging ein Stück hinter ihr, versteckte sich in Hauseingängen, in Geschäften, wenn welche offen waren, fuhr langsam in fremden Wagen an ihr vorbei. Sie wandte sich immer ab, trat so dicht an die Häuser heran, wie sie nur konnte.

In ihrer Wohnung dann, hinter der violetten Tür, zog sie die Vorhänge vor und verriegelte das Sicherheitsschloss. Oft schaltete sie auch das Licht aus, stand hinter den Stoffbahnen und lugte auf die Straße hinaus, hinüber zu den großen Bäumen im Park. Den tanzenden Zweigen, die sich bewegten und das Bild störten. Die Unruhe wollte sich nicht legen. Der Himmel draußen war nur ein schwarzes Loch über den Dächern. Und der Mond war ein großes starrendes Auge, das ihr mit seinem gelben Blick folgte.

Der Mord an Ester Synnøve Lønn wurde der Osloer Wache am Donnerstag, dem 6. Januar, um 5.21 Uhr gemeldet. Die Dunkelheit klebte wie eine schwarze Haut an den Glasfassaden des riesigen Polizeigebäudes. Die Straßen waren menschenleer. Das Tageslicht war noch Stunden entfernt. Die Stadt schien zu Silvester den Atem angehalten zu haben und es noch immer zu tun. Aber jetzt setzte die Welt sich lärmend wieder in Bewegung, hinein in das neue Jahrtausend. Der vierte Werktag warf Risse, bald würde das armselige Winterlicht über die Dächer kriechen und in die geschäftigen Straßen hinunterfließen.

Ein sehr müder Beamter notierte die Mitteilung über, wie es sich herausstellen sollte, den ersten Mord des neuen Jahrtausends. Noch bis acht Uhr hatte er Dienst. Er hatte diese Nachtschicht übernommen, um sein Einkommen etwas aufzubessern. Jetzt arbeitete er schon seit fast sechzehn Stunden. Und wie immer hatte er mehr als genug zu tun gehabt. Familienstreitigkeiten, Messerstechereien und vernachlässigte Kinder, die vom Jugendamt abgeholt werden mussten. Und jetzt – dieser Mord.

Die Anruferin war ungewöhnlich ruhig. Sie stellte sich vor und gab an, sie sei siebzehn Jahre alt und Zeitungsbotin. Sie drehte vor Unterrichtsbeginn ihre Runde und war wie immer in das Haus in der Odinsgate gegangen, um die Zeitungen vor die Wohnungen zu legen. Im ersten Stock war ihr eine offene Tür aufgefallen. Vermutlich hatte der Wind die offene Haustür weiter aufgedrückt. Sie hatte die Frau auf dem Wohnzimmerboden einfach nicht übersehen können. Sie sah zwar nur die Füße, ging aber wegen der roten Zehennägel davon aus, dass sie eine Frau vor sich hatte. Die Zeitungsbotin hatte zuerst versucht, die am Boden Liegende durch Zuruf aufzuwecken, doch als diese nicht reagiert hatte, war sie in die Wohnung gegangen und hatte das viele Blut gesehen. Die Frau hatte außerdem schlimme Wunden an Stirn und Hals. Es war nicht schwer zu begreifen gewesen, dass die Frau auf dem Boden tot war.

Der Beamte bat die Zeitungsbotin, nichts anzufassen und bis zum Eintreffen der Polizei am Tatort zu bleiben. Danach löste er Mordalarm aus. Das Herz des Polizeigebäudes erwachte in den Zimmern und den leeren Gängen zum Leben. Lampen und Computer wurden eingeschaltet. Bald waren überall klingelnde Telefone, eilige Schritte und Papiergeraschel zu hören. Nur eine Dreiviertelstunde später stand ein junger Journalist von der Tageszeitung VG unten im Foyer und starrte bewundernd zu den vielen Etagen hoch, die sich unter der hohen Decke öffneten.

Draußen in Asker schellte das Telefon auf dem Nachttisch von Cato Isaksen, während der tief in einem unruhigen Traum feststeckte. Er sah ein graues, schäumendes Meer, Menschen, die am Strand hin und her liefen. Der Wind glitt unsichtbar durch die farblose Luft. Seine drei Söhne, Gard, Vetle und Georg, versteckten sich hinter einem umgedrehten Boot. Die Schaumkronen erreichten fast ihre nackten Füße. Das Bild zerriss, wurde zu einem schrillen Geräusch, aus dem sich ein scharfer Schmerz in seinem Ohr entwickelte. Das Telefon. Verwirrt griff er nach dem Hörer und meldete sich mit belegter Stimme.

Bente bewegte sich neben ihm im Bett, öffnete die Augen und stöhnte leise. Es war nichts Neues für sie, dass ihr Mann zu allen Zeiten angerufen wurde. Die bloße Gewissheit, dass es passieren könnte, ließ ihren Schlaf oft sehr seicht werden und nahm ihm die Tiefe, die sie gebraucht hätte, um sich wirklich auszuruhen.

Georg, der zwischen ihnen schlief, setzte sich auf und gähnte. Der Vierjährige rieb sich die Augen. Im Licht der Nachttischlampe sah er wie eine Traumgestalt aus, mit seinen halblangen, zerzausten Haaren und den zusammengekniffenen Augen, die sich noch nicht an die Helligkeit gewöhnt hatten. Sein schläfriger Blick glitt über das weiße Muster der blauen Tapete. Bente drückte ihn mit sanfter Gewalt wieder aufs Kissen und sagte, es sei noch mitten in der Nacht.

Cato Isaksen saß auf der Bettkante, während die kühle Schlafzimmerluft über seinen nackten Körper glitt. Dabei bekam er eine Gänsehaut.

»Ja«, sagte er kurz. »Ist in Ordnung, ich komme.«

Er knipste die Nachttischlampe aus, drückte auf den kleinen Knopf des Weckers, verließ leise das Zimmer und schloss hinter sich die Tür.

»Komm ich nachher zu Mama?«, fragte Georg in die Dunkelheit hinein und gähnte noch einmal. In seinen Augen tanzte noch immer das scharfe Drachenzahnmuster der Tapete.

»Ja«, sagte Bente. »Heute Abend kommst du zu Mama.«

»Und zu Hamza«, meinte der Junge zufrieden.

»Ja.« Bente deckte ihn richtig zu und merkte, wie sich die Irritation durch ihren Körper fraß.

»Jetzt bist du still«, sagte sie mit einer Stimme, die so niemals klang, wenn Cato dabei war. Der Geruch des Kindes, das nicht ihr eigenes war, brachte sie dazu, ihm den Rücken zuzukehren.

Die Nacht ruhte noch immer in ihren eigenen Schatten. Es war fünf Grad unter Null und noch stockdunkel, als Cato Isaksen fröstelnd zu seinem vor den Garagen geparkten Auto ging. Er bereute, es nicht hineingestellt zu haben. Jetzt musste er erst das Eis von den Scheiben kratzen, ehe er losfahren konnte.

Hinten bei den Mülltonnen lagen mehrere mit Bindfäden umwickelte und aufeinander getürmte Zeitungsstapel. Jeden Donnerstag wurde Altpapier geholt. Er hatte vergessen, den großen Kasten mit dem zusammengefalteten Weihnachtspapier hinauszustellen. Einen Moment spielte er mit dem Gedanken, wieder ins Haus zu gehen und ihn zu holen, überlegte sich dann aber, dass ihm dazu die Zeit fehlte. Sein Atem ließ Dampfwolken in der schwarzen, eiskalten Luft aufsteigen. Die Tage zu dieser Jahreszeit waren eine einzige lange Reise von einer Dunkelheit zur nächsten.

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