Widar Aspeli - Schneesturm - Norwegen-Krimi

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Vier Freunde und eine Skitour in die norwegischen Berge – doch so gemütlich bleibt es nicht! Die Reise beginnt aus den Fugen zu geraten, als ein zwielichtiger Typ der Gruppe ein verbotenes Powergetränk verkauft und es einem der vier am nächsten Tag sehr schlecht geht. Trotzdem brechen sie auf in die Berge, doch dann überrascht sie nicht nur ein starker Schneesturm, sondern auch noch der Fund einer Leiche… -

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Widar Aspeli

Schneesturm - Norwegen-Krimi

Übersetzt Christel Hildebrandt

Saga

Schneesturm - Norwegen-Krimi Übersetzt Christel Hildebrandt Coverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 2000, 2020 Widar Aspeli und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726445053

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Wetteraussichten

In der ersten Hälfte der Osterfeiertage viel Sonne. Gleichzeitig sorgt jedoch ein kräftiges Tiefdruckgebiet im Südosten für die Bildung eines Sturmzentrums, das sich im Laufe der Osterwoche über Südnorwegen ausbreitet und erhebliche Mengen an Niederschlägen mit sich führt. In den Hochgebirgsregionen besteht Lawinengefahr.

Donnerstag

Eins

Als er sie nicht ins Leben zurückholen kann, gerät er in Panik.

»Oh, Scheiße. Wach doch auf!«, schreit er und schlägt ihr mit der flachen Hand auf die Wange. Keine Reaktion. »So ein verdammter Mist!«

Er schlägt mit der Faust gegen die Wand. Der Lederhandschuh knarrt. Er spürt, wie sein Puls jagt und der Schweiß ihm die Stirn hinunterrinnt. Es ist furchtbar heiß in der Hütte. Das Radio wirft ferne Stimmen in den Raum. Ihm ist, als würden die groben Bretterwände im Wohn- und Kochbereich der Hütte jeglichen Sauerstoff aufsaugen. Der Hals schnürt sich ihm zusammen. Er muss denken. Die Panik in den Griff kriegen. Etwas tun. Die Kontrolle wiederfinden. Abhauen! Und bloß das Gebräu nicht anrühren.

Er zieht sich die Handschuhe aus und stopft sie in den Helm. Seine Finger reißen den Klettverschluss des Overalls auf, tasten herum und ziehen schließlich den Reißverschluss hinunter. Er wirft Helm und Motorradhandschuhe auf einen Sessel, schließt die Augen und versucht das Chaos von sich fern zu halten. Er zwingt sich, ganz ruhig zu atmen. Gleich wird er handeln.

Er schaut sich um. Die Tür zu der einen Schlafkammer steht offen. Das Bettzeug liegt auf dem Boden. Kleidungsstücke sind im Raum verstreut. Rote Skihandschuhe, ein Gebirgsanorak und eine Überziehhose. Skistiefel. Der Ausziehtisch quillt von Zeitungsabschnitten fast über, ein leeres Saftglas steht noch darauf, daneben eine umgekippte Weinflasche und der Laptop mit tanzendem Bildschirmschoner. Die Kamera liegt auf der Küchenanrichte. Die Kühlschranktür ist offen und wirft einen schwachen Lichtstreifen in den Raum. Ein Häufchen leerer Flaschen steht einsam und verlassen unter dem Abwaschbecken. Zwei Halbliter-Flaschen liegen auf dem Tisch. Leer! Eine halb volle Colaflasche hält sich bedrohlich schräg auf der Wolldecke, die vom Sofa hinuntergerutscht ist. Ein leeres Glas ist aus der offenen Hand gefallen. Aus der Hand, die sich steif über dem Flickenteppich emporstreckt. Er registriert die Details, aber sie dringen nicht wirklich zu ihm vor. Es ist, als hätte der leblose Körper dort auf dem Sofa nichts mit ihm zu tun. Hätte nie etwas mit ihm zu tun gehabt. Er spürt nur Wut. Und Panik.

»Diese verdammte Schnalle!«

Sie hat es getan. Fast drei Flaschen. Plus Pillen und Wein. Mit zitternden Händen schiebt er den Tisch weg und sinkt vor dem Sofa auf die Knie. Er versucht einen der Gedanken festzuhalten, die ihm durch den Kopf rasen. Sie darf nicht hier gefunden werden. Wieder schiebt sich seine Hand zu ihrer Wange hin, die Finger gleiten den Hals hinunter. Verdammtes Zittern. Zuerst meint er ein schwaches Klopfen zu spüren, aber dann begreift er, dass es das Pochen seines eigenen Bluts ist. Kein Pulsschlag bei ihr.

Er hätte ihr nicht trauen dürfen. Diese neurotische Stadttussi versucht ihn fertig zu machen. Das Einzige, was diese Dame jetzt darstellt, ist ein riesengroßes Problem. Sein Problem.

Sein Atem geht schwer und sein Körper schwimmt in dem dicken Anzug im eigenen Schweiß. In wenigen Minuten hat er ein neues Date. Er hat nicht viel Zeit. Wenn er gewusst hätte, dass sie sich nicht besser unter Kontrolle haben würde, hätte er sie nie in seine Deals mit reingezogen. Die Gedanken verhaspeln sich im Kopf. Er kommt wieder hoch, stapft im Zimmer herum. Geht zum Küchenfenster. Die Leute von der Nachbarhütte schnallen sich Skier an und werfen sich Rucksäcke über. Sie machen sich bereit für eine Nachmittagstour im Ostergebirge. Eine Sonnentour.

Da unterbricht das Radio seine hin- und herspringenden Gedanken. Eine sachlich klingende Stimme berichtet, dass Menschen im Gebirge vermisst werden. Die Worte bohren sich in seinen Kopf. Als die Musik wieder durch den Raum strömt, bleiben seine Augen an der »schwarzen Katze« hängen, dem Thundercat, der direkt vor der Hintertür steht. Der Schlitten ist angekoppelt, aber leer. Er schnappt nach Luft. Das ist die Lösung! Er dreht sich schnell um und macht sich daran, in aller Eile das Chaos auf dem Boden zu beseitigen. Den Deal muss er später abwickeln. Der Typ wird bestimmt wieder anrufen.

Also jetzt anziehen! Schwitzend schafft er auch das und ist schon auf dem Weg zur Küchentür, als er innehält. Der Toshiba steht aufgeklappt auf dem Ausziehtisch. Er bewegt die Maus. Der Bildschirmschoner löst sich auf. Das Textprogramm ist geöffnet. Einige Sekunden lang überlegt er, dann suchen seine Finger nach den richtigen Tasten, um eine Nachricht in das Gedächtnis der Maschine einzugeben.

Als er kurz darauf die Frau zur Hintertür schleppt, hört er jemanden auf der Vordertreppe und ihm fällt ein, dass er vergessen hat, draußen einen Notizzettel anzubringen.

*

Elin Helgesen fühlt sich ein bisschen zittrig auf ihrem Snowboard. Sie stellt die Bindung am linken Bein nach, holt dann tief Luft und konzentriert sich, bevor sie das Brett den leicht geneigten Hügel hinuntergleiten lässt. Sie findet ihr Gleichgewicht. Sie weiß nicht, wie oft sie hier schon gefahren ist, aber ihre Wadenmuskeln schmerzen.

Beitostølen brodelt zu Ostern. Es wimmelt von kunterbunten Skianzügen und sonnengebräunten Köpfen. Braune Gesichter mit weißem Lachen, die jeden einzelnen Sonnenstrahl vom blauen Himmel gierig aufsaugen. Aber niemand kann Elin Helgesen gegenüber behaupten, das hier wäre ein Idyll. Beitostølen ist nichts als ein Kaff, das versucht mit der Natur zu konkurrieren. Der Ort liegt wie ein größenwahnsinniger Wächter vor dem Reich der Bergriesen. In den Ferien ist er kurz vorm Explodieren und ganz besonders in dieser Woche. Mietshütten, Wohnungen, Hotels und Restaurants zwängen sich um die Reichsstraße und versuchen gemütlich, anheimelnd und Gott weiß wie noch auszusehen. Schön findet Elin das Ganze jedenfalls nicht. Und am schlimmsten ist das Beito-Hochgebirgshotel, das wie ein missratener Legoklotz aussieht.

Elin beschließt, dass dies jetzt ihre letzte Fahrt wird – wenn sie sie schafft, ohne auf die Nase zu fallen. Sie fährt nicht gern mit dem Snowboard. Aber die Abmachung ist schon in Ordnung. Heute ist sie mit dem Brett auf dem Hügel dabei. Jørn, Trude und Audun, die drei anderen aus der Band, machen dafür morgen bei einer Skiwanderung mit. Eigentlich wollte sie das Snowboardfahren ganz ausfallen lassen, aber der Typ beim Skiverleih hatte einfach nicht locker gelassen.

»Aber logo, das musst du versuchen. Eine Fahrt und du bist bekehrt«, hatte er behauptet und die Ausrüstung herausgeholt. »Übrigens gehe ich davon aus, euch Samstag wieder zu sehen«, hatte er weiter gemeint und jedem einen Flyer in die Tasche gestopft. »Ein Super-DJ. Echt stark!«

Aber Elin hat so ihre Zweifel, ob sie wirklich zu der »Gigaparty« am Samstag in der Beitohalle gehen sollen. Express ist schließlich vor allem deshalb auf Hüttentour, um für den Landeswettbewerb in Trondheim im Mai zu üben.

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