Kjersti Scheen - Die siebte Sünde - Norwegen-Krimi

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Ein Mord, Drogen, Geldwäsche und Immobilienspekulationen in Stavanger: Ehe sie sich versieht ist Margaret Moss mitten in ihren letzten Fall eingespannt! Angetrunken wird sie eines Abends Zeugin eines Mordes, doch als sie dem Opfer zu Hilfe eilen will, wird sie selber ausgeknockt. Aus der Ohnmacht erwacht sie im Haus eines Mannes, der sie als Mörderin angesehen und deshalb niedergeschlagen hatte. Zusammen mit dem ebenfalls anwesenden Sohn des Mordopfers engagiert er sie jedoch als Privatdetektivin zur Lösung des kniffligen Falls!Die Maragret-Moss-Serie entstand 1994 mit dem ersten der vier Krimis um die Ex-Schauspielerin Margaret Moss, die als Privatdetektivin in Oslo ermittelt. Im selben Jahr wurde Kjersti Scheen dafür mit dem Literaturpreis des norwegischen Gyldendal Verlags ausgezeichnet.

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Kjersti Scheen

Die siebte Sünde - Norwegen-Krimi

Aus dem Norwegischen von Annika Krummacher

Saga

Die siebte Sünde - Norwegen-Krimi Übersetzerin Annika Krummacher Coverbild / Ilustration: Shutterstock Copyright © 2003, 2020 Kjersti Scheen und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726444964

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Es war plötzlich so dunkel geworden.

Sie blieb stehen und sah sich um. Die Erde bebte unter ihr, rhythmisch, wie von schweren, donnernden Herzschlägen, ihre Stiefel waren voller Sand.

Wo zum Teufel war der Weg geblieben?

Sie sah nach unten, blinzelte, sah nichts. Ging in die Hokke, und mit kalten Händen tastete sie den Boden um sich herum ab.

Harte Grashalme. Feiner Sand.

Vorhin war an dieser Stelle noch ein Weg gewesen, wenn auch ein schmaler, aber immerhin. Jetzt war er verschwunden. Schwankend richtete sie sich wieder auf, der Alkohol raste in ihrem Blut umher, brannte unter dem Brustbein, ein schwerer und unangenehmer Rausch, der sie vollständig lähmte. Wütend auf sich selbst, schlug sie plötzlich um sich und fiel fast um, verdammt!

Hier war doch ein Weg gewesen!

Ihr Mantel flatterte, es wehte ein nasser Wind, der in Böen kam und nach See und Tang und Teer roch. Es war das Meer, natürlich, das Meer war es, das so einen fürchterlichen Lärm machte. Sie hielt das Haar mit beiden Händen aus dem Gesicht und kniff die Augen zusammen.

Es mußte das Meer sein!

Draußen in der Dunkelheit ritten weiße Schaumstreifen an Land, sie machte einen unsicheren Schritt vorwärts, und dann packte eine Windbö ihren offenen Mantel und brachte sie ernsthaft aus dem Gleichgewicht, einen Augenblick schwankte sie, dann fiel sie.

Geradewegs hinunter und ohne einen Ton.

Sie dachte gerade noch, das war’s dann wohl und meinetwegen, da traf sie mit einem dumpfen Aufprall auf harten Sandboden.

Einen Augenblick lag sie atemlos da, dann schnappte sie hastig nach Luft und ruderte panisch mit den Armen, doch sie war nicht ins Meer gefallen. Ganz in der Nähe brodelte und zischte es, aber sie war unter einer steilen Böschung gelandet, und um sie herum war nichts als Sand.

Nun hatte das Meer sie doch nicht erwischt, dachte sie.

Und sie war darüber nicht unbedingt erleichtert.

I

»I may be right and I may be wrong,

I know you’re gonna miss me when I’m gone.«

Trad.

Es war ja schon von Anfang an eine verdammt schlechte Idee gewesen, das hatte sie sehr wohl gewußt. Sich einfach so aus dem Staub zu machen und im Spätherbst nach Stavanger zu fahren, ohne einen vernünftigen Grund.

Aber das Jahr war durch und durch verkorkst gewesen.

Es hatte schlecht begonnen und war irgendwie nicht besser geworden. Sie hatte fast keine Aufträge und kam nur mit Hilfe einiger Werbejobs über die Runden, die ihr ein alter Freund besorgt hatte. Eine Ausbildung an der staatlichen Schauspielschule, zehn Jahre Engagement als Schauspielerin, fünf Jahre Jurastudium, etwa ein Jahr bei der Polizei und einige Jahre Privatdetektivin – und nun saß Margaret Moss in einem Besenschrank von einem Studio und sagte zwanzigmal am Tag: »Nanni Nußaufstrich, mmm, ist das lecker!«

Ihre alte Tante, mit der sie sich ein Haus im besten Westen Oslos teilte, kam immer schlechter allein zurecht. Inzwischen brauchte sie ständig eine Gehhilfe, dabei war die Ärmste doch so eitel. Sie hätte am liebsten keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt, so sehr haßte sie das Ding. An Osteoporose litt sie dagegen nicht, denn sonst hätte sie sich längst jeden einzelnen Knochen im Leib gebrochen, so oft wie sie stürzte. Ihre Tagesration war auf drei Gläser Portwein gesunken, aber sie vertrug ja auch nichts mehr, die ehemalige Schauspielerin und Direktorengattin Maisen Moss Pedersen.

Das lag an der Fähigkeit des Körpers, Giftstoffe abzubauen. Die nehme im Lauf der Jahre immer mehr ab, hatte der Arzt gesagt. Schlechte Nachrichten, dachte Margaret Moss, die das nämlich auch schon festgestellt hatte. Irgendwie fielen die Katerstimmungen anders aus als früher.

Die eigenen Kater wohlgemerkt.

Ihre Tochter Karen lebte schon seit geraumer Zeit in Stockholm. Sie wohnte bei ihrem Vater in Söder und interessierte sich seit neuestem für einen Job am Theater.

Hoffentlich nur eine Laune, dachte Moss, die sich in diesem Jahr irgendwie einsam fühlte.

Sogar Roland Rud weigerte sich, auf ihre Anrufe zu reagieren.

Der Held aus den großen Wäldern und Ritter der Landstraße, der Fernfahrer, der Moss normalerweise zu Hilfe eilte, der Mann mit dem schütteren Pferdeschwanz und den schiefen Stiefelabsätzen – der war plötzlich incommunicado.

Bei seiner Frau und den beiden Töchtern in Prinsdal war er nicht (Moss hatte sich als Angestellte des Finanzamts Oslo ausgegeben, als sie sich endlich getraut hatte, dort anzurufen), und er ging auch nicht ans Handy. Schließlich hatte sie allen Mut zusammengenommen und es bei Norgestransport versucht, wo er all die Jahre gearbeitet hatte, aber dort hieß es, er habe gekündigt.

Gekündigt!

Einen heißen Sommer lang mit hoher Luftfeuchtigkeit und diesiger Sonne hatte sie vor sich hin gestarrt. Die Bäume in Tante Maisens Garten bekamen Mehltau und kränkelten, die Kamine rochen bedrohlich nach Ruß, die Tapeten schlugen Blasen und bekamen Risse, die Holztüren quollen und ließen sich nur schwer schließen.

Moss hatte Kopfschmerzen, litt an Schweißausbrüchen und sah doppelt.

Das Hygrometer in Maisens Wohnzimmer war irgendwo zwischen 80 und 85 stehengeblieben und rührte sich nicht vom Fleck.

»Der Jüngste Tag ist nicht mehr fern«, sagte Tante Maisen und hielt die Zigarette verkehrt herum zwischen ihren zitternden Fingern. Dann zündete sie den Filter an und blickte düster vor sich hin.

»Mir geht’s nicht gut«, sagte Moss. Es waren nicht nur die Kopfschmerzen – ihre Beine knickten neuerdings unter ihr weg. Irgendwie mußte es mit dem Gleichgewichtssinn zusammenhängen, sie ließ Gläser auf den Boden fallen, faßte bei Türgriffen daneben, stieß mit den Knien an Küchenschranktüren, die sich unmerklich unter der Arbeitsplatte öffneten, woraufhin ihr vor Schreck der Schweiß ausbrach.

»Das ist das Alter, meine Liebe«, sagte Tante Maisen und ließ Asche auf ihre fleckige Hose rieseln. »Hast du eine Ahnung, wo der Kater abgeblieben ist?«

»Vermutlich ist gerade mal wieder Brunstzeit«, sagte Moss, blätterte hektisch in Maisens altem Medizinhandbuch und schlug es unter »Nervenleiden« auf.

»Für so was ist er doch zu alt«, sagte Tante Maisen.

»Das glaubst aber auch nur du«, sagte Moss und schloß das Buch mit einem Knall, als sie entdeckte, woran man alles leiden konnte. »Maisen, eigentlich dürfte ich gar nicht so schwitzen, ich nehme doch ein Östrogenpräparat.«

»Ach Gott«, sagte Maisen und betrachtete sie besorgt. »Kann man davon abhängig werden?«

»Ja«, sagte Moss und stellte das Buch ins Regal zurück. »Du weißt doch, wofür man Östrogen bekommt. Man nimmt es, um die Wechseljahre erträglicher zu machen.«

»Zu meiner Zeit gab es keine Wechseljahre«, sagte die Tante würdevoll.

»Nein, das kann ich mir denken«, sagte Moss und knallte die Tür zu, als sie nach oben in ihre Wohnung ging.

Ständig quälte sie die Vorstellung, plötzlich umzukippen, auf der Straße, in der Straßenbahn. Im Kino vom Sitz zu fallen oder noch schlimmer: die irrsinnig enge, mit Teppichen ausgelegte Hühnerleiter im Zuschauerraum des Nationaltheaters hinunterzustürzen.

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