Kjersti Scheen - Kein Applaus für den Mörder - Norwegen-Krimi

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Mord auf der Bühne – und Margaret Moss mittendrin! Als sich die ehemalige Schauspielerin und Privatdetektivin Margaret Moss auf ihre Tanzrolle in einem Musical am Osloer Odeon-Theater vorbereitet, ahnt sie noch nicht, dass sie bald schon Zeugin eines Mordes während einer Aufführung werden wird. Sie beginnt mit ihren Ermittlungen und wird dabei von ihrem Freund Roland unterstützt. Doch dann geschehen weitere Morde, und die Sache wird immer rätselhafter…Die Maragret-Moss-Serie entstand 1994 mit dem ersten der vier Krimis um die Ex-Schauspielerin Margaret Moss, die als Privatdetektivin in Oslo ermittelt. Im selben Jahr wurde Kjersti Scheen dafür mit dem Literaturpreis des norwegischen Gyldendal Verlags ausgezeichnet.

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Kjersti Scheen

Kein Applaus für den Mörder - Norwegen-Krimi

Aus dem Norwegischen

von Annika Krummacher

Saga

Kein Applaus für den Mörder - Norwegen-Krimi Übersetzerin Annika Krummacher

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1996, 2020 Kjersti Scheen und SAGA Egmont

All rights reserved

ISBN: 9788726444988

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

1

Immer bin ich von den Männern sitzengelassen worden. Wenn ich mich davongemacht habe, sind sie gegangen.

Es war ein sternklarer Novemberabend in Oslo, doch das Licht der Stadt stahl den Sternen die Schau, und der Himmel über der Hambros gate war tiefdunkel.

»Wie Tintenfischtinte«, dachte Margaret Moss düster. Sie lehnte an der Hauswand und sah die Taxis kommen und fahren.

Theaterzeit.

›Paris! Paris!‹ stand auf dem Baldachin über ihr – der Name einer Komödie, die schon seit zwei Monaten gespielt wurde. Heute abend war Privatdetektivin Moss nicht ins Theater gekommen, um in einem Fall zu ermitteln: Zusammen mit ihrer alten Tante wollte sie sich das Theaterstück im »Odeon« ansehen und gleichzeitig ihre eigene Theatervergangenheit aufsuchen.

Doch Tante Maisen war noch nicht gekommen.

Sie saß – so hoffte Margaret Moss – in einem Taxi aus Smestad im Nordwesten Oslos hierher, hektisch und von einer Wolke »Chanel No. 5« eingehüllt, ein edler Jahrgang, wahrscheinlich 1976. Nun ja, die mit der Zeit überhandnehmende chemische Duftkomponente würde immerhin den Portweinatem und die kleine Spur von Inkontinenz, die Tante Maisen sich nicht eingestehen wollte, überdecken.

Margaret selbst litt oft unter einem Phänomen, das sie als ihr Alter ego ansah, eine Stimme in ihrem Kopf, die sich fortwährend mit dem befaßte, was sie tat – bisweilen im harten Ton des Film Noir, dann wieder mit der Stimme der melodramatischen Heldin eines Trivialromans. Plötzlich meldete sich die Stimme:

Die Nacht stürzte sich gnadenlos auf die Menschen in der frierenden Stadt. Privatdetektivin Moss lächelte. Es war kein freundliches Lächeln, denn Moss und die Nacht steckten unter einer Decke.

»Merkwürdig«, dachte Margaret und wechselte ihr Standbein.

Es war kalt an diesem Abend.

Ein weiteres Taxi kam, und als der Taxifahrer die Innenbeleuchtung des Wagens eingeschaltet hatte und sich umdrehte, um zu kassieren, erkannte Margaret ihre Tante.

Maisen wühlte in ihrer Tasche.

Margaret blieb im Schatten der Wand stehen. Sie hatte einen langen Tag hinter sich und außerdem gerade einen Job abgelehnt. Besser gesagt, sie hatte die Entscheidung, ob sie den Job annehmen wollte oder nicht, aufgeschoben. Sie brauchte zwar Geld, doch gab es in ihrem Beruf gewisse Dinge, die ... Lieber morgen noch mal darüber nachdenken.

Und da kam Maisen Moss Pedersen auch schon, in ihren Lackpumps und ihrem Cape mit dem zerschlissenen Fuchspelz.

»Hallo, Maisen«, sagte Margaret und trat ins Licht. »Hat Karen angerufen?«

»Nein«, antwortete Maisen und griff mit nervösen Fingern nach dem Arm ihrer Nichte. »Aber der Fernfahrer hat sich gemeldet. Roland, weißt du? Du erinnerst dich doch?«

Margaret stolperte auf der Türschwelle und konnte sich gerade noch fangen.

»Mein Gott«, sagte Maisen und griff sich ans Herz. »Stützt hier der Blinde den Lahmen? Wenn nicht mal du dich vernünftig auf den Beinen halten kannst ... Hast du die Eintrittskarten?«

»Ja, natürlich«, erwiderte Margaret.

Der Vorhang hatte sich noch nicht geöffnet, Maisen redete, fächelte sich mit dem Programm Luft zu und sah sich diskret in alle Richtungen um.

»Margaret, sieh mal da! Die ist aber alt geworden, was?«

Margaret gab einen unbestimmten Laut von sich, irgend etwas zwischen Ja und Nein, das genügte der Tante gewöhnlich und tat es auch diesmal. Maisen plapperte weiter, aufgeregt und mit roten Flecken auf den Wangen.

Sie hatte selbst einmal am »Odeon« gespielt, und zwar in dem Stück, das sie jetzt sehen würden, nur daß es damals ›Meine Frau aus Paris‹ geheißen, daß Folkman Schaanning wunderbar gespielt hatte und daß dies ganz am Anfang von Maisens kleiner Bühnenkarriere gewesen war.

Margaret umklammerte ihre Handtasche mit feuchten Händen. Roland hatte angerufen. Sie hatte ihn schon – wie lange hatte sie ihn schon nicht mehr gesehen? Bald fünf Monate. Seit er an einem heißen Junitag die Karl Johans gate hinauf zum Egertorget verschwunden war, hatte er sich nicht mehr gerührt. Und auch sie hatte sich nicht bei ihm gemeldet. Sollte er doch dort draußen in Prinsdal mit Frau und Kindern und seinen Lastzügen sitzen!

»Hat Roland gesagt, was er wollte?« fragte sie, als die Tante zwischendurch Luft holte. »Nein«, antwortete Maisen. »Kannst du mir sagen, warum sie die Stücke nicht so lassen können, wie sie ursprünglich gewesen sind? ›Paris! Paris!‹ Ich habe selten einen so blödsinnigen Namen gehört. Hier steht, daß ... wo stand es noch ...«

Sie hielt das Programmheft ein ganzes Stück von sich entfernt und kniff die Augen zusammen.

»›Auch heute noch sehr zeitgemäß‹, steht da. So ein Blödsinn!««

Sie rückte nervös ihre dünnen Beine in der braunen Stützstrumpfhose zurecht, während Margaret Roland Ruds überraschenden Anruf im Gehirn speicherte und sich umsah.

Das »Odeon« war ein schönes Theater im Baustil des Funktionalismus mit einem weißen, gewölbten Dach und schwarzlackierten Balkons. Sie selbst war hier nie fest angestellt gewesen, sondern hatte am Nationaltheater und an »Den Nationale Scene« in Bergen gespielt. Doch sie war hier tatsächlich einmal aufgetreten, mit einer kleinen Tanzund Gesangsrolle. Damals, als sie noch sehr jung und sehr schlank gewesen war und noch steppen konnte.

Das war vor ihrem Jurastudium gewesen, vor der kurzen Zeit im Polizeipräsidium und bevor sie ihre Karriere als nicht besonders erfolgreiche Privatdetektivin begonnen hatte. Bald drängte sich der Gedanke an Roland Rud wieder auf, doch sie schob diese Schublade ihres geistigen Archivs rasch wieder zu, denn schon öffnete sich der Vorhang des »Odeon«, und das Stück begann.

In der Pause trank Margaret ein Pils und Tante Maisen ein Glas Portwein an der mattgeschliffenen Glastheke des Foyers.

»Wie gefällt es dir?« fragte Tante Maisen und schob eine Haarnadel in ihrer Hochsteckfrisur zurecht.

»Es geht«, sagte Margaret. »Lita Thue hat sich ja ganz gut gehalten, obwohl sie eine ganze Ecke älter ist als ich. Aber diese hohen Absätze machen schließlich allen Frauen schöne Beine.«

Sie hatte schlechte Laune. Außerdem mochte sie diese Art von Musical nicht besonders. Warum um alles in der Welt hatte Roland angerufen?

»Sieh mal, da ist Carl Meyer, der Intendant«, sagte sie schnell. »Und seine Begleiterin – ist das seine Tochter?«

»Aber Margaret!«

Maisen blickte diskret zu ihm hinüber. »Ich habe noch seinen Vater gekannt, er war Geiger am Orchester des Nationaltheaters. Das war ein schöner Mann, sage ich dir.«

Da blickte Carl Meyer herüber und erkannte Margaret, er zog die Augenbrauen zusammen und sah einen Moment lang sehr konzentriert aus. Dann drückte er der jungen Dame an seiner Seite sein Weißweinglas in die Hand, ließ sie stehen und kam auf die beiden an der Glastheke zu.

»Na, Margaret?« fragte er, gab ihr die Hand und machte eine schnelle und höfliche Verbeugung in Tante Maisens Richtung. »Wie gefällt dir unsere kleine, wohlkonservierte Perle?«

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