»Eher bei Kirkenær«, antwortete Karen. »Mit dem Auto ist das nicht so weit. Und leicht zu finden.«
Roland rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Du wirst doch wohl nicht ...«, sagte er.
»Irgendwo müssen wir ja wohl übernachten«, meinte Margaret. »Es wird schon langsam spät, und hier können wir ohnehin nicht bleiben. Wir finden sicher irgendwas dort in Kirkenær. Dann können wir ... dann sehen wir die großen Wälder hier auch mal bei Tageslicht, der Finnskogen ist doch sicher schön, oder?«
»Ja, schon, wunderschön«, sagte Karen und blickte vor sich hin. »Mama, geht’s dir eigentlich gut?«
»Doch«, sagte Margaret. »Mir geht’s wirklich gut.«
Wenig später brachen sie auf; Karen stand in dem leichten Schneetreiben auf der Treppe und winkte, während der Schal um sie herumflatterte.
»Sie sieht aus wie ein Sozialfall«, sagte Margaret. »Hast du den langen Rock und die Stricksocken gesehen?«
»Kirkenær, here we come«, meinte Roland nur, drehte den Zündschlüssel im Schloß und brachte damit den ganzen schweren Lastzug zum Brummen und Zittern.
Hoher Wald erhob sich auf beiden Seiten der dunklen Straße, als Margaret fertiggewinkt hatte und die Schule hinter ihnen verschwunden war.
»Hier gibt es Wölfe«, sagte Roland Rud und legte den dritten Gang ein. »Vergiß nicht, daß ich in Elverum aufgewachsen bin – in diese Gegend sind wir nie zum Tanzen gefahren!«
Die Unterkunft erinnerte an eine Pension; vier Herren in undefinierbarem Alter saßen im Gemeinschaftsraum und sahen fern. Die Wirtin war streng und klein, doch sie erklärte sich bereit, den beiden ein paar Scheiben Brot mit Spiegelei anzubieten, obwohl die Küche offiziell schon geschlossen hatte.
»Wir essen auf dem Zimmer«, sagte Margaret schnell. Die vier Herren gingen ihr auf die Nerven. »Und dann hätten wir gerne Bier, und vielleicht ... du?« Sie drehte sich zu Roland um: »Wie wäre es mit einem kleinen Schnaps? Ich bin den ganzen Tag schon so verfroren!«
Roland zupfte sie am Ärmel und warf ihr merkwürdige Blicke zu.
»Wir schenken hier keinen Alkohol aus«, bemerkte die Wirtin und wirkte noch ein wenig strenger.
»Wir nehmen zwei Malzbier«, sagte Roland und schob Margaret vorsichtig zur Treppe.
»Ein Abstinenzlerhotel! Und das, wenn man zum erstenmal seit hundert Jahren einen Tag frei hat!«
Margaret saß in ihrer Jacke und mit angezogenen Beinen mitten im Doppelbett, das ein Kopfende aus geflammtem Birkenholz hatte.
»Hast du das denn nicht gesehen?« fragte Roland und schüttelte das Salzfäßchen über seinem Teller; feiner Dampf stieg vom Spiegelei auf. Zwei jungfräuliche Tomatenviertel und ein hellgrünes Salatblatt lagen daneben.
»Natürlich habe ich das nicht gesehen! Solche wie du, Fernfahrer und andere Reisende, haben vielleicht den Blick für diese versteckten Zeichen!«
Sie starrte verdrießlich vor sich hin.
Roland erhob sich von dem winzigen Tisch und wühlte in der Innentasche seiner Lederjacke, bis er etwas fand, das er zu ihr aufs Bett warf. »Hier! Damit du aufhörst, dich zu beschweren!«
Eine halbe Flasche Bourbon. Sie blickte zu ihm hinauf. Er wirkte blaß und übermüdet, und ihr fiel ein, daß sie ihn gar nicht gefragt hatte, wo er zuletzt gewesen war. Vielleicht war er ja gerade durch halb Europa gefahren, als sie ihn angerufen und gesagt hatte, sie müsse unbedingt Karen besuchen.
Sie streckte die Hand aus. »Bist du müde?«
Er blickte auf sie herunter, die lange Nase und die beinahe zusammengewachsenen Augenbrauen gaben ihm in dem schlechten Licht einen Anstrich von sizilianischem Mafioso.
»Ich dachte, wir essen erst mal?«
Seine Stimme klang zögernd. Sie lachte laut. Schwang die Füße aus dem Bett, pellte sich aus ihrer Jacke, erhob sich, stellte sich schnell auf die Zehenspitzen und legte ihren Mund auf seinen. Er roch nach Tabak und nach Diesel, Karen hatte ganz recht.
»Hey, hör mal, die Spiegeleier werden ganz kalt«, murmelte er und steckte seine Hände unter ihren Pullover, suchte ein wenig und knöpfte den Verschluß ihres BHs auf. »Hattest du nicht eben noch Hunger?«
Er streichelte sie über den Rücken, die Bettkante traf sie in den Kniekehlen, und sie kippte nach hinten, mit Roland über sich.
»Kalte Spiegeleier, das ist schon ziemlich schlimm«, murmelte sie und löste seinen Pferdeschwanz. »Aber nicht halb so schlimm wie Malzbier und Bourbon.«
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