1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 Roger Høibakk notierte die Nummer des alten angerosteten Ford Transit, mit dem die Freunde gekommen waren. Dann stiegen sie in den zivilen Streifenwagen und fuhren nach Oslo zurück.
Die Abteilung Arbeitete wie besessen, um Informationen über den Mord und das Verschwinden des Mädchens zusammenzutragen. Es waren viele Hinweise von Leuten eingetroffen, die Kathrine Bjerke gesehen haben wollten. Die Kollegen aus Follo gingen diesen Hinweisen nach. Abteilungsleiterin Ingeborg Myklebust betrachtete die kleine Versammlung, sie waren zu zwölft. Sie hatte Cato Isaksen ein wenig feierlich gebeten, im Fall Brenda Moen die Fahndungsleitung zu übernehmen. Ihre Art ging ihm auf die Nerven, sie stellte es dar wie eine Ehre, für die er dankbar sein sollte. Sie hatte ihre rosa Jacke ausgezogen und über einen Stuhl gehängt. Unter dem Pullover zeichneten sich ihre Brüste deutlich ab. Cato Isaksen konnte sich nicht von dem Gedanken losreißen, dass die eine Brust nicht echt war. Er fragte sich, wie sie wohl ohne Kleider aussehen mochte.
Randi Johansen versetzte ihm einen Rippenstoß.
«Denk an Georg», sagte sie. «Daran sollte ich dich doch erinnern.»
Cato Isaksen nickte ihr dankbar zu und schaute auf die Uhr. In einer Dreiviertelstunde musste er den Kleinen im Kindergarten abholen. Wenn er das nicht schaffte, würde wieder die Hölle losbrechen. Die Kindergartenleitung würde Sigrid anrufen, und die würde versuchen, ihn per Handy zu erreichen. Hamza, Sigrids neuer Mann, würde sich einmischen und ihm erklären, wie ein guter Vater sich zu verhalten habe. Und diesen ganzen Blödsinn könnte Cato Isaksen nicht ertragen. Bente hatte an diesem Tag frei und wollte eine Freundin besuchen, ihr wollte er das also nicht zumuten. Sie hatte ihm schon sehr oft geholfen, wenn es um Georg ging. Aber er konnte doch wie in der vergangenen Woche den Jungen von einem Taxi abholen lassen.
Ingeborg Myklebust musterte ihn, während sie sprach. Sie kannte Cato Isaksens abwesende Miene. Sie wollte gerade um irgendeinen Kommentar bitten, als er aufsprang. Er entschuldigte sich damit, dass er telefonieren müsse. Dann lief er auf den Gang hinaus, rief in der Rezeption an und bat eine der Damen dort unten, Georgs Transport in die Wege zu leiten.
Als er ins Besprechungszimmer zurückkehrte, fing er sich einen irritierten Blick von Ingeborg Myklebust ein. Asle Tengs beugte sich über den Tisch.
«Wir haben noch einmal mit dem jungen Paar aus dem Nachbarhaus gesprochen», sagte er. «Und zwei Autofahrer haben sich gemeldet, nur fährt keiner einen dunklen BMW.»
«Die ältere Dame, die kurz vor oder nach dem Mord in der Gegend gesehen worden ist, hat die sich gemeldet?» Randi Johansen bückte sich und kratzte sich am Knöchel.
«Zwei Frauen haben angerufen.» Asle Tengs wühlte in seinen Papieren. «Aber keine passt zu der Beschreibung der Person, die kurz nach dem Mord gesehen worden ist. Und keine der beiden hat Schüsse gehört, sagen sie. Sie können auch nicht genau sagen, wann sie am Tatort vorüber gegangen sind, sie meinen aber, dass es zu dem Zeitpunkt war, als die Schüsse gefallen sind. Die Nachbarn konnten die Frau eigentlich auch nicht gut beschreiben. Die Skater meinen, sie habe einen dunklen Mantel getragen. Die Nachbarn meinen, es könnte auch ein Mann gewesen sein.»
Cato Isaksen legte sein Handy auf den Tisch. Er wartete auf Sigrids Anruf. Wenn er bisher seinen Sohn von einem Taxi hatte abholen lassen, hatte die Kindergartenleitung immer bei Sigrid angerufen und ihre Zustimmung eingeholt. Cato Isaksen hatte sich darüber beklagt, hatte der Kindergartenleitung die Leviten gelesen und erklärt, wenn er den Jungen holen müsse, sei es seine Sache, auf welche Weise das passiere.
Der jüngste Sohn war jedes zweite Wochenende und jeden Mittwoch oder Donnerstag bei ihm. Es war typisch, dass er gerade an diesem Wochenende an der Reihe war. Wo sie doch den neuen Mordfall hatten, hätte es keinen unpassenderen Zeitpunkt geben können.
«Und diese Skater können wirklich nichts mit der Sache zu tun haben?» Ingeborg Myklebust schaute schräg zu Roger Høibakk hinüber, der soeben einen Kamm durch seine Haare zog.
«Nein», sagte der und setzte sich gerade. «Cato und ich haben mit ihnen gesprochen. Sie sind vierzehn und fünfzehn Jahre alt. Drei Jungs. Eine Streife hat sie gegen halb zwölf an der Straßenbahnhaltestelle am John-Colletts-Platz aufgelesen. Sie sagen, sie hätten die Schüsse gehört, aber sie waren so weit weg, dass sie sie nicht als Schüsse erkannt haben. Ich glaube, wir sollten uns nicht zu sehr in diese Jungs verbeißen.»
«Als wir mit ihnen gesprochen haben, schienen sie schreckliche Angst zu haben», sagte Cato Isaksen. «Die richtige Sorte Angst, wenn man das so sagen kann. Ein schlechtes Gewissen hatten sie jedenfalls nicht.»
Randi Johansen stützte ihr Kinn in die Hände.
«Der Sohn der Verstorbenen sagt, seine Mutter sei nie so spät ausgegangen. Er sagt außerdem, dass sie zu so einer Art Damenclub gehörte, der sich mit der Königsfamilie beschäftigt. Die Damen trafen sich immer um achtzehn Uhr, in der Regel war sie also längst vor zehn zu Hause. Und am fraglichen Abend gab es kein Clubtreffen», fügte er hinzu. «Dass sie um kurz vor elf von zu Haus e fort gegangen ist, stimmt nicht. Genauso hat er das gesagt. ‹Das stimmt nicht.› Sie ging nur sehr selten mit ihren Freundinnen ins Theater oder ins Kino, so spät passierte das aber nie.»
Ein Dienstanwärter kam herein und legte Cato Isaksen einen Zettel hin. Der hatte darum gebeten, den Ford Transit genauer unter die Lupe zu nehmen, mit dem Kenneth Hansens Freunde gekommen waren. Der Wagen war auf Birger Lofthus in Drøbak registriert, wurde aber vom Sohn Lars gefahren, einem Freund von Kenneth Hansen. Die Versicherung natürlich, dachte Cato Isaksen. Deshalb war der Wagen auf den Vater eingetragen. Er dachte an seinen eigenen Ältesten, Gard, der sich so wünschte, dass sein altes Auto auf den Vater registriert würde, um die Versicherung zu sparen. Aber das ging natürlich nicht, als Polizist konnte Cato Isaksen sich solche Tricks nicht leisten. Er hatte deshalb angeboten, seinem Sohn bei den Kosten zu helfen.
«Was ist eigentlich mit diesem Alf Boris Moen?» Preben Ulriksen beugte sich über den Tisch. «Roger, du hast gesagt, er sei irgendwie eigen.»
Randi Johansen nahm ihm die Antwort ab.
«Der Sohn ist einfach fertig, scheint aber in Ordnung zu sein. Ich habe mich heute Morgen länger mit ihm unterhalten. Er hat, seit er neunzehn oder zwanzig war, in der Wohnung über der seiner Mutter gewohnt. Er ist Junggeselle, hat keinerlei Vorstrafen. Arbeitet im Verteidigungsministerium. Alle, mit denen ich gesprochen habe, bezeichnen ihn als eine Seele von Mensch, ein wenig langweilig, ein Bürokrat eben, sonst aber in Ordnung.»
«Klingt verdächtig», Roger Høibakk grinste.
«Find ich auch», sagte Preben Ulriksen.
«Man erschießt aber nicht seine eigene Mutter hundert Meter von seinem Haus entfernt», sagte Randi Johansen und versuchte sich einen Breifleck von der Hose zu wischen.
«Vielleicht ist eben gerade das passiert. Vielleicht ist er um die Ecke gebogen, nachdem die Schüsse gefallen waren. Es wäre für ihn kein Problem gewesen, nach Hause zu laufen und so zu tun, als habe er den ganzen Abend dort verbracht. Du hast doch gesagt, dass er eine Fahne hatte?» Cato Isaksen nicke zu Roger Høibakk hinüber, und der schaute ihn abwesend an.
«Ich weiß nicht, ob das Alkohol war», sagte er. «Es könnte auch etwas anderes gewesen sein.»
«Einen Tag vorher gab es in Majorstua einen Handtaschenraub.» Thorsen zog ein Blatt Papier aus einem Ordner. «Alte Dame, vierundachtzig, von einem jungen Mann auf einem Fahrrad bestohlen. Die Ermittlungen werden natürlich eingestellt, wenn wir nichts finden, was diesen Fall interessant macht.»
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