70 b) Zurschaustellen wildlebender Tierarten.Besonders für die Haltung von wildlebenden Tierengelten hohe Anforderungen. 131Diesem Anspruch wird die Realität in Bezug auf Affen, Elefanten, Nashörner, Großkatzen, Nilpferden, Giraffen, Robben oder verschiedener Vogelarten wie Flamingos oder großer Greifvögel in vielen Zirkusunternehmenaber auch in Zoos 132oft nicht gerecht.
71Der Bundesrat hat die Bundesregierung zuletzt mit Entschließung vom 18.3.2016 – ähnlich Versuche wurden bereits in den Jahren 2003 und 2011 unternommen – gebeten, ein Verbot des Zurschaustellensbestimmter Wildtierarten in Betrieben, die diese Tiere an wechselnden Orten zur Schau stellen, vorzulegen. 133Die Bundesregierung ist dieser Bitte bisher nicht gefolgt. Wie man hört, bereitet das Ministerium aktuell ein Verbot der Haltung von Wildtieren 134in Zirkussen vor, die nur gezeigt, aber nicht trainiert werden. 135In zahlreichen anderen europäischen Staaten wie den Benelux-Staaten, Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Italien, Griechenland oder zahlreichen ost- und südosteuropäischen Staaten gelten dagegen für Zirkusse generelle Tierhalteverbote bzw. Verbote zur Haltung bestimmter Tierarten.
72Zahlreiche Kommunen in Deutschland vermieten kommunale Grundstücke nicht mehr an Zirkusse oder Zirkusse, die bestimmte Wildtiere mitführen – Stichwort „ Kommunale Wildtierverbote“. 136Die überwiegende Zahl der Verwaltungsgerichte betrachtet diese Praxis, als rechtswidrig. 137„Kommunale Wildtierverbote“ verstoßen nach der überwiegenden Meinung der Verwaltungsgerichte insbesondere gegen den Vorrang des Gesetzes, weil der Bundesgesetzgeber mit den Vorschriften in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 d) abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG Gebrauch gemacht und das das Zurschaustellen von Wildtieren in Zirkussen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt und eine Verordnungsermächtigung zur Beschränkung oder Untersagung des Zurschaustellens von Wildtieren an wechselnden Orten erlassen hat. Neben diesen abschließenden Regelungen ist kein Raum für ein generelles Wildtierverbotbezogen auf die Nutzung kommunaler Einrichtungen durch Zirkusse, 138das die Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 d) unterlaufen würde. 139Zudem werden solche Verbote als rechtswidrige Eingriffe in Art. 3 Abs. 3 GG und Art. 12 Abs. 1 GG qualifiziert. 140Ein Verbot des Mitführens von Wildtieren kann im Einzelfallauf gefahrenabwehrrechtliche oder bauordnungsrechtliche Gründe gestützt werden. 141
73 c) Verordnungsermächtigung, Umfang der Erlaubnis.Abs. 4 enthält unter weiteren dort geregelten Voraussetzungen die Ermächtigung, das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an verschiedenen Orten durch Verordnung zu beschränken oder zu verbieten, wenn die Tiere nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden an den wechselnden Orten gehalten oder transportiert werden können. Wie die Bundesregierung noch im Jahr 2013 auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärte, sieht sie akut keinen Handlungsbedarf, werde die Situation aber „weiter beobachten und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen ergreifen“. 142
74In der Erlaubnisverfügung ist konkret zu bezeichnen, für welche Tierartendie Erlaubnis gilt. Eine Erlaubnis zur Zurschaustellung von Löwen berechtigt nicht, Geparden zur Schau zu stellen. 143Zirkusse unterliegen der ZirkRegV, die die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zur Überwachung der Einhaltung tierschutzrechtlicher Bestimmungen durch Betriebe i. S. v. Nr. 8d).
9.Buchst. e) – Bekämpfung von Wirbeltieren als Schädlinge
75 a) Schädlinge.Das Gesetz enthält keine Legaldefinition des Begriffs des Schädlings. § 2 Nr. 12 IfSG definiert den Gesundheitsschädling im seuchenrechtlichen Sinne als Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können. § 2 Nr. 12 IfSG differenziert nicht zwischen Haustieren, Nutztieren oder Wildtieren. 144Der tierschutzrechtliche Schädlingsbegriff umfasst nur Wirbeltiere. Hierzu zählen etwa Bisam, Ratten oder Mäuse. 145Ein Wirbeltier ist ein Schädling, wenn von ihm eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Gesundheitoder das Eigentum privater oder der öffentlichen Hand ausgeht. 146Die von einem Tier ausgehende abstrakte Gefahr für die vorgenannten Rechtsgüter ist ein vernünftiger Grund i. S. v. § 1 S. 2. 147Nach der Definition des BVerwG unterscheidet sich eine abstrakte Gefahr von einer konkreten Gefahr nicht durch die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern den Bezugspunkt der Gefahrenprognose. Eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zustände zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz, zu bekämpfen; Folge ist, dass auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden kann. 148
76Das VG Wiesbaden 149hat Tauben lediglich als „ Lästlinge“ qualifiziert, die für den Menschen nicht gefährlich sind, sondern deren Anwesenheit lediglich als störend empfunden wird, und offengelassen, ob Lästlinge auch Schädlinge im Sinne von Nr. 8. e) sind; eine „Taube auf dem Dach stört niemanden“. 150Das VGH Hessen 151hat das Urteil VG Wiesbaden 152aufgehoben. Nach seiner Rechtsauffassung sind Tauben jedenfalls dann als Schädlinge im Sinne von Nr. 8 e) einzustufen, wenn sie in größeren Populationenauftreten, was bei Schwärmen ab einer Größenordnung von mehr als 10 Tieren pro 100 qm Grundfläche anzunehmen sein soll 153– vgl. zur Kritik an diesem Schwellenwert die Stellungnahme der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V. www.djgt./system/files/94/original/Stellungnahme_VGH_Kassel_Tauben.pdf. Stehen der Duldung von Tauben Gründe des Gesundheits- oder Arbeitsschutzes entgegen, können auch Tauben, die in kleineren Populationen leben, als Schädlinge i. S. v. Nr. 8 e) qualifiziert werden. 154
77 b) Tötung.Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 darf die Tötung von Wirbeltieren ohne Betäubung im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen nur erfolgen, wenn den betroffenen Tieren hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen. Die Tötung von Wirbeltieren im Rahmen der Schädlingsbekämpfung unterliegt damit wie jede Tötung von Tieren dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auf eine vorherige Betäubung der Tiere kann nur dann verzichtet werden, wenn sie aus praktischen Gründen nicht durchführbar ist. 155Zu beachten ist die Vorschrift des § 4 BArtSchV, die auch für Stadttauben gilt. 156Danach sind bestimmte Fang- und Tötungsmethoden verboten, § 4 Abs. 1 S. 1 und 2 BArtSchV.
78Für Bisams gelten gemäß § 4 Abs. 2 BArtSchV Sonderregelungen. Ausnahmen von den Verboten in § 4 Abs. 1 BArtSchV können zur Abwehr gemeinwirtschaftlicher Schäden, zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt oder zum Zwecke der Forschung und Lehre, Wiederansiedlung oder Nachzucht für einen dieser Zwecke zugelassen werden, § 4 Abs. 3 BArtSchV.
79 c) Andere Tierarten.Die gewerbsmäßige Bekämpfung von Tieren als Schädlinge, die nicht Wirbeltiere sind, fällt nicht unter den Erlaubnistatbestand von Nr. 8 e). Wildlebende Tiere wie Wespen, Hornissen, Bienen oder Hummeln dürfen nicht ohne vernünftigen Grund getötet werden, § 39 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verbietet insbesondere den Fang und die Tötung wild lebender Tiere der besonders geschützten Arten. 157
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