Grimzhag versuchte, ihm unauffällig zu signalisieren, dass bei diesem Staatsempfang abfällige Bemerkungen über Goblins – einschließlich ihrer höhergewachsenen Vettern – nicht unbedingt angebracht waren. Das störte den Khan jedoch nicht, zumindest sah man es ihm nicht an, und das vergnügte Lächeln stand nach wie vor in seinem schmalen, dunkelgrünen Gesicht.
»Der Herr der westlichen Steppen und der Herr der östlichen Steppen werden heute zu untrennbaren Waffenbrüdern werden. Beide sind wir gleichen Blutes und beide haben wir nur das Wohl unserer tapferen Völker im Sinn«, rief Grashrakk feierlich durch den Thronsaal und kam wieder zu den in der Mitte der Halle aufgestellten Banketttischen zurück.
Grimzhag brummte zustimmend. Dann antwortete er: »So möge es sein. In Goffrukks Namen wollen wir heute unser Bündnis bei Pilzbier und gesalzenem Fleisch schmieden, mein Freund aus dem Osten!«
Lachend stellte sich der Khan neben den Orkkönig und die beiden Häuptlinge leerten ihre Trinkhörner mit kräftigen Zügen, während ihre Gefolgsleute mit den Fäusten auf die hölzernen Tische hämmerten und einen gewaltigen Lärm veranstalteten.
Als das Gepolter verklungen war, gab Grashrakk einen donnernden Rülpser zum Besten und seine Hobgoblins johlten begeistert. Ihr Khan hatte Stil. Das konnte niemand bezweifeln.
»Trummlukk, das Geschenk!«, rief Grashrakk.
Einer der Hobgoblins holte eine Tasche aus zusammengenähten Fellen unter dem Tisch hervor und zog einen großen Tonkrug heraus. Dann kam er grinsend zu seinem Herrn und dieser ergriff das Gefäß, um sich dann Grimzhag zuzuwenden.
»Erlaubt mir, Euch ein kleines Geschenk aus meiner Heimat zu überreichen, mächtiger Brüller«, sprach der Khan.
»Oh, vielen Dank!«, brummte Grimzhag überrascht.
»In diesem Tonkrug befindet sich der beste Steppenschnaps, den mein Volk brennen kann. Aber trinkt ihn nicht heute, sondern zu einem Anlass, der den Göttern gewidmet ist. So verlangt es die Tradition meines Volkes«, sagte Grashrakk und sah sich kurz zu seinen Kriegern um.
»Steppenschnaps! Na, das klingt gut«, lachte Grimzhag. »Ich würde ihn gerne einmal kosten.«
Die Klaue des Orkkönigs fuhr sanft über den dicken Korken, der den Tonkrug verschloss, und der Khan wirkte für einen Moment leicht nervös. Sein Gefolge machte ebenfalls den Eindruck, als ob es angespannt wäre. Dann fingen die Hobgoblins jedoch wieder laut zu schwatzen und zu lachen an.
»Trinkt diesen edlen Schnaps, wenn Ihr Goffrukks Tempel fertiggestellt habt, eiserne Faust. Man sagt bei uns Hobgoblins nämlich, dass in diesem Gebräu der Geist des Kriegsgottes selbst schwimmt. Es wäre Goffrukk daher eine große Ehre, wenn Ihr den Schnaps erst bei der Einweihung seines Tempels kostet«, bemerkte Grashrakk.
»Das wird allerdings noch eine Weile dauern, mein Freund. Soll ich bis dahin etwa nüchtern bleiben?«, rief Grimzhag aus und seine Mazauk grölten angesichts dieses derben Staatswitzes.
Der Khan schwieg und starrte seinen neuen Verbündeten an. Dieser winkte einen Orkwächter zu sich und sagte: »Mein Freund aus dem Osten hat Recht. Ich werde diesen Schnaps erst trinken, wenn Goffrukks Tempel eingeweiht wird. Bringe den Krug in den Keller und verschließe ihn gut, dass sich keiner meiner versoffenen Orks vorher einen Schluck genehmigen kann.«
Wieder lachten die Grünhäute durcheinander und auch Grashrakk fing erneut an zu schmunzeln. Er legte Grimzhag die Klaue auf die Schulter und brummte zufrieden.
»Ihr werdet einen jeden Schluck genießen, König der Orks. Da bin ich mir sicher«, sprach er mit vielsagender Miene.
Gestern war Weng wieder nach Kin-Weig zurückgekehrt und hatte großartige Neuigkeiten mitgebracht. Der gelbhäutige Manchine war noch einmal in die östlichen Steppen aufgebrochen, um sich dort mit Grashrakk Khan zu treffen und ihm einen weiteren Sack voller Goldstücke zu überreichen.
Das Treffen mit Grimzhag hatte der gerissene Hobgoblinhäuptling nun hinter sich gebracht und als er Weng davon berichtete, war dieser mehr als erfreut. Alles war problemlos über die Bühne gegangen und Grashrakk versicherte seinem Gast aus Manchin, dass Grimzhag keinen Verdacht geschöpft hatte und in ihm jetzt offenbar tatsächlich einen treuen Waffenbruder sah.
»Er braucht nur einige Schlucke von Grashrakks Steppenschnaps zu trinken und schon ist er hin«, sagte Weng und grinste seinem Herrn zu. Zaydan strich sich derweil nachdenklich über die Bartspitze.
»Wollen wir hoffen, dass alles glatt läuft, mein Bester. Wenn dieser Grimzhag das eklige Gebräu säuft, dann wird er zu seinen Göttern schweben und sein Reich hoffentlich wieder zerfallen«, brummte Zaydan und ging zum Fenster seines Arbeitszimmers, um auf die Straße vor seinem Haus hinabzublicken.
Für eine Weile stand er schweigend da und grübelte vor sich hin, während Weng seinen Rücken betrachtete.
»Ich habe übrigens noch etwas herausgefunden«, fügte der Manchine hinzu und sein Herr drehte sich wieder um.
»Aha?«
»Grashrakk Khan hat mir erzählt, dass König Grimzhag kein gewöhnlicher Ork ist.«
Zaydan schob seine buschigen Brauen nach oben. »Was meinst du denn damit?«
»Nun, er scheint zu einer besonderen und sehr seltenen Orkrasse zu gehören. Grashrakk bezeichnete diese speziellen Orks als Grauaugen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann sind diese Grauaugen eine besondere Blutlinie innerhalb des grünhäutigen Volkes, die in der Vergangenheit schon viele Orkherrscher und bedeutende Kriegsherren hervorgebracht hat. Der Hobgoblin meinte, dass die Grauaugen die geborenen Anführer der Grünhäute sind – und Grimzhag gehört zu diesem speziellen Schlag«, erklärte Weng.
Der Kaufmann aus Berbia brummte nachdenklich und legte die Stirn in Falten.
»Interessant! Das erklärt dann einiges!«
»Ja, es erklärt, warum sich dieser Kerl nicht so dämlich anstellt, wie man es normalerweise von den Grünhäuten erwartet«, meinte Weng.
»In der Tat!«, zischte Zaydan grimmig.
»Wenn ich ehrlich bin, dann hatte ich vorher noch nie etwas von einer grauäugigen Orkrasse gehört, aber ich bin auch kein Geschichtsgelehrter«, sagte der gedrungene Manchine.
»Grauäugige Orks …«, murmelte sein Herr.
»Es gibt nur noch sehr wenige von ihnen, hat mir Grashrakk erzählt. Und ohne die Grauaugen sind die Grünhäute führerlos, Zaydan.«
»Ha!«, stieß der Händler leise aus und spielte gedankenverloren an seiner wulstigen Unterlippe herum.
»Wenn es nur noch so wenige dieser intelligenten Orks gibt, dann ist es umso notwendiger, gerade jemanden wie Grimzhag auszuschalten. Ich werde mir in den nächsten Tagen ein paar alte Bücher und Schriftrollen besorgen. Vielleicht finde ich ja noch etwas mehr über diese Grauaugenorks heraus«, sagte Zaydan.
»Ich habe bereits in der Bibliothek von Kin-Weig im großen Buch der manchinischen Geschichte von Konzu Heng geblättert«, antwortete Weng.
»Tatsächlich? Sehr fleißig, mein Lieber! Und?« Shargut war gespannt.
»Ich war heute Morgen sehr lange im Archiv und habe nicht nur in dem alten Schinken von Konzu Heng nach Hinweisen auf eine grauäugige Orkrasse gesucht, aber ich habe fast nichts darüber gefunden. Über die Grünhäute der Steppen steht im Allgemeinen kaum etwas in den manchinischen Chroniken. Sie sind einfach zu unwichtig, um viel über sie zu schreiben«, erläuterte der Gehilfe.
Zaydan schnaufte enttäuscht und erwiderte: »Naja, grauäugige Orks hin oder her. So wichtig ist die Geschichte dieses Drecksvolkes sowieso nicht. Außerdem verdient man mit diesen Dingen kein Geld. Dieser Grimzhag wird bald krepiert sein und dann können wir uns endlich wieder in Ruhe mit unseren Geschäften befassen.«
»Das ist wohl wahr! Wir haben eine schöne Schlinge um den Hals dieses großmäuligen Orks gelegt. König Baudrogg frisst uns aus der Hand, die Karawanen können wieder sicher nach Westen ziehen und sobald sich Grimzhag einen Schluck Steppenschnaps genehmigen will, wird das sein letzter Trank sein. Alles verläuft nach Plan! Was wollen wir mehr!«, zischelte Weng und wirkte in diesem Moment so giftig wie Grashrakks Steppenschnaps selbst.
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