»Ich bitte untertänigst um Vergebung, Sohn des Himmels!«, stammelte Zaydan.
Dann erhielt der Kaufmann die Erlaubnis, noch einige Dinge zu erläutern. Er erklärte dem Kaiser, dass die Karawanen inzwischen durch das Gebiet des weiter südlich gelegenen Orkreiches von Morkfort reisten und man sich mit dem dortigen König geeinigt habe. Damit betrachtete der Himmlische das Problem als erledigt.
»Der allmächtige Yuan-Han III. lobt Euren Eifer bei der Beseitigung der vorausgegangenen Schwierigkeiten, Zaydan Shargut. Er möchte in Zukunft jedoch nichts mehr von diesem Orkhäuptling und seinem sogenannten »Reich« hören. Derartige Unwichtigkeiten liegen zu nahe am Boden, als dass sie vom Blick des Göttlichen, der stets auf den Himmel gerichtet ist, noch gestreift werden könnten!«, rief der Beamte zur Rechten des Imperators.
Anschließend wurde Zaydan wieder von zwei Wachen aus der Halle und schließlich aus dem Gebäude geführt. Hinter ihm wuchs der gigantische Kaiserpalast in den Himmel und es wurde Zaydan in diesem Moment bewusst, wie unbedeutend er doch war. Allerdings benötigte auch der mächtigste Herrscher immer wieder neues Gold. Wer diese Tatsache missachtete, war ein Narr.
Grimzhags »Palast« in der Steppe wäre in der Verbotenen Stadt von Kaifeng vermutlich kaum mehr als ein unwichtiges und zudem recht hässliches Nebengebäude gewesen. Dennoch war der junge Brüller immer wieder stolz, wenn er durch seinen Thronsaal ging und die bunten Gemälde und zahlreichen Trophäen an den Wänden betrachtete. Rund um sein Herrscherhaus wuchs die von ihm gegründete Stadt Karokum langsam an. Zwar hätte er auch in Chaar-Ziggrath bleiben und sich dort seinen Hauptsitz einrichten können, doch drängte ihn sein Ehrgeiz dazu, selbst eine Stadt erbauen zu lassen. Was die alten Grauaugenkönige gekonnt hatten, konnte er auch. Das betonte er wieder und wieder.
Die Baukünste der gewöhnlichen Orks hielten sich jedoch noch immer in Grenzen und bei den Steppenstämmen, die eigentlich in Zelten lebten, war das besonders signifikant. Aber eine paar Grünhäute aus den Dunklen Landen waren bereits als Berater vor Ort und zeigten den Mazauk, wie man Häuser errichtete. Auch wenn diese Gebäude noch klobig und nicht selten schief aussahen, so liebte Grimzhag bereits jedes einzelne von ihnen. Die Orkbaumeister waren meistens Geistesbegabte oder Grauaugen. Vor allem die in Chaar-Ziggrath befreiten Grauaugensklaven hatten ein reiches Wissen über die Kunst des Bauens. Inzwischen ärgerte es Grimzhag allerdings, dass seine Krieger sämtliche Khuzbaath erschlagen und nicht wenigstens die Handwerker unter ihnen verschont hatten, denn die Kleinwüchsigen waren den Grünhäuten in der Baukunst um Längen voraus. Aber dafür wirkten die langsam wachsenden Gebäude Karokums jetzt sehr traditionell und orkisch. Also bräuchte man die anderen Völker nicht und könne alles allein machen, meinte Grimzhag. Das Ganze war nur eine Frage des Willens und der Organisation.
Wenn der junge Brüller nicht gerade die von Soork gezeichnete Weltkarte Antariksas studierte oder sich mit der Ordnung seines Reiches befasste, schlenderte er über die Baustellen von Karokum und ließ sich bei den Arbeitern sehen. Die meisten von ihnen waren Goblins, die fast ohne Pause schufteten und ackerten. Allerdings dienten sie Grimzhag nicht als Sklaven und der Häuptling achtete darauf, dass ein jeder Snag, so unbedeutend er auch erscheinen mochte, immer mit einer ausreichenden Menge Fleisch und frischem Wasser versorgt wurde.
»Eure Werke wird man noch in Jahrhunderten bewundern«, erzählte er den verschwitzten und vor Anstrengung keuchenden Goblins, wenn er ihre Arbeit inspizierte.
Und die meisten von ihnen ließen sich trotz der mühsamen Schufterei von Grimzhags Eifer inspirieren und schienen sogar stolz zu sein, dass sie bei der Geburt einer neuen, echten Orkstadt in der Steppe mithelfen durften.
Auch dadurch unterschied sich Grimzhag von so manchem anderen Orkkönig, der die kleineren Grünhäute oft nur als Sklaven und rechtloses Gesindel betrachtete. Aber das widersprach dem Grundgedanken der Einheit des Orkvolkes, den der junge Brüller inzwischen tief in sich trug. Und zu der grünhäutigen Art gehörten nun einmal auch die Snags, die unterste und schwächste Kaste der orkischen Art, die aber dennoch Großes leisten konnten, wenn sie entsprechend angeleitet wurden.
In diesem Punkt gaben die langsam, aber stetig wachsenden Gebäude Karokums dem ehrgeizigen Häuptling Recht. Immer höher und breiter wurden die Häuser und immer zufriedener wurde Grimzhag. Schicht um Schicht klobiger, mühsam zurechtgehauener Steine türmte sich allmählich zu festen Mauern auf. Die wenigen Bäume, die man in den Steppen rund um die neue Hauptstadt hatte finden können, waren längst abgeholzt und zu klapprigen Baugerüsten oder Stützbalken verarbeitet worden. Überall wurde geschleppt, geschnauft, gezogen, gemeißelt und verputzt.
»Welch ein Projekt!«, sagte Grimzhag zu sich selbst und hoffte tief im Inneren, dass sein Reich noch lange leben mochte.
Ein schlaksiger, freundlich lächelnder Hobgoblin in einer Lederrüstung und einem schäbigen Warnoxfellumhang betrat den Thronsaal und begrüßte den Häuptling der Mazauk. Dieser musterte den Gast aus den östlichen Steppen für einen kurzen Augenblick, um schließlich freundlich die Klaue zu heben. Der Hobgoblin nahm indes seine spitz zulaufende Filzmütze vom Kopf und stellte sich vor den Thron des Orkkönigs.
»Grashrakk Khan schickt mich zu Euch, Wütender! Ich soll Euch bezüglich Eurer großen Siege beglückwünschen und Euch seine herzlichsten Grüße ausrichten!«, sagte der Bote.
»Es ist mir eine Ehre, einen Gesandten des Herrn der östlichen Steppen empfangen zu dürfen«, gab Grimzhag in aller Bescheidenheit zurück.
Sein Besucher sah zu Zugrakk und Soork herüber und lächelte sie ebenfalls an. Der Schamane verzog keine Miene und Grimzhags bester Freund wirkte ebenfalls nicht übermäßig freundlich, denn wie die meisten Orks hatte er keine allzu gute Meinung über die Hobgoblins.
»Ich freue mich, dass der große Grashrakk endlich Kontakt zu mir aufgenommen hat. Das kommt meinem Traum näher, die Grünhäute der Steppen eines Tages zu einem großen Bündnis zusammenzuführen«, sagte Grimzhag.
»Mein Herr sieht das ähnlich. Deshalb hat er mich auch zu Euch geschickt, Mächtiger. Mein Name ist übrigens Gnobrak und ich bin einer der engsten Vertrauen des Khans«, erläuterte der Bote aus dem Osten.
»Dieser Snag gefällt mir nicht!«, wisperte Zugrakk in Grimzhags Ohr und verzog mürrisch sein Gesicht.
»Halte dich aus der Sache raus!«, zischte der junge Brüller ungehalten und befahl seinem Freund zu schweigen.
»Der große Khan wünscht sich einen Pakt unserer beiden Reiche, mächtiger König. Es ist auch sein Wille, die Stämme unserer Art zu einem starken Bund zu machen. Karokum und die Stadt der tausend Zelte würden zur größten Macht der Steppe werden, wenn sie sich vereinten«, sprach der Hobgoblin feierlich.
Grimzhag brummte nachdenklich und setzte kurz drauf wieder ein freundliches Gesicht auf. Dann erhob er sich von seinem Thron und ging einige Stufen herunter, um sich vor den Gesandten des Khans zu stellen.
»Grashrakk schlägt mir also ein Bündnis vor?«
»Ja, Wütender! Es ist sein ausdrücklicher Wunsch!«
»Das ehrt mich!«, betonte der Häuptling der Mazauk.
Sein Gegenüber verbeugte sich tief und erwiderte: »Mein Herr würde Euch gerne in Karokum besuchen, damit sich die beiden größten Häuptlinge der Steppen kennenlernen können. Wäre das in Eurem Interesse?«
»Selbstverständlich!«, antwortete Grimzhag ohne zu zögern. »Ich bin über jeden Artgenossen froh, der mein Waffenbruder sein möchte.«
»Dann kann ich meinem Herrn ausrichten, dass Ihr ihn in naher Zukunft in Eurem Haus empfangen werdet, tapferer König?«
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