Ich lag vor den Männern, wie es sich gehörte, und blickte zur Decke hoch. Mein Haar umspielte meine Schultern. Ich versuchte noch immer, nach der Anstrengung der Darbietung wieder zu Atem zu kommen. Meine Brüste hoben und senkten sich.
»Ist sie temperamentvoll?«, fragte ein Mann.
»So hat das Haus es angegeben«, meinte einer der Fremden. Ich nahm an, dass er sich auf die Unterlagen über mich bezog.
»Wir müssen die Wachen anhalten, Abstand zu ihr zu halten«, sagte einer der Männer aus dem Haus.
Ich hielt die Augen in Richtung Decke gerichtet.
»Sie hat bereits gelernt zu flehen«, meinte jemand.
»Sie wurde angewiesen, die Hände innerhalb der Gitterstäbe ihres Zwingers zu halten«, fügte ein anderer hinzu.
»In ein paar Wochen wird sie völlig fügsam sein.«
Einer aus dem Haus kam zu mir herüber. »Nimm die Knie herunter.«
Ich gehorchte sofort, woraufhin er meinen Knöchel mit dem Fuß zur Seite drückte, sodass ich mit gespreizten Beinen dalag.
Mein Blick war weiter auf die Decke gerichtet.
Derjenige, der offensichtlich der Erste unter den Fremden war, näherte sich mir nun ebenfalls.
Ich sah auf, wandte die Augen dann aber schnell wieder ab. Ich wagte es nicht, seinem Blick zu begegnen.
Er ging wieder davon und ich stöhnte schwach.
»Habt ihr Interesse?«, fragte der Wortführer des Hauses.
»Wir nehmen sie«, antwortete der Anführer.
Ich behielt die Position bei, denn man hatte mir nicht erlaubt, mich zu bewegen.
Also kniete ich weiter vor ihm im lavendelfarbenen Gras, den Kopf und die Handflächen auf den Boden gepresst.
Eine Haltung, wie sie oft benutzt wird, um Untertänigkeit auszudrücken.
Zwischen den Bäumen konnte ich einige Vögel hören, auch das Plätschern des Brunnens ein paar Fuß entfernt drang an mein Ohr.
Ich spürte, dass seine Augen auf mir ruhten.
Ich trug ein leichtes Seidengewand. Es war extrem kurz und aus praktischen Gründen durchsichtig. Es ließ keinen Zweifel an der Form meines Körpers.
Ich kniete vor ihm, in einer Position, die sich für eine meiner Art gehörte, wenn einer wie er, ein Mann, vor einem stand; einer Position des Gehorsams.
Wer er war oder was er wollte, vermochte ich nicht zu sagen. Hatte er mich in der Nähe der Mauer gesehen?
»Es ist Ruhezeit«, sagte er.
»Ja«, antwortete ich.
Ich hatte Stimmen aus dem Inneren des Hauses gehört, doch ich hatte sie für die Stimmen der Einen, die die Höchste unter uns ist, und ihrer Assistentinnen gehalten. Meist gibt es an einem Ort wie diesem einige von uns, die Höhergestellten von uns gehorchen. Ich war überrascht und erschrocken gewesen, als ich die Stimmen gehört hatte, denn derartige Laute waren während der Ruhezeit sonst nicht zu vernehmen. Und ich wusste, dass die Ruhezeit noch nicht vorüber war – zumindest sollte sie noch nicht vorüber sein. Hätte ich geglaubt, dass die Ruhezeit bald vorbei wäre, hätte ich mich natürlich nie in die Nähe der Mauer begeben, denn das ist, wie Sie sich denken können, nicht gestattet.
»Warum liegst du nicht auf deiner Matte?«, fragte er.
»Ich bin nicht müde«, antwortete ich.
»Du wolltest im Garten umherstreifen?«
Und ich entgegnete: »Ja.«
»Warum warst du nicht im Schatten?«
»Ich weiß es nicht.«
»Eine wie du muss vorsichtig sein.«
»Ja«, entgegnete ich. Ich wusste nicht, was er wollte. Ich hatte Angst.
»Du solltest auf deinen Teint achten«, fuhr er fort.
»Ja!«, stimmte ich erleichtert zu.
»Es wäre unerfreulich, wenn du einen Sonnenbrand bekämst und deine Haut sich rötete oder Blasen bekäme.«
»Natürlich«, sagte ich.
»Oder Schlimmeres«, meinte er.
»Ja, das stimmt«, wiederholte ich.
Warum war er jetzt hier, dieser Mann? Wer war er?
»Dann würdest du vielleicht nicht mehr so gefällig aussehen.«
»Ja.«
»Du bist neu im Garten.«
»Ja.« Wie konnte er das wissen? Ich war sicher, dass er nicht zum Personal gehörte. Und seine Stimme kam mir auch nicht bekannt vor.
Fand er vielleicht Interesse an mir? Und damit meinte ich nicht die Art Interesse, die Männer für gewöhnlich an einer meiner Art finden.
»Position«, sagte er.
Auf diesen schlichten Befehl hin streckte ich meinen Rücken und kniete aufrecht, doch weit zurückgebeugt, sodass meine Schenkel auf meinen Fersen ruhten, die Knie weit gespreizt, denn so gehörte es sich für eine wie mich, die Handflächen auf den Schenkeln. Den Kopf hielt ich jedoch gesenkt. Wie man seinen Kopf hielt, das hatte ich gelernt, hing von der Stadt und dem Mann ab, und im Zweifelsfall ist es die sicherste Wahl, ihn gesenkt zu halten, es sei denn, man weiß, dass man ihn anders halten soll.
»Du darfst den Kopf heben«, sagte er.
Ich kannte ihn nicht. Er war ein starker, mächtiger Mann, wie es sie hier, an diesem Ort, auf dieser Welt, im Überfluss zu geben schien. Groß war er, gekleidet in eine schlichte Tunika mit einer Tasche. Ein Band hielt sein langes, dunkles Haar im Zaum. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass einer wie er wusste, wie man eine meiner Art behandelte.
»Wie lautet dein Name?«, wollte er wissen.
»Ich hatte schon viele Namen«, sagte ich, und es stimmte. Einen Namen bei der Ausbildung, einen Namen im Zwinger und noch viele mehr.
»Du hast einen Akzent«, stellte er fest.
»Ja«, erwiderte ich.
»Wie nennt man dich hier im Garten?«, fragte er nun.
»Gail«, antwortete ich.
»Ein ausgezeichneter Name«, meinte er lächelnd.
Ich senkte den Kopf, hob ihn aber wieder, als mir einfiel, dass er mir das gestattet hatte. Ich tat also wohl besser daran, meinen Kopf oben zu halten, bis er einen anderen Wunsch äußerte. Doch noch hatte er mir nicht befohlen, ihm in die Augen zu blicken, und so wandte ich den Blick dankbar von ihm ab. Für eine wie mich kann es schwierig sein, dem Blick eines solchen Mannes zu begegnen.
»Für eine wie dich«, fügte er hinzu. Ich schwieg.
»Das ist ein Erdenname«, stellte er fest.
»Ja«, erwiderte ich.
Er kannte sich also zumindest teilweise mit dem sogenannten »Zweiten Wissen« aus. Das bedeutete, dass er aus einer hohen Kaste stammen musste.
»Stammst du ursprünglich von einem solchen Ort?«, fragte er.
»Ja.«
»Doch jetzt bist du hier, nicht wahr?«
»Ja«, sagte ich noch einmal. Nichts hätte wahrer sein können als diese Aussage.
Er zog ein Blatt Papier aus seiner Tasche. Ein Muster, Wort oder ein Name war darauf zu sehen.
»Kannst du das lesen?«, wollte er wissen.
»Nein«, entgegnete ich.
»Du kannst nicht lesen?«, hakte er nach.
»Nein«, gab ich zu.
Auf dieser Welt war ich eine Analphabetin. Man hatte mir nicht beigebracht, in den Sprachen dieses Ortes zu lesen oder zu schreiben. Eine meiner Art hatte keine Verwendung für derartige Fähigkeiten.
»Erkennst du das Zeichen?«, fragte er.
»Ja«, sagte ich. »Es ist das Zeichen der Stadt.« Ein schlichtes Zeichen. Ich hatte es zuvor schon gesehen, selbst im Innern des Hauses, auf Dokumenten und dergleichen.
Meine Gedanken rasten, ich wusste nicht, was ich hier im Garten eigentlich tat, oder warum man mich hierhergebracht hatte. Natürlich, die Wahrscheinlichkeit war groß, dass man mich aus demselben Grund und für dieselben Zwecke wie die anderen Mädchen hierhergebracht hatte. Aber wirklich sicher war ich mir dessen nicht. Die »Blumen« hier waren von erstaunlicher Qualität, und wenngleich man mich wohl für interessant, vielleicht sogar für bemerkenswert interessant hielt, hatte ich meine Zweifel, dass ich wirklich eine von ihnen war, zumindest nach rein ästhetischen Gesichtspunkten. Außerdem hatte man mich weder gelehrt, zu singen wie sie, noch beherrschte ich die Laute, wie sie es taten. Noch nicht einmal mit den speziellen Tänzen des Gartens war ich vertraut. Es ist eine Sache, sich nackt vor den Wachen zu rekeln, mit seinem Körper auf die Töne einer Flöte zu reagieren, aber eine völlig andere, mit einem Juwelengürtel auf der Tanzfläche in einer der goldenen Tavernen herumzuwirbeln, die nur über die hohen Brücken erreichbar sind. Nun, zugegeben, vielleicht ist der Unterschied gar nicht so groß, Tatsache bleibt aber, dass man mich nicht speziell ausgebildet hatte, zumindest nicht über das hinaus, was eine wie ich, die nicht als Tänzerin verkauft werden soll, können muss.
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