„Die Männer sind draußen, auf der Baustelle. Du kannst ihnen sagen, dass der Kaffee fertig ist. Sie sind auch hungrig. Aber wir wollten auf euch warten.”
Blue verbarg seine Gedanken und fragte nichts. Er nickte nur und ging wieder hinaus. Obwohl er nicht wusste, was sie mit Baustelle gemeint hatte, führten ihn dr Weg direkt dorthin.
Hinter dem Erdhügel war ein großes, rundes Loch ausgehoben, nur etwa drei Fuß tief. Drei Männer saßen beieinander und redeten. Einer von ihnen war Frank McKanzie. Der drehte den Kopf zu Blue.
„Na, hast du uns gefunden?”
Blue antwortete nicht.
Nun wandte sich auch der Mann, der neben Frank saß, zu ihm. Es war der Alte mit den grauweißen Zöpfen! Sein Großvater! Der schenkte ihm ein breites Lächeln und scherzte: „Hallo Blue George Washington. Wie geht‘s?”
Blue starrte den Alten an, als säße ein Geist vor ihm. War das alles ein abgekartetes Spiel? Und wer war der dritte Mann? Hatte der auch etwas mit diesem Komplott zu tun? Der Alte hatte seinen Blick gesehen und lachte leise. „Das ist Joe Stone Horse, mein Sohn. Also dein Onkel!” Der Onkel schien schätzungsweise in Franks Alter zu sein und musterte Blue aufmerksam, ohne Regung in seinen Gesichtszügen. Er trug eine staubige, zerschlissene Jeans und ein knallrotes Shirt ohne Ärmel. Sein Haar war so lang wie Großvaters Zöpfe. Nur hatte Joe es zu einem Pferdeschwanz gebunden. Blue spürte, dass es an ihm war etwas zu sagen.
„Hi.”
Mehr kam nicht über seine Lippen. Er stand aufrecht mit gespreizten Beinen, schob die Daumen in die Gesäßtaschen seiner Jeans und wich dem Blick seines Onkels aus.
„Es gibt Kaffee und Pancakes”, sprach er mit fester Stimme.
Die drei Männer erhoben sich. Joe ging mit dem Alten zum Trailer. Frank blieb neben Blue stehen.
„Was soll das denn werden, wenn‘s fertig ist?” Blue deutete skeptisch auf die Baugrube, deutlich war der Spott in seiner Frage zu hören.
Frank grinste. „Ein Parkhaus für Indianerautos.”
Blue wandte ihm mit grimmigen Gesichtszügen den Rücken zu.
„He! Verstehst du denn überhaupt keinen Spaß?”, fragte Frank. „Du hast gut reden, Mann.”
Frank bemerkte, wie wütend Blue war. Er holte tief Luft.
„Joe und Wayton bauen ein Haus. Es wird ungefähr so aussehen, wie ein Erdhaus der Mandan oder ein Hogan der Navajo. Es ist im eisigen Winter wesentlich wärmer und im Sommer angenehm kühler als der alte Trailer. Bei einem Sturm im Frühjahr ist er umgefallen und das Dach war aufgerissen. Seitdem regnet es rein.”
„Wann fliegst du zurück?”, wechselte Blue das Thema.
„Morgen früh.”
„Okay. Der Kaffee wird kalt.”
Mit diesen Worten ging Blue voran. Frank folgte ihm.
Abends wälzte sich Blue McKanzie im frisch bezogenen Bett hin und her. Der Geruch des Waschmittels stieg in seine Nase. Joe Stone Horse war gegangen. Sie hatten kein Wort miteinander gesprochen. Grandma und Bonnie schienen fest zu schlafen. Er lauschte auf ihren gleichmäßigen Atem. Frank war nicht hier. Und Großvater? Wer weiß? Leise und vorsichtig schob Blue die Decke zur Seite. Barfuß schlich er zur Tür. Sie war nicht verschlossen. Er schlüpfte wie ein Schatten durch den Spalt nach draußen auf die kleine Veranda aus alten Holzkisten. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen durch die Dämmerung. Blue lief ihr entgegen.
Barfuß, über den Staub und die Steine der Erde trugen ihn seine Füße, immer schneller. Er spürte die Schmerzen nicht. Die Schmerzen in seinem Herzen waren stärker, viel stärker. Es trommelte gegen seine Brust, als wollte es herausspringen. Blue rannte keuchend einen Hügel hinauf und blieb schließlich wie angewurzelt stehen. Der Horizont schien zu brennen. Die Wolken standen in orangeroten Flammen. Der glühende Feuerball berührte schon die Erde. Blue stand schweigend und reglos. Sein schneller Atem beruhigte sich.
Er wusste nicht, wie lange er da gestanden hatte, als ihn eine Hand fest an der Schulter berührte und eine Stimme leise zu ihm sagte: „Willkommen zu Hause, Blue. Schön, dass du gekommen bist.”
Blue wandte langsam den Kopf zu dem Alten. Er war nicht einmal erschrocken über sein plötzliches Auftauchen.
„Wer bist du?”
Der alte Mann lächelte nachsichtig.
„Nitunkashila, dein Großvater.”
Blues Augen glänzten, als er fragte: „Warum das alles?”
„Ich habe es ihr versprochen.”
Großvater lachte leise.
Nach einer Weile des gemeinsamen Schweigens, in dem der rote Feuerball langsam mit seinem unvergleichlichen Farbenspiel am Horizont versank, sagte der Alte: „Das sind die Farben der Sonne. Sie wärmen unser Herz. Die Menschen, die sie nicht mehr erreichen kann, verlieren ihre Seele, und ihr Herz wird zu Stein.”
Blue hörte die Worte. Die Farben der Sonne und die Worte des alten Mannes waren tief in ihn eingedrungen und nahmen ihm die Schmerzen aus seinem Herzen und alle Zweifel mit sich fort. Er fühlte sich das erste Mal seit langer Zeit geborgen und vor allem nicht allein.
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