Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen› Sechster Abschnitt Besonderheiten beim Einbezug der Kirchensteuer › A. Zeitpunkt der Verrechnung der Kirchensteuer
A. Zeitpunkt der Verrechnung der Kirchensteuer
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Bei natürlichen Personen, die kirchensteuerpflichtig sind, ist bei der Berechnung der Einkommensteuer zusätzlich die Kirchensteuer zu beachten. Als Sonderausgabe ist jeweils die Kirchensteuer abziehbar, die im Veranlagungszeitraum gezahltwurde (§ 10 Abs. 1 Nr 4 EStG, Abflussprinzip nach § 11 Abs. 2 EStG). Die im Laufe eines Veranlagungszeitraums gezahlte Kirchensteuer stimmt regelmäßig nicht mit der Kirchensteuer überein, die durch in diesem Jahr erwirtschaftete Einkünfte verursachtist. Für Steuerbelastungsrechnungen stehen zur Erfassung der Interdependenzen zwischen der Einkommensteuer und der Kirchensteuer prinzipiell zwei Ansätze zur Verfügung:
1. |
Bei Ermittlung des zu versteuernden Einkommens wird jeweils die Kirchensteuer des Vorjahres abgezogen. |
2. |
Es wird ein Sofortabzug der Kirchensteuer bei der Einkommensteuer unterstellt und die Kirchensteuer gemeinsam mit der Einkommensteuer berechnet. |
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Beide Vorgehensweisen sind insoweit unrealistisch, als entweder keine Vorauszahlungen auf die Kirchensteuer berücksichtigt werden (erster Ansatz) oder von Vorauszahlungen in Höhe der in der Periode verursachten Kirchensteuer ausgegangen wird (zweiter Ansatz). Will man die Veranlagung uneingeschränkt in Anlehnung an das Veranlagungsverfahren simulieren, ist die Kirchensteuer im Jahr ihrer Entrichtung anzusetzen. In den einzelnen Jahren ist die Kirchensteuer abziehbar, die auf die Vorauszahlungen der Einkommensteuerschuld des laufenden Jahres entfällt, zuzüglich der Kirchensteuer auf Abschlusszahlungen für Einkommensteuer der Vorjahre bzw abzüglich im Veranlagungszeitraum erstattete Kirchensteuern.
Bei der zweiten Vorgehensweisebeschränkt sich die Ungenauigkeit auf die Differenz zwischen der wirtschaftlich verursachten Kirchensteuer und der auf die Voraus- und Abschlusszahlungen gezahlten bzw der erstatteten Kirchensteuer. Sie ist deshalb für Planungsrechnungen besser geeignet. Zum einen kann die bei ihr entstehende Ungenauigkeit zumeist vernachlässigt werden. Zum anderen weist sie den Vorteil auf, dass pagatorische Zahlungszufälligkeiten eliminiert werden.
Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen› Sechster Abschnitt Besonderheiten beim Einbezug der Kirchensteuer › B. Proportionale Steuersätze
B. Proportionale Steuersätze
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(1) Grundsätzliche Vorgehensweise: Bei der Annahme der Übereinstimmung zwischen gezahlter und verursachter Kirchensteuer (zweiter Ansatz) erweist sich die Berechnung des kombinierten Einkommen- und Kirchensteuersatzes (s ESt,KiSt) innerhalb der Proportionalzonen des Einkommensteuertarifs als problemlos.[5] Ausgangsgröße bildet das zu versteuernde Einkommen vor Abzug der Kirchensteuer (zvE), das mit dem Gewinn vor Steuern (G) vermindert um die als Betriebsausgabe abziehbaren Steuerarten übereinstimmt. Die Berechnungsformeln der Einkommen- und Kirchensteuer
ESt = s ESt× (zvE – KiSt) |
KiSt = s KiSt× ESt |
sind ineinander einzusetzen:
ESt = s ESt× (zvE – s KiSt×ESt) |
KiSt = s ESt× s KiSt× (zvE – KiSt) |
Nach Ausklammerung
s EStESt = × zvE 1 + s ESt×s KiSt |
s ESt×s KiStKiSt = × zvE 1 + s ESt×s KiSt |
und Addition der beiden Gleichungen kann die Summe aus Einkommen- und Kirchensteuer unmittelbar aus dem zu versteuernden Einkommen vor Abzug der Kirchensteuer bestimmt werden:
|
s ESt×(1+s KiSt) |
|
ESt + KiSt = |
|
× zvE = S ESt, KiSt× zvE |
|
1 + s ESt×s KiSt |
|
Bei einem zusätzlichen Einbezug des Solidaritätszuschlags ist die vorstehende Gleichung zu erweitern:
|
s ESt×(1 + s SolZ+ s KiSt) |
|
ESt + SolZ + KiSt = |
|
× zvE = s ESt,SolZ,KiSt× zvE |
|
1 + s ESt×s KiSt |
|
Bei einem Solidaritätszuschlagsatz von 5,5% und einem Kirchensteuersatz von 8% bzw 9% ergeben sich bei einem Einkommensteuersatz von 42% bzw beim Spitzensteuersatz der Einkommensteuer von 45% folgende kombinierte Steuersätze (s ESt,SolZ,KiSt):
Abb. 2.4: Zusammenfassung von Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in den Proportionalzonen des Einkommensteuertarifs
s ESt |
s SolZ |
s KiSt |
s ESt,SolZ,KiSt |
42% |
5,5% |
8% |
46,12% |
42% |
5,5% |
9% |
46,34% |
45% |
5,5% |
8% |
49,30% |
45% |
5,5% |
9% |
49,52% |
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(2) Besonderheiten bei der Abgeltungsteuer: Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen wird die Einkommensteuer in Form der 25%igen Abgeltungsteuer erhoben (Sondersteuersatz nach § 32d EStG). Diese Einkünfte unterliegen zusätzlich der Kirchensteuer (§ 51a Abs. 2b EStG). Die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer als Sonderausgabe wird in pauschalierender Form berücksichtigt (§ 51a Abs. 2b iVm § 43, § 43a EStG). Der Abgeltungsteuersatz (dh die Einkommensteuer) reduziert sich nach folgender Formel (§ 32d Abs. 1 S. 4 EStG):
Einkommensteuer = Einkünfte aus Kapitalvermögen / (4 + Kirchensteuersatz in %)
Bei Einkünften von 100 und einem Kirchensteuersatz von 8% errechnet sich eine Einkommensteuer von 24,51 (= 100 / [4 + 8%]) und eine Kirchensteuer von 1,96 (= 24,51 × 8%). Bei einem Kirchensteuersatz von 9% beläuft sich die Einkommensteuer auf 24,45 (= 100 / [4 + 9%]) und die Kirchensteuer auf 2,20 (= 24,45 × 9%).
Bezieht man den Solidaritätszuschlag mit ein, ergibt sich für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die in den Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer fallen, folgende Gesamtbelastung:
Abb. 2.5: Zusammenfassung von Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer bei Einkünften, die der Abgeltungsteuer unterliegen
ohne Kirchensteuer |
26,38% |
= |
25,00% + 5,5%×25,00% |
Kirchensteuersatz 8% |
27,82% |
= |
24,51% + 5,5%×24,51% + 8%×24,51% |
Kirchensteuersatz 9% |
28,06% |
= |
24,45% + 5,5%×24,45% + 9%×24,45% |
Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen› Sechster Abschnitt Besonderheiten beim Einbezug der Kirchensteuer › C. Progressive Steuersätze
C. Progressive Steuersätze
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Im Progressionsbereich des Einkommensteuertarifs sind die Berechnungen aufwendiger. Zur Ableitung des kombinierten Einkommen- und Kirchensteuersatzes sind die Veränderungen der Steuerzahlungen aufgrund der getroffenen Entscheidung durch die Änderung des zu versteuernden Einkommens zu dividieren (Differenzsteuersatz):[6]
• |
Um die Einkommen- und Kirchensteuer, die auf die analysierte Handlungsalternative entfällt, von den Steuerzahlungen auf die weiteren Einkünfte des Steuerpflichtigen zu trennen, sind im ersten Schritt die Einkommen- und Kirchensteuer zu ermitteln, die sich aus der Summe der weiteren Einkünfte und der Veränderung der Bemessungsgrundlage durch die betrachtete Entscheidung ergeben. |
• |
Im zweiten Schritt sind als Bemessungsgrundlage ausschließlich die weiteren Einkünfte einzubeziehen und die daraus resultierende Einkommen- und Kirchensteuer zu berechnen. |
• |
Die Steuerzahlungen aus dem ersten Schritt abzüglich des Ergebnisses des zweiten Schritts entsprechen der Einkommen- und Kirchensteuermehrbelastung oder -minderbelastung, die durch die betreffende Handlungsalternative ausgelöst wird. |
Beispiel:
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